Sein Name hat nur karge drei Buchstaben, seine Kunst ist dafür umso üppiger. Der Berliner Fil zeichnet die prolligen Schweinchen «Didi & Stulle», brilliert als musikaffiner Comedian und hat mit «Pullern im Stehen» soeben das lustigste und peinlichste Buch der Dekade geschrieben. Am 12. Juni liest er im Basler Parterre.
Folgendes Szenario klingt wie aus einer Fantasy-Welt, bildet in Bezug auf Fil aber die Realität ab: Ein Unterhaltungskünstler steht auf der Bühne und zettelt epische Streite mit einer hysterischen Hai-Handpuppe an. Trotzdem möchte man den Saal nicht fluchtartig verlassen, ja, ist nicht mal erfüllt von Bestrafungsfantasien. Klingt schräg, liefert aber ein gutes Entrée, um sich in den Kosmos von Fil einzufinden. Wo andere Künstler ihre Klasse daraus ziehen, Peinlich- und Nervigkeiten tunlichst zu vermeiden, nutzt er genau jenes Arsenal, um dadurch eine ganz eigene Form von Unterhaltung zu erschaffen.
Aber von vorn: Fil wird 1966 geboren, wächst im Märkischen Viertel von Berlin auf, also im West-Sektor der damals geteilten Stadt. Früh interessiert er sich für Mädchen und Zeichnen, letzteres bringt ihn in jungen Jahren bereits zu dem renommierten Berliner Stadtmagazin Zitty. Dort wird er Hauszeichner und etabliert zwei reichlich groteske Schweinchen in der Comic-Welt: «Didi & Stulle» erscheinen – trotz ihres sehr berlinernden Witzes – in unzähligen Hochglanz-Bänden auch weit ausserhalb des Einflussbereichs der Zitty.
Spontaneität ist eine Waffe
Parallel tritt Fil als Musiker in Erscheinung, begleitet sich selbst mit der Gitarre. Auf der Bühne erweitert er bald seine Songdarbietungen um Stand-Up-Monologe, die derart spontan klingen und sich ähnlich seiner Comic-Geschichten ins Aberwitzige verästeln, dass man kaum glauben mag, hier liege wirklich ein Skript zugrunde. Spontaneität ist eine Waffe – und Fil zieht schneller als sein Schatten.
Diesem Hybrid des zeichnenden Musiker-Comedian fügte Fil nun noch eine weitere Facette hinzu. Vor wenigen Monaten kam sein erstes Buch heraus, «Pullern im Stehen» (Rowohlt). Auch darin bleibt er seiner Power treu und spinnt aus einfachen Anekdoten völlig überdrehte Storys, die zwischen Wahrhaftigkeit und Irrsinn flimmern. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine Art Autobiografie handelt, macht das Ganze nur noch unterhaltsamer. Welche der ausgebreiteten Peinlichkeiten ist echt, was eine Übertreibung? Der Leser weiss es nicht und rätselt gern mit, wenn Fil seine pubertär überspannte Libido ausbreitet. Keine Peinlichkeit bleibt ausgespart, aber Peinlichkeit stellt wie bereits beschrieben das Benzin dieser Kunst dar.
Auf seiner Lesereise zieht es Fil nun auch in die Schweiz, am Freitag den 12. Juni stellt er «Pullern im Stehen» im Parterre vor.
Als Warm-Up haben wir ihn vorab mit sechs Stellen aus seinem eigenen Buch konfrontiert und ihn um Kommentare dazu gebeten.
Reptilienmensch
Alle nahmen jetzt LSD. Nahm ichs halt auch. Auf LSD erkannte ich endlich, dass es gar keinen Gott gab und dass die Welt heimlich von einem Haufen Reptilienmenschen in altägyptischer Kluft regiert wurde.
Fil: «Diese Reptilienmenschen hab ich tatsächlich gesehn auf Acid und war dann Jahrzehnte später ganz überrascht, dass es eine richtige Bewegung zu denen gibt. Ich halte das für kompletten Schwachsinn, auf Acid hat mir auch mal Ally McBeal gesagt, dass sie mich liebt – und das stimmt doch auch nicht.»
Alkohol
Anscheinend wirkte Alkohol nicht, wenn man ganz schnell richtig viel trank – wichtige Erkenntnis, würde ich mir merken für später.
Fil: «Ich habe die unglückliche Konstitution, dass ich sehr viel trinken kann, ohne viel davon zu spüren – dann aber kommt der Rausch ganz plötzlich und haut mich um. Schon immer war das so, und meine spannende Aufgabe beim Trinken war immer, diesen Umkippmoment zu erahnen und wenn möglich zu umschiffen. Weil ich dann wirklich wie der klassische Besoffene Blackouts, Schlägereien und Liebe, Sex und Zärtlichkeiten mit den falschen Personen initiiere. Vor zwei Wochen hab ich ganz aufgehört zu trinken, kann also jetzt über diese Problematik nur noch lachen. Haha!»
Jesus
Aussenseiter, Krüppel, Lahme und Behinderte. Sie scharten sich um mich und berichteten mir von ihrem Leid. Ich war wie Jesus.
Fil: «Tja. Diese Stelle ist von feinster Ironie – natürlich bin ich selber der grösste Idiot.»
Ihr Samenerguss
Also schob ich meine Hand wieder rein und streichelte noch mal ihre Brüste. Dann den glatten Bauch. Den Saum von ihrem Schlüpfer entlang. Ich hielt die Luft an und fuhr vorsichtig mit meiner Hand den kleinen Hügel runter und zuckte zusammen: Da unten war alles ganz nass! ‹Mist›, dachte ich, ‹sie hat ihren Samenerguss schon gehabt.›
Fil: «Das ist auch genauso geschehn. Ich war mir sicher, sie ist schon gekommen, und das kannte ich ja von mir – dann hat man Bock auf was anderes als Sex.»
Egal
Ich zerschlug meine Gitarre, und noch während ich es tat, dachte ich: ‹Was für eine alberne Geste. Du bist nicht echt, Alter.›
Fil: «Diese Problematik hatte ich noch bis in meine frühen 20er hinein – dass ich mich beobachte und dabei dauernd denke, weil ich mich jetzt gerade beobachte, ist alles, was ich mache unecht, gespielt, vorgetäuscht. Ich wusste nicht, wer ich war. Weiss ich immer noch nicht, aber inzwischen ist es mir egal.»
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Parterre Basel, Freitag, 12. Juni, 21 Uhr.