Der Französisch-Unterricht bewegte am Montag die Gemüter: Eigentlich hätte die Info-Veranstaltung des Erziehungsdepartements (ED) pünktlich um 20 Uhr aufhören sollen. Fast eine Stunde später wurde im Congress Center noch immer hitzig diskutiert. Manuele Vanotti, Projektleiter des interkantonalen Fremdsprachen-Konzepts «Passepartout», stand den aufgebrachten Eltern Rede und Antwort.
Diese zweifelten in ihren Voten im Allgemeinen nicht am Frühfranzösisch an der Volksschule. Auch nicht an den Lehrpersonen, die ihr Bestes geben würden. Wohl aber an der Methode rund um das neue Lehrmittel «Mille feuilles».
«Schüler sind frustriert»
Dieses hat nicht mehr viel mit den früheren Lehrmitteln «Bonne chance!» zu tun: Heute werden keine Handpuppen mehr mit «Bonjour Pierrot, bonjour Pierrette» besungen, und auch die Vorzeige-Romands der Familie Châtelain, die Verben-Häuser und Grammatikübungen sind Geschichte. Das heutige Unterrichtsmittel basiert auf einer neuen Methode. Dazu gehören etwa Vergleiche mit anderen Sprachen, sogenannte «authentische Texte», und Lernparcours.
«Tu parles français comme une vache espagnole» – einer der bekannten Lernsätze aus den «Bonne chance!»-Büchern mag einigen Eltern in den Sinn kommen, wenn sie ihre Kinder parlieren hören: Der Grundtenor beim Publikum der ED-Veranstaltung war jedenfalls, dass der neuen Lehrmethode die Leitplanken fehlten. So sagte etwa eine anwesende Mutter, die Schüler seien frustriert, weil sie Instrumente zum Spracherwerb nicht bekämen. «Viele Kinder orientieren sich nun mal an Strukturen», sagte sie.
«Grammatik vernachlässigt»
Eine weitere Zuhörerin hegte Zweifel an der Umsetzbarkeit der Passepartout-Ideen: «Ein Sprachbad ist mit zwei Wochenlektionen nicht möglich.» Zudem sei beim Lehrmittel «Mille feuilles» einfach nichts «greifbar». Sie könne nicht verstehen, weshalb die Grammatik erst in der sechsten Klasse ausgeteilt werde. Manche Schüler könnten etwa nach mehreren Jahren Unterricht nicht einmal grundlegende Verben wie «être» und «avoir» konjugieren. Eine pensionierte Französischlehrerin bemängelte, dass sich dadurch schneller Fehler einschleichen würden, die sich die Kinder dann nur mit Mühe abgewöhnen.
Vanotti wehrte sich gegen die ihm in den Mund gelegte Bezeichnung «Sprachbad». Dabei versuchte er, den besorgten Eltern die Idee hinter «Passepartout» näherzubringen. «Stellen Sie sich vor, es sitzen insgesamt 28 Jahre Französischunterricht am Tisch, doch keiner traut sich, etwas zu bestellen.» Damit meinte er, dass bei der alten Methode die Angst vor Fehlern oft grösser war als die Lust am Ausprobieren.
Zudem werde die Grammatik überbewertet. Er wies darauf hin, dass lange die «preussische» Methode vorherrschte. Latein- oder Griechischlehrer unterrichteten die Fremdsprachen und dementsprechend richteten sich ihre Stunden nach der sogenannten Grammatik-Übersetzungsmethode. Kommunikation sei aber viel mehr als das: «Sprache ist kein Ikea-Regal, das man richtig oder falsch zusammensetzen kann», erklärte Vanotti.
Grosse Skepsis
Diese Argumente konnten das Publikum nur teilweise überzeugen. «Sie streuen Sand in die Augen», sagte ein Vater, der selbst an einer Schule unterrichtet. «Hören Sie endlich auf die Kritik», sagte er an die Adresse des Erziehungsdepartements.
Darauf konterte ED-Vorsteher Christoph Eymann: «Diejenigen, die das Lehrmittel konzipierten, waren keine Idioten.» Es sei auch fraglich, ob «Mille feuilles» Grund für teilweise empfundene schlechte Leistungen ist oder andere Gründe. Als Beispiel nannte er die europaweit «heterogenste Zusammensetzung» von Schulklassen in Basel.
Im Publikum gab es vereinzelt auch positive Stimmen zum Französischunterricht. Ein Vater eines 10-jährigen Schülers bezeichnete etwa die «Passepartout»-Kritiker als «Lehrer- und Politikereltern» mit einer elitären Haltung. Aus seiner Sicht könne man von den Zöglingen nicht bereits eine perfekte Grammatik fordern – die Freude an der Sprache sei wichtiger.
Das Vorpreschen Zürichs mit dem Frühenglisch wurde von mehreren Kantonen, die an die Romandie grenzen, als Affront gegenüber den welschen Nachbarn betrachtet. Daher entschieden sich diese im Jahr 2006 für eine gemeinsame Strategie zugunsten des Französischen als Einstiegsfremdsprache: Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Bern, Solothurn, Fribourg und Wallis gründeten unter dem Namen «Passepartout» eine interkantonale Projektorganisation. Vom dritten Primarschuljahr bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit, also bis zur 9. Klasse, wird dort Französisch unterrichtet. Je nach Schuljahr sind dafür zwei bis drei Wochenlektionen reserviert. Dazu schufen die sechs Kantone ein Lehrmittel mit einem neuen didaktischen Ansatz. Primarschüler lernen mit «Mille feuilles», auf der Sekundarstufe I folgt «Clin d’œil». Seit 2011 wird in den Basler Primarschulen die französische Sprache nach «Passepartout» gelernt, seit dem August 2015 auch in der neuen Sekundarschule.