Fall Galtung: Haben Uni und Basler Regierung unzulässig Druck ausgeübt?

Nach der Suspendierung des renommierten Friedensforschers Johan Galtung wegen des Vorwurfs, antisemitische Aussagen gemacht zu haben, kommt die Basler World Peace Academy nicht zur Ruhe. Dietrich Fischer, Direktor des Instituts sagt, es habe «furchtbare, ungerechte Druckversuche» von Seiten gewisser Organisationen und der Uni Basel gegeben. Auf Ende Jahr räumt er seinen Posten.

Johan Galtung: Der Träger des Alternativen Friedensnobelpreises wurde in Basel auf Druck rausgeworfen. (Bild: Aschehoug Agency)

Nach der Suspendierung des renommierten Friedensforschers Johan Galtung wegen des Vorwurfs, antisemitische Aussagen gemacht zu haben, kommt die Basler World Peace Academy nicht zur Ruhe. Dietrich Fischer, Direktor des Instituts sagt, es habe «furchtbare, ungerechte Druckversuche» von Seiten gewisser Organisationen und der Uni Basel gegeben. Auf Ende Jahr räumt er seinen Posten.

Die Basler World Peace Academy (WPA) hat sich der hehren Aufgabe verschrieben, mit Studenten aus aller Welt Strategien zur Beilegung politischer Konflikte zu entwickeln. Doch was sich nun am kleinen Institut abspielt, könnte von den guten Absichten nicht weiter entfernt sein. Nach der Suspendierung des norwegischen Friedensforschers Johan Galtung, dem antisemitische Äusserungen zur Last gelegt werden, ist ein Konflikt eskaliert, der das Weiterbestehen der Academy gefährdet.

Studenten boykottieren die Diplomfeier, drei Gastdozenten weigern sich wiederzukommen – und nun räumt Dietrich Fischer, Akademischer Direktor der WPA, seinen Posten auf Ende Jahr, wie er auf Anfrage bestätigt. Der Schritt erfolge, um «die Akademie zu schützen», sagt Fischer. «Es hat furchtbaren, ungerechten Druck gewisser Organisationen gegeben, der nicht nachgelassen hat», so Fischer.

Umstrittene Äusserungen

Der Druck fing an, als Johan Galtung, der als Begründer der Friedensforschung gilt, im Frühling in Vorträgen und Zeitungsinterviews Aussagen gemacht hat, die je nach Standpunkt zwischen eindeutig antisemitisch bis unvorsichtig und verletzend verstanden wurden. Was Galtung wirklich gesagt hat und wie er es gemeint hat, ist umstritten. Er und seine Unterstützer behaupten, seine Aussagen seien verzerrt und aus dem Kontext gerissen dargestellt worden.

Im Kern ging es um Äusserungen wie jene, dass die wirtschaftlich einflussreiche Position der Juden in der Weimarer Republik antijüdische Ressentiments begünstigt habe. Galtungs Weggefährte Fischer sagt dazu: «Was soll daran antisemitisch sein? Bei den Armeniern in der Türkei oder den Chinesen in Indonesien war die Konstellation vergleichbar. Auch dort kam es zu Massakern an der wohlhabenden Minderheit. Galtung hat die Bedingungen erforscht, die zu Genozid geführt haben, damit sie in Zukunft vermieden werden können.»

«Galtung ist niemals ein Antisemit», sagt Fischer. Dasselbe versichern Elli von Planta, Vorstandsmitglied der WPA, und Soziologieprofessor Ueli Mäder, der als Bindeglied zur Uni Basel fungiert, die das Weiterbildungsprogramm der WPA in ihr Kreditpunkteprogramm aufgenommen hat.

Kritik aus jüdischen Kreisen

Anders sieht das der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG), einer der schärfsten Kritiker Galtungs. SIG-Vertreter Patrick Studer sagt: «Es gibt keine Zweifel, dass Galtungs umstrittene Thesen zum Holocaust und über Juden antisemitisch sind. Wir haben das umfassend abgeklärt, ich selber habe Vorträge von Galtung besucht, wo er seine Aussagen eins zu eins wiederholt hat.»

Der SIG habe die WPA in einem Brief gebeten, sich von Galtung zu trennen, er habe auch beim Rektorat der Uni um einen Gesprächstermin ersucht, um nachzufragen, wie die Uni gedenke, mit Galtung zu verfahren, sagt Studer. Andere jüdische Organisationen und Professoren der Uni Basel, wie der Theologe Ekkehard Stegemann schlossen sich dem SIG an. Der massive Druck erzeugte die gewünschte Wirkung.

«Eingriff in die akademische Freiheit»

Ihm sei von Seiten der Universitätsleitung wie auch einigen Mitgliedern der Basler Regierung unmissverständlich klar gemacht worden, die WPA müsse Galtung fallen lassen, sagt WPA-Direktor Fischer: «Es war ein Eingriff in die akademische Freiheit.» Sollten Fischers Aussagen zutreffen, liegt ein Schluss sehr nahe: Die Uni Basel und politische Kreise haben auf unzulässige Weise versucht, Einfluss zu nehmen.

Die WPA reagierte prompt und suspendierte Galtung Anfang August. Die Akkreditierung bei der Uni und damit das Fortbestehen der Academy habe auf dem Spiel gestanden, argumentierte die WPA. Ob das wirklich der Fall war, ist fragürdig. Antonio Loprieno, Rektor der Universität Basel, sagt: «Es mag durchaus sein, dass der Entscheidung der World Peace Academy die Beratung von Kolleginnen und Kollegen der Universität Basel Pate stand: viele sozialwissenschaftlich interessierte Forschende der Universität Basel äusserten sich in den letzten Monaten sehr kritisch zu Herrn Galtung und seinen Thesen. Ganz gewiss hat die Universität Basel der World Peace Academy jedoch nie mit Aufhebung der Akkreditierung gedroht.»

Druck auf Mäder

Auch Soziologe Mäder hält das für unwahrscheinlich. Und zum Druck von aussen sagt er: «Den gab es, aber das muss man aushalten. Auch mir wurde vom SIG und weiteren Kreisen nahegelegt, meine Teilnahme an einer Vortragsreihe, wo auch Galtung sprechen sollte, abzusagen und das öffentlich bekannt zu geben.»

Mäder glaubt vielmehr, die umstrittenen Äusserungen Galtungs hätten das Fass zum Überlaufen gebracht: «Es gab schon lange Kritik an Galtung. Seine Auftritte der letzten Jahre waren teilweise irritierend. Sie stellten ihn selber ins Zentrum. Wir laden ihn deshalb seit zwei Jahren nicht mehr ein, sind ihm aber für seine grossen Verdienste sehr dankbar.» Ähnliche Kritik äussert Loprieno: «Herr Galtung hat das produktive wissenschaftliche Alter schon überschritten, seine pädagogischen Methoden werden als überholt angesehen.»

Galtung will nun gemeinsam mit abtrünnigen WPA-Dozenten und Studenten eine neue Friedensakademie ins Leben rufen. Ein Versuch, auf anderem Weg die Wogen zu glätten ist gescheitert. Mäder wollte ein grosses Podium organisieren mit Theologe Stegemann und Galtung, um die Vorwürfe und umstrittenen Thesen zu diskutieren. Stegemann lehnt eine Teilnahme an einer solchen Veranstaltung jedoch kategorisch ab. 

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