Viele schimpfen über die so genannten Kriminaltouristen. Aber kaum jemand macht sich Gedanken über den Umgang mit ihnen. Dabei sind die Hafbedingungen auch in der Region Basel mehr als nur problematisch.
Die so genannten Kriminalitätstouristen sind zum Dauerthema geworden, in der Politik, in den Medien. Speziell in der Region Basel, wo die Zahl der Einbrüche im vergangenen Jahr markant zugenommen hat. Entsprechend gross ist der Druck auf die Behörden. Und entsprechend gerne präsentieren sie Erfolgsmeldungen – wie zum Beispiel der Baselbieter Sicherheitsdirektor Isaac Reber, der kürzlich an einem Medienanlass mit stolz einen «Fang des Tages» (sechs Einbrecher auf einen Streich) verkündete.
Was Reber und die anderen Verantwortlichen lieber nicht sagen: dass sie selbst einen sehr lockeren Umgang mit dem Recht haben. Genauer gesagt: mit den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen, die auch in der Schweiz der «Sicherung eines menschenrechtskonformen Vollzugs» dienen soll, wie es im Vorwort heisst. Es sind Richtlinien, die laut Bundesamt für Justiz auch für die U-Haft gelten sollten.
In der Praxis ist die Schweiz davon weit entfernt. Aktuelles Beispiel: Das Bezirksgefängnis Laufen, das am 5. Juli wieder in Betrieb genommen wurde, weil es in den stark belegten Gefängnissen in Arlesheim und Liestal keine freien Zellen mehr hat, wie es in einer Erklärung der Sicherheitsdirektion heisst.
Dabei war das Laufner Gefängnis 2001 geschlossen worden, weil es damals schon als veraltet galt. Und das mit gutem Grund.
Was alles fehlt
In dem Gefängnis gibt es keine Aufenthaltsräume, die Fenster in den Zellen sind sehr klein, aber umso wichtiger für die Gefangenen – zumindest für jene, die sie aufmachen dürfen. Für die anderen, die nach Ansicht der Gefängnisleitung (und der Anwohner) zu laut sind oder verdächtigt werden, geheime Botschaften nach Aussen schmuggeln zu wollen, garantiert nachts nur die Essklappe ein Mindestmass an halbwegs frischer Luft. Tagsüber sollen die Zellentüren häufig offen sein. Wobei sich der Gang aus der Zelle allerdings nur bedingt lohnt. Ein Aufenthaltsraum ist in Laufen nicht vorhanden und der vergitterte Spazierhof nur sehr klein (20 Quadratmeter). Deutlich mehr Bewegungsfreiheit würde der Garten zur Stadtmauer hin bieten; der Denkmalschutz verbietet dort aber auch nur schon die Montage eines Drahtes im oberen Bereich.
In der Schweiz spielen solche Überlegungen offenbar eine wichtigere Rolle als die Grundsätze für den Strafvollzug, die auf den Menschenrechten basieren. Darin wird unter anderem gefordert:
- dass es in den Gefängnissen «Angebote zur Förderung der körperlichen Leistungsfähigkeit und eine angemessene Auswahl an Bewegungs- und Erholungsmöglichkeiten» gibt (Punkt 27.3).
- dass «Sport, Spiele und kulturelle Aktivitäten» möglich sein müssen (27.6)
- dass die Häftlinge die Gelegenheit erhalten, eine «sinnvolle Arbeit» zu verrichten (26.2)
- dass in allen Räumen Frischluft einströmen kann, sofern keine Klimaanlage vorhanden ist (18.2)
Alles Punkte, die in Laufen höchstens sehr bedingt befolgt werden, was der Baselbieter Sicherheitsdirektion und der Baselbieter Regierung bewusst ist. Dennoch haben sie nur 300 000 Franken für den Umbau eingesetzt, damit der alte Knast wenigstens sicherheitstechnisch den Anforderungen entspricht. Weitere Investitionen würden sich nicht lohnen, da das Laufner Gefängnis nach der Eröffnung des neuen Strafjustizzentrums in Muttenz voraussichtlich schon wieder geschlossen werden könne.
Auch Arlesheim sollte endgültig geschlossen werden – sollte
Im Zusammenhang mit dem Neubau in Muttenz hat die Regierung allerdings auch schon eine baldige Schliessung des Gefängnisses in Arlesheim angekündigt. Davon ist heute keine Rede mehr, weil es auch im Nachbarkanton Basel-Stadt viel zu wenig freie Gefängnispllätze gibt. Ein Problem, das aller Voraussicht nach frühestens 2018 mit dem geplanten Bau des Bässlergutes II gelöst wird – wenn überhaupt.
Dabei stellte auch die Regierung dem Arlesheimer Gefängnis ein schlechtes Zeugnis aus, unter anderem weil die Zellen dort zu klein und teilweise ohne Tageslicht sind, Aufenthaltsräume fehlen und die Arbeits- und Besuchsräume zu eng sind, wie es in der regierungsrätlichen Vorlage für den Neubau des Strafjustizzentrums in Muttenz heisst.
Oder kurz gesagt: Weil das Gefängnis viel zu alt ist. 40 Jahre. Zum Vergleich: Das Laufner Gefängnis ist schon über 100 Jahre alt.
Mehr zum Gefängnis Laufen
Das Laufner Gefängnis bietet Platz für 11 Untersuchungsgefängnisse, in den Untersuchungs- und Vollzugsgefängnissen in Arlesheim und Liestal können bis zu 75 Häftlinge untergebracht werden (aber auch nur dank so genannten «Notbetten»). Im neuen Strafjustizzentrum in Muttenz stehen ab Sommer 2014 48 Haftplätze zur Verfügung.
Über die Presseorientierung zur Wiedereröffnung des Laufner Gefängnisses haben unter anderem die bz Basel (mit einem lesenswerten Beitrag unter anderem über den engen Spazierhof), SRF (mit den O-Tönen zum Beispiel von Sicherheitsdirektor Isaac Reber) und die Limmattaler Zeitung (mit einer sehenswerten Bildstrecke) berichtet.
Interessant ist, dass die Baselbieter Sicherheitsdirektion darauf hinweist, dass die Bedingungen in anderen, eher kleineren Gefängnissen im Lande nicht besser seien – eine Erkenntnis, die weder falsch noch neu ist, wie zum Beispiel ein Beobachter-Artikel von 2006 zeigt. Beim Bundesamt für Justiz spricht man aber immerhin von positiven Entwicklungen in der Schweiz – und prekären Bedingungen in einigen anderen Ländern. Russland zum Beispiel, das die Empfehlung des Europarates in Bezug auf die Strafvollzugsgrundsätze eigentlich auch unterzeichnet hat.