Faber: «Zürich brennt nicht mehr, Zürich kauft jetzt ein»

Abgründige Texte und ein Schlagzeuger, der gleichzeitig Posaune spielt: Ein Gespräch mit dem zwanzigjährigen Zürcher Faber, der als eines der vielversprechendsten Talente des Landes an der BScene auftritt.

Abgründige Texte und ein Schlagzeuger, der gleichzeitig Posaune spielt: Ein Gespräch mit dem zwanzigjährigen Zürcher Faber, der als eines der vielversprechendsten Talente des Landes an der BScene auftritt.

Wohlgefühlt hat er sich auf der Bühne schon immer, bereits während der Schulzeit spielte Faber sich mit Bands wie Summit und Babyflipper nicht nur durch die Venues seiner Heimatstadt Zürich. Sie schwappten bereits darüber hinaus. Doch mit der Matura kam für Faber die grosse Zäsur, er trennte sich nicht nur von der Freundin, sondern auch von dieser Form der Bandkarriere. Alles auf Anfang, 2013 wurde aus Julian Pollina Faber.

Ein erfolgreiches Crowdfundig ermöglichte ihm als Singer/Songwriter dabei die erste EP: «Alles Gute». Die deutsche Booking-Agentur, die auch für Kraftklub, K.I.Z., Casper oder AnnenMayKantereit Strippen zieht, wurde auf ihn aufmerksam, nahm ihn unter Vertrag. Von den ganzen Vorschusslorbeeren, die ihm bisher zuteil wurden, flechten sich andere einen Kranz und fahren von ihren Facebook-Likes in Urlaub. Bei Faber hingegen spürt man: Er möchte sich beweisen. Time is now.

Klären Sie doch zuallererst bitte die Selbstbezeichnung Faber auf – für einen Künstlernamen wirkt das ja eher unspektakulär.

Faber hat sich für mich aus mehreren Verweisen ergeben. Ein grossartiger Singer-Songwriter aus Italien heisst Fabrizio de Andre, und wenn man Fabrizio abkürzt, wird das zu Faber. Aber es steckt natürlich auch «Homo Faber» drin. Die literarische Figur, deren Autor, Max Frisch, ja wiederum auch Schweizer war. Deshalb hatte ich auch eine Zeit probiert, als «Homo» durchzustarten … aber das hat aus naheliegenden Gründen einfach nicht so richtig funktioniert, da dachte ich: «Scheiss drauf, nehme ich doch lieber Faber.» 

Ihr Vater ist der bekannte Musiker Pippo Pollina – spielte das auch eine Rolle, dass Sie einen ganz anderen Namen wählten?

Auf jeden Fall. In der Schweiz gibts ja nicht so viele Leute (schmunzelt) – und wenn dann mal so eine Konstellation «Vater Musiker, Sohn auch» auftaucht,  wollen die Medien nur noch über diesen Aspekt berichten und am Ende bleibt auf der Strecke, was ich eigentlich mache. Ich sehe mich aber nicht als Teil eines musikalischen Familienunternehmens. Wir verstehen uns gut in meiner Familie, aber es bringt mir nichts, für Berichte herzuhalten, die angeblich von meiner Musik handeln sollen, wo es in Wahrheit aber nur darum geht, ein paar Fotos von zwei Bühnen-Generationen abzudrucken. 

Noch keine Ahnung wohin an der BScene? Wir haben Tipps, aber ihr müsst selber entscheiden: Sag mir wie du tanzt, und ich sage dir, wo du hin musst

Ihre Texte beinhalten mitunter Slogans wie «Nur die wirklich blöden Fische schwimmen gegen den Strom». Im Kontrast zu diensteifrigen Musikern, die ihr Publikum mit Konsens und lahmer Lebenshilfe zuschütten, bemerkt man bei Ihnen eine irritierende Lust am Rollenspiel.

Es ist mir wichtig, mit meinen Texten nicht einfach klare Gefühle abzurufen. Mir macht es Spass, Sachen andersrum zu drehen. Klar, ist es schön zu sagen: «Wenn Du gefallen bist, helfe ich dir auf die Beine.» Aber meistens ist es doch so, dass jemand, der am Boden ist, erstmal am Boden bleibt. Und weil das so ist, muss man es eben auch aushalten, dass genau das auch gesagt wird – wie zum Beispiel in dem Song «Wenn du am Boden bist, weisst Du, wo Du hingehörst». Ich habe keine Ahnung, ob das meine Texte wahrhaftiger macht, aber dieses «Wenn Du gestürzt bist, nimm einfach wieder Anlauf und probier es erneut» ist für mich selbst einfach nicht interessant. Warum sollte ich es also singen? Allerdings mag es bei mir dann wiederum in die andere Richtung gelogen sein. Denn ganz so schlimm, wie es manchmal auf meinen Stücken klingt, ist es dann auch nicht.

Ein gutes Beispiel für diese Art zu texten ist sicher der Song «Bleib dir nicht treu» – die ultimative Antithese zu gefälligem Horoskop-Schlager. 

Es gab mal eine schöne Werbung von einer Versicherung, dort sieht man einen kleinen Jungen mit einem Vokuhila-Haarschnitt, der in den 80ern noch bewundert wird. Aber dann kippt es und wird lächerlich, wenn man sieht, wie er diese Frisur bis ins hohe Alter nicht mehr ablegt. Man sollte solche Floskeln wie «Bleib dir immer treu» eben einfach hinterfragen können. 

 

Sie kommen selbst aus Zürich, Ihr Song «Züri» lässt die Stadt nicht wirklich gut aussehen. «Zürich brennt nicht mehr, Zürich kauft jetzt ein» heisst es darin. Wie sehen Sie die aktuelle Szene vor Ort?

Es gibt schon einige gute Künstler und Bands, aber ich halte Zürich nicht für eine sonderlich kreative Stadt. Letztlich dreht sich hier alles ums Coolsein, und das verstellt viele Freiräume. Einfach mal etwas auszuprobieren, ist nicht angesagt. Man möchte an den aktuellen Trends natürlich dran sein, aber ist nie wirklich vorne dabei, weil stets abgewartet wird, was andere vorlegen. Ausserdem gilt es nicht als cool hier, jemanden aus Zürich cool zu finden. So kommt wenig Eigenes zustande, denn die Ausgeh-Leute trifft man eher auf dem Konzert einer unbekannten Band aus Brighton als von einer unbekannten, die um die Ecke probt.  

Fühlen Sie sich in Ihrer Heimatstadt als eine Art einsamer Wolf?

Nein, ich besitze ein gutes Umfeld, rund um das neue Label «Lauter Musik». Viele von den beteiligten Leuten kenne ich schon seit der Schulzeit. The Pixel sind zum Beispiel eine verdammt starke Band, meine Schwester hat ein Akustik-Duo mit Namen Steiner und Madlaina, und ich selbst spiele auch noch in einer Surfrockband, Max & The MC Forelles. Da machen wir so Tarantino-Musik.

Sie reisten letztes Jahr als Opener auf der Tour von Sophie Hunger mit. Wenn Sie zurückdenken, was kommt Ihnen als Allererstes in den Sinn?

Da weder mein Mitmusiker noch ich Autofahren können, ist die erste Erinnerung auf jeden Fall, wie wir die ganze Zeit im Zug diese Tour gefahren sind. Die Bassdrum auf den Rollwagen gestellt und dann ab per Interrail durch Deutschland. 

Durften Sie nicht auf Sophie Hungers Notsitz?

Nein, da war alles voll! 

Mitunter ist der Zug ohnehin bequemer als ein vollgestellter Bus. 

Ganz genau – und es hat zudem den Vorteil, dass mit der Bahn immer beide saufen können. Ausserdem fährt der ICE auch mal 300 – in einem Tourbus, der das macht, möchte ich nicht drin sitzen.

Wenn Sie zu zweit sind, wie verteilen sich da die Instrumente auf der Bühne? 

Ich spiele Gitarre und singe, während Tillmann Ostendarp die Basstrommel mit den Füssen spielt und obenrum Posaune bläst.  

Was darf man erwarten, wenn man am Samstag ins Atlantis kommt?

Da werden wir sogar zu dritt sein – mit Bassist. Das Reizvolle ist bei uns vielleicht, dass wir zwar unter dem Label Singer/Songwriter angekündigt werden, aber wenn man uns dann live sieht, merkt man, dass es eigentlich viel brachialer ist. Akustik-Punk für Mädchen – so könnte man es sagen.
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Live: Samstag, 5. März, 00.15 Uhr, Atlantis Basel (im Rahmen von BScene) 

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