Erst vogelfrei, jetzt gemeinfrei.

Erich Salomon war ein Pionier der Pressefotografie. Er fotografierte Marlene Dietrich am Telefon und wurde 1944 von den Nazis in Auschwitz umgebracht. Nun werden seine Bilder gemeinfrei.

Marlene Dietrich telefoniert aus Hollywood mit ihrer Tochter in Berlin, 1930. (Bild: Erich Salomon)

Erich Salomon war ein Pionier der Pressefotografie. Er fotografierte Marlene Dietrich am Telefon und wurde 1944 von den Nazis in Auschwitz umgebracht. Nun werden seine Bilder gemeinfrei.

Fotografen, Autoren, Musiker und Wissenschaftler schaffen Werke. Diese sind – falls es der Schöpfer nicht anders regelt – urheberrechtlich geschützt, und das bis 70 Jahre nach dessen Tod. Danach wird das Werk, sofern es nicht von einem dritten Rechteinhaber (Verlag, Patent) weiter geschützt wurde, gemeinfrei. Das heisst, jeder darf es kopieren, überarbeiten und sogar verkaufen.

So wird zu jedem Jahresbeginn eine Liste jener Künstler veröffentlicht, deren Werke nun in die Gemeinfreiheit übergehen. Dieses Jahr finden sich darauf grosse Namen und auch einige mit einem bitterem Beigeschmack. 23 Künstler wurden 1944 von den Nazis allein in Auschwitz umgebracht, und heute, 70 Jahre später, dürfen wir deren Hinterlassenschaft gemeinfrei verwenden.

Erich Salomon (1886-1944)

Erich Salomon (1886-1944)

Einer der bekanntesten Künstler unter den Naziopfern war Erich Salomon, ein Pionier der Pressefotografie. Der promovierte Jurist und polyglotte Gentleman, der von den Grossen aus Politik, Kultur und Gesellschaft als einer der Ihren akzeptiert wurde, fing erst mit 39 Jahren an zu fotografieren. Er baute Koffer und Taschen um, um damit unauffällig zu knipsen. 1928 publizierte er in der «Berliner Illustrirten Zeitung» eine heimlich während eines Mordprozesses angefertigte Bildreportage, die grosses Aufsehen erregte. Bald danach gelangen ihm Bilder aus der Welt der politischen Konferenzen, wie sie bislang noch nie gesehen worden waren.

Der erste Bildjournalist im Weissen Haus

Nach kurzer Zeit war er ein Star unter seinen Berufskollegen, seine Bilder erschienen in vielen deutschen und internationalen Blättern und er gehörte zu den Ersten, die ihre veröffentlichten Fotos mit ihrem Namen zeichneten. In fünf Jahren produzierte er etwa 350 Reportagen, meist Aufnahmen von internationalen Konferenzen und aus den gesellschaftlichen Zentren der Weimarer Republik, Westeuropas und der USA.

1930 fotografierte er kurz nach der Installierung des ersten transatlantischen Telefonkabels die Schauspielerin Marlene Dietrich, wie sie in ihrem Haus in Hollywood mit ihrer kleinen Tochter in Berlin spricht. Das Ferngespräch fand morgens um vier Uhr statt, aber die Schauspielerin liess sich überreden, das Ereignis für Salomons Kamera zu wiederholen.

Auch war er der erste Bildjournalist überhaupt, der im Weissen Haus fotografieren durfte. Wer weiss, was er uns noch alles an Bildern hinterlassen hätte, wäre er nicht der Barbarei der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen. 

Engländer lesen in der U-Bahn den «Sunday Dispatch» mit einer Fotografie auf der Front vom obersten Gerichtshof, das ebenfalls von Salomon fotografiert wurde.

Engländer lesen in der U-Bahn den «Sunday Dispatch» mit einer Fotografie auf der Front vom obersten Gerichtshof, das ebenfalls von Salomon fotografiert wurde. (Bild: Erich Salomon)

Neben Salomon stehen ab diesem Jahr die Werke weiterer grosser Persönlichkeiten gemeinfrei zur Verfügung: 
Antoine de Saint-Exupéry, französischer Schriftsteller und Pilot («Der kleine Prinz»)
Edvard Munch, norwegischer Maler und Grafiker («Der Schrei»)
Piet Mondrian, niederländischer Maler
Wassily Kandinsky, russischer Maler und Lehrer am Bauhaus
Glenn Miller, US-amerikanischer Jazz-Posaunist, Bandleader, Komponist und Arrangeur

Es gibt mittlerweile sehr schön gemachte Publikationen, die ausschliesslich aus gemeinfreien Werken bestehen. Auf publicdomainreview.org kann man sich stundenlang verweilen und staunt ob der Pracht menschlichen Schaffens aus vergangenen Tagen.

Nächster Artikel