Die regionalen Kantonsspitäler wollten bewusst keines. Jetzt hat das Bethesda Spital das erste Babyfenster der Region eingeweiht. Das Konzept ist umstritten.
Das Babyfenster im Bethesda Spital bietet verzweifelten Müttern in der Region Basel künftig die Möglichkeit, ihr Kind anonym in sichere Hände zu geben. Die Einrichtung wird diesen Donnerstag eröffnet. Im Bethesda Spital ist man stolz auf die neue Errungenschaft. Thomas Rudin, Direktor der privaten Klinik, sagt: «Der Zeitpunkt der Eröffnung des Babyfensters ist sehr passend und fügt sich optimal in unsere allgemeine Strategie ein: Wir planen, die Frauenmedizin noch stärker zu einem Schwerpunkt zu machen.»
Erst kürzlich kommunizierte die Klinik, dass sie die Abteilung Frauenklinik des Bruderholzspitals übernehmen wird. Das Timing sei aber zufällig. Bereits seit über zehn Jahren liege das Projekt Babyfenster auf dem Tisch, die Umsetzung habe sich aber wegen Bauarbeiten verzögert, sagt Rudin.
Nach einem Jahr gibts kein Zurück mehr
Was genau passiert, wenn eine Frau ihr Kind über das Babyfenster abgibt, demonstrierte ein Team des Spitals am Mittwoch vor den Medien: Die Mutter legt ihr Kind durch ein Fenster in ein Wärmebett und nimmt einen Brief entgegen. Darin steht, wo sie sich melden kann, sollte sie es sich anders überlegen. Sie hat ein Jahr Zeit, ihr Kind zurückzufordern, bevor es zur Adoption freigegeben wird. Nach einigen Minuten ertönt ein Alarm, das medizinische Personal eilt dem Neugeborenen zu Hilfe.
Das Babyfenster im Bethesda Spital wird von der Stiftung Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind (SHMK) betrieben, die im Jahr 2001 auch das erste Babyfenster in Einsiedeln installierte. Seither kamen weitere Fenster in Bern, Davos, Bellinzona und Olten dazu. Auch in Zürich gibt es eines, jedoch keines der SHMK.
Bisher wurden schweizweit 16 Babys über Babyfenster abgegeben. Mehr als die Hälfte der Mütter meldete sich danach, zwei Mütter nahmen ihr Baby wieder zurück. Dominik Müggler, Präsident der SHMK, sagt: «Aus unserer Sicht braucht es in jeder grösseren Region der Schweiz ein solches Fenster.» Mindestens elf Babyfenster strebe die Stiftung an. «Basel als Zentrum der Nordwestschweiz ist natürlich ein wichtiger Standort», so Müggler.
Die Kosten für den Betrieb des Babyfensters übernimmt weitgehend die SHMK. Das Spital kommt lediglich für allfällige Personalkosten auf.
Babyfenster trotz Kritik
Babyfenster, aber auch die Betreiberin SHMK sind nicht unumstritten. Die Stiftung mit christlichem Hintergrund machte etwa als radikale Abtreibungsgegnerin Schlagzeilen. Die Kantonsspitäler der Region Basel haben sich bewusst gegen Babyfenster entschieden.
Kritiker wie etwa die Organisation «Sexuelle Gesundheit Schweiz» weisen auf die ethischen und rechtlichen Probleme hin, die mit Babyfenstern einhergehen. So werde das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung verletzt. Heidi Simoni, Leiterin des Marie Meierhofer Instituts für das Kind in Zürich, sagte in einem Interview mit dem «Migros-Magazin», eine vollständig gekappte Verbindung zu den leiblichen Eltern könne beim Kind bleibende Schäden hinterlassen.
Kritisiert wird auch, dass Babyfenster Müttern einen Anreiz geben könnten, die Schwangerschaft zu verheimlichen. Dabei sei es wichtig, dass die Mutter schon während Schwangerschaft und Geburt ausreichend betreut werde. Deswegen seien «diskrete Geburten» die bessere Alternative. Dabei wird die Mutter während Schwangerschaft und Geburt anonym behandelt, hinterlegt aber Informationen zu ihrer Identität, die ihrem Kind nach dem 18. Lebensjahr ausgehändigt werden.
«Notwendige Ergänzung»
Diskrete Geburten werden bereits in einigen Schweizer Spitälern durchgeführt, darunter etwa in der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. Auch das Bethesda Spital plant eine Einführung dieser Möglichkeit per Februar 2016.
Auch SHMK-Präsident Müggler bevorzuge «selbstverständlich die Möglichkeit der diskreten Geburten», doch seien Babyfenster eine notwendige Ergänzung. «Viele Mütter wollen unter keinen Umständen, dass irgendjemand von ihrer Schwangerschaft und Geburt erfährt. Die Pfleger und Hebammen wären für solche Frauen schon eine zu grosse Öffentlichkeit», ist er überzeugt.
Babyfenster im Aufwind
Oft kommt es in der Schweiz nicht vor, dass ein Neugeborenes über ein Babyfenster abgegeben wird. Doch wenn, dann ist grosser Wirbel in der Öffentlichkeit programmiert. Kein Zweifel, Babyfenster sind ein emotionales Thema.
Und trotz allem im Aufwind. Zuletzt wurde vor zwei Jahren in Olten eines eröffnet. Und im Baselbiet will die kürzlich in den Nationalrat gewählte SVP-Politikerin Sandra Sollberger trotz bislang ausbleibendem Erfolg nicht davon absehen, sich weiterhin für Babyklappen stark zu machen. Denn sie bezweifelt, dass diejenigen Frauen, die bereits ihr Baby in ein Babyfenster gelegt haben, die an sich bessere Möglichkeit der diskreten Geburt genutzt hätten. Deshalb ist sie überzeugt: «Jedes Baby, das in die Babyklappe gelegt wird, ist ein gerettetes Baby.»