Eine Familiengartenparzelle am Walkeweg muss für 20,2 Millionen Franken saniert werden. Der Grund für die Verschmutzung des Bodens könnte über 80 Jahre zurückliegen – die Explosion eines Petrolkellers erschütterte am 16. Juli 1935 die Region.
Bauschutt und Schlacke, Teer und Öl auf einer Familiengartenparzelle: Der Altlastenbefund beim Dreispitz kommt den Kanton teuer zu stehen. Für die notwendige Sanierung des Grundstücks am Walkeweg hat die Basler Regierung insgesamt 20,2 Milionen Franken bewilligt.
Woher die giftigen Abfälle kommen, ist gemäss Immobilien Basel-Stadt nicht bekannt. Unklar sei auch, wie lange diese Abfälle schon dort liegen.
Ein TagesWoche-Leser hat sich nach der Lektüre der Meldung vom Dienstag gemeldet. Er erinnerte sich an seine Grossmutter, die ihm von einer heftigen Explosion im Jahr 1935 berichtet hatte. Der Brand habe einen riesigen Schaden angerichtet und die ganze Stadt auf Trab gehalten, sagt er. Das grosse Feuer habe sich ungefähr dort ereignet, wo nun die Sanierung des Grundstücks nötig sei – somit lieferte der Leser eine mögliche Erklärung für die Altlast am Walkeweg.
In der Tat findet sich in der Basler Chronik der Christoph Merian Stiftung folgender Eintrag über die Ereignisse vom 16. Juli 1935:
Kurz nach 23 Uhr wird Basels Bevölkerung durch gewaltige Detonationen aus dem Schlaf gerissen: die…
«… Petrollager der S.B. B. auf dem Wolf explodieren und setzen den gesamten 10000 m2 umfassenden Lagerraum feuergefährlicher Stoffe in Flammen (Öl-, Gas- und Benzinvorräte im Wert von ½ Million Franken). Die bisher grösste Feuersbrunst Basels verursacht den Grossalarm unserer Feuerwehr; zahlreiche benachbarte Feuerwehren eilen zu Hilfe, der Sanitätsdienst und starke Polizeikräfte werden aufgeboten. Die Strassenbahnerkolonie Walkeweg muss geräumt werden; trotz dem gewaltigen Umfang der Katastrophe und der Gefährlichkeit durch herumfliegende Metallstücke usw. ereigneten sich nur zwei schwere Verletzungen.»
Das grosse Thema in den Medien
Das grosse Feuer beschäftigte selbstverständlich auch die «Basler Nachrichten» und die «National Zeitung». Letztere schreibt in ihrer Ausgabe vom 17. Juli 1935 von einem «Flammenmeer»: «Die Detonationen tönten, als ob die Stadt mit schwerem Geschütz bombardiert würde»:
«Es ist Dienstag 23 Uhr und 5 Min. Plötzlich ertönt eine laute Detonation. Man eilt ans Fenster. In der Richtung des Wolfbahnhofes ist der Himmel taghell erleuchtet durch eine hohe Feuersäule, die über die Dächer der Stadt emporsteigt. Auf der Strasse beginnt ein mächtiges Rennen, Autos tuten, Velos klingeln. Schon eilen Polizisten auf Rädern vorüber mit dem Feuerhorn und rufen: «Es brennt draussen im Petrolkeller der Bundesbahnen». Und schon hat sich ein mächtiger Menschenstrom hinaus ergossen in der Richtung zur Eisenbahnbrücke oder über die Wettsteinbrücke hinüber zum Dreispitz.»
Die Journalisten der «Basler Nachrichten» sind der Frage nachgegangen, was alles auf dem SBB-Gelände gelagert worden war:
«Es fällt schwer – da es sich wie ausgeführt um Untermieter der SBB handelt – genau festzustellen, welche Güter zur Zeit der Katastrophe im Petrollager aufgespeichert waren. Nach unseren Erkundigungen dürfte es sich in der Hauptsache um folgende Lagerbestände handeln: 1000 Fass Öl, 600 Kilo Benzol, 5000 Liter Benzin, 50’000 Liter Petrol und Gasöl, gegen 1000 Flaschen Butangas, ein grosses Quantum Säcke.»
Der Brand vom 16. Juli blieb als «Basels grösste Brandkatastrophe» («Basler Nachrichten») in Erinnerung. Erst um 5 Uhr früh konnte das Feuer einigermassen unter Kontrolle gebracht werden. Zwei Personen wurden verletzt, darunter ein «Postbediensteter», dem das «Bein unter dem Knie» amputiert werden musste.
Die Nachricht von der Explosion verbreitete sich auch in den nationalen Medien. Die «Neue Zürcher Zeitung» schrieb einen Tag später ausführlich über «die Brand- und Explosionskatastrophe», die sich in Basel abgespielt hatte:
«Obwohl das Gelände, auf dem sich in der vergangenen Nacht die Brand- und Explosionskatastrophe abspielte, für alle Unbeteiligten streng gesperrt ist, konnte man den ganzen Vormittag über eine wahre Völkerwanderung nach der Brandstätte beobachten. Auch sah man in der Gegend des Brandplatzes hunderte von Autos.»
Und so berichtete die «Schweizer Illustrierte»:
Kanton schliesst Zusammenhang nicht aus
Laut dem Amt für Umwelt und Energie (AUE), das für Altlasten zuständig ist, ist die belastete Parzelle seit 2004 im öffentlich zugänglichen Kataster der belasteten Standorte eingetragen. Der Eintrag stützt sich auf Sondierbohrungen aus dem Jahr 1962, die die BVB damals wegen eines geplanten Bauvorhabens durchführen liessen.
Diese Bohrungen lieferten eine grobe Beschreibung der Auffüllungen: Bauschutt, Aushub, Schlacken mit organischen Beimengungen. «Chemische Analysen des Bohrgutes wurden damals nicht gemacht und in den Bohrprofilen gab es keine Hinweise auf geruchliche Auffälligkeiten», sagt der stellvertretende Amtsleiter Dominik Keller.
Die grosse Überraschung folgte erst 54 Jahre später – als der Kanton vergangenes Jahr im Hinblick auf die Nachnutzung des Areals eine Altlastenuntersuchung durchführte. Da stellte sich heraus, dass in der Kiesgrube neben Bauschutt auch Sonderabfall – stark Mineralöl- und PAK-haltiger Aushub – eingelagert wurde.
Das AUE schliesst einen Zusammenhang mit dem Brand aus dem Jahr 1935 gegenüber der TagesWoche nicht aus. Im Gegenteil: «Aufgrund dieses Sachverhalts vermuten wir, dass in der Kiesgrube stark belasteter Aushub aus dem Areal des abgebrannten Petrollagers von 1935 zur Ablagerung kam. Belege für diese Vermutung gibt es jedoch nicht», sagt Keller.
Was der Altlastenbefund für die Pächterinnen der betroffenen Familiengärten bedeutet, wird sich demnächst zeigen. Der Kanton will sie bald über die Auswirkungen des belasteten Bodens informieren.