Kinder, die an den Basler Musikschulen ein Instrument erlernen wollen, müssen sich zuerst einmal in Geduld üben. Das Warten dauert oft mehrere Jahre. In Riehen ist eine Verbesserung in Sicht, in Basel nicht.
Wer ein richtiger Schweizer oder eine richtige Schweizerin ist, soll ein Instrument beherrschen. Dies ist eine mögliche Interpretation der deutlichen Annahme des Jugendmusikförderungs-Artikels vom 23. September.
Allerdings müssen musizierfreudige Kinder im Kanton Basel-Stadt vor ihrer ersten Instrumentallektion eine grosse Hürde überwinden: die ewig lange Warteliste. Gerade bei den sogenannten Modeinstrumenten Klavier, Gitarre und Schlagzeug kann diese Warterei Jahre dauern.
Die beiden Kinder der Riehener Einwohnerrätin Franziska Roth (SP) zum Beispiel mussten je rund drei Jahre warten, bis sie einen Platz an der Musikschule erhielten. «Nach jeweils zwei Jahren des Wartens habe ich eine private Lösung zur Überbrückung gesucht», sagt Roth. Wer sein Kind nicht in eine der teuren privaten Musikschulen schicken will, dem vermittelt die Musikschule in Riehen einen Musikstudenten, der sich so etwas dazuverdient.
Mit faulen Tricks zum Kurs
Trotz vorhandenen Übergangslösungen sieht Roth Handlungsbedarf, denn zur Umgehung der langen Wartelisten haben sich einige Tricks eingebürgert. Zum Beispiel kann heute ein Kind bereits mit drei Jahren – quasi auf Vorrat – für einen Instrumentalkurs angemeldet werden. So kann das Kind dann pünktlich zu Beginn der Primarschule auch den Unterricht an der Musikschule antreten.
Ein anderer Trick besteht darin, das Kind nicht direkt für das gewünschte, sondern vorerst für ein weniger populäres Instrument anzumelden – um dann nach einiger Zeit «festzustellen», dass das Kind doch lieber Gitarre spielen möchte. Wer bereits an der Musikschule ist, wird bei der Platzvergabe bevorzugt behandelt. Doch Tricks anwenden kann nur, wer diese auch kennt. Das sei ungerecht, meint Einwohnerrätin Roth.
Ein neues Anmeldeverfahren soll Abhilfe schaffen
Auch die für Jugendmusikfragen zuständige Gemeinderätin Maria Iselin (LDP) sieht in den langen Wartelisten ein Problem, das «gelöst werden muss». Deshalb werde noch diesen Herbst im Einwohnerrat über ein neu gestaltetes Anmeldeverfahren abgestimmt. Diese Abstimmung ist Teil der Verhandlungen über den Leistungsauftrag «Bildung und Familie», der auch die jährlichen Subventionen an die Musikschule Riehen umfasst. Organisatorisch untersteht diese zwar – wie auch die Musikschule Basel – der Musik-Akademie Basel, finanziell getragen wird die Schule in Riehen aber vollumfänglich von der Gemeinde Riehen.
Das neue Anmeldeverfahren sieht vor, die untere Alterslimite anzuheben.Zusätzlich soll die Anmeldung mit einem verbindlichen Beratungsgespräch verknüpft werden. Beide Massnahmen haben zum Ziel, die erwähnten Tricksereien künftig zu verhindern.
Zusätzlich zum angepassten Anmeldeverfahren sollen in Riehen auch die Subventionen von aktuell 1,8 Millionen Franken um rund 350 000 Franken erhöht werden. Mit dem Geld sollen 80 zusätzliche Musikschulplätze geschaffen werden. «Dies wird sich zweifelsohne positiv auf die Warteliste auswirken», ist Iselin überzeugt.
Eine gewaltige Verbesserung also? «Eine Verbesserung schon, aber nicht der grosse Wurf», urteilt Franziska Roth. So sei ungewiss, ob es den privaten Musikschulen gelingen wird, die ganze Nachfrage aufzufangen, wenn im Zuge der Schulharmonisierung Musiklektionen an der Volksschule gestrichen werden. Zudem ist die Annahme der Vorlage nicht gesichert: «Von bürgerlicher Seite erwarte ich Widerstand.»
Gleiche Probleme in Basel, jedoch keine Lösung in Sicht
Prekärer noch als in Riehen, ist die Situation in Basel. Obwohl an der Musikschule Basel genau die gleichen Probleme bestehen – lange Wartelisten, die mit Tricks umgangen werden –, sind keine Änderungen in Sicht. Im letzten Herbst wurde im Grossen Rat zwar der mit jährlich 13 Millionen Franken dotierte Subventionsvertrag mit der Musikschule erneuert, Vorschläge für einen verbesserten Zugang zum Musikunterricht wurden aber keine gemacht.
Verpasste man damals eine Chance? Der Direktor der Musik-Akademie Basel, Stephan Schmidt, ist nicht dieser Meinung. «Wir sind uns des Problems bewusst. Wenn sich eine Möglichkeit der Verbesserung abzeichnen sollte, werden wir sicher unseren Beitrag leisten.» Letzlich erfülle die Musik-Akademie jedoch einfach einen politischen und gesellschaftlichen Auftrag, sagt Schmidt. Sprich: Verbesserungsvorschläge vorzubringen, wäre eigentlich Aufgabe der Politiker.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12