Nach 50 sinken die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ältere seien langsamer und unflexibel, heisst es allenthalben. Doch schon bald wird die Wirtschaft auf ältere Arbeitnehmer angewiesen sein. Ein Coach berichtet aus seiner Praxis.
«Irgendwann ist man älter als der Chef», sagt Daniel Neugart: «Dann wird es meistens eng.» Der 51-jährige weiss, wovon er spricht. Er wurde selbst vor zwei Jahren arbeitslos, hat aus der Not eine Tugend gemacht und berät nun ältere Arbeitslose darin, wie sie wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuss fassen können. Als Coach berät er Firmen bei Sanierungsmassnahmen oder Restrukturierungen. «Auf die 50Plus-Arbeitnehmer können wir immer weniger verzichten», sagt er. Und spricht dabei ein dringendes Thema an: Selbst wenn die Einwanderung weiter steigen sollte, wird die Gesellschaft in den den nächsten Jahrzehnten schnell altern.
«Dieses Problem wird vielorts noch nicht gesehen», sagt Neugart. Als Präsident des Verbandes «Save 50Plus Schweiz» wirbt er für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer. Und um die steht es nicht gut. «Ab 50 fällt man weg aus dem Arbeitsmarkt», das sei die Realität. Wer in diesem Alter arbeitslos wird, bekommt nur noch schwer eine Stelle. Für Arbeitgeber ist er oft vor allem eins: teuer. Mit dem Alter steigen die Beiträge zur Pensionskasse, mit zunehmender Betriebszugehörigkeit auch das Gehalt. «Ruhepöstchen» für Ältere können sich viele Unternehmen nicht mehr leisten, Qualifikationsmassnahmen meist auch nicht.
Weiterbildungen bringen jedoch ab einem gewissen Alter nur noch wenig, so die gängige Meinung. Zu Unrecht. Forscher verschiedener Fachrichtungen, die sich in den letzten Jahren zunehmend mit dem Lernverhalten älterer Menschen beschäftigt haben, sind sich weitgehend einig: Alte lernen nicht schlechter als Jüngere. Sie können auf bestehendes Wissen zurückgreifen und Neues oft besser einsetzen, Sachverhalte besser einschätzen und Schlüsse daraus ziehen.
Motivation ist der Motor
«Dafür bin ich selbst das beste Beispiel», sagt Neugart. Der gelernte Maler wechselte später in den Verkauf, bildete sich mit Mitte 40 in Lehrgängen an der Swiss Marketing Academy zum Verkaufsleiter fort. In einem Kurs, in dem auch viele Jüngere sassen. «Es hilft schon sehr, wenn man weiss, was man verkauft. Und wem», findet er. Auch das «wie» spielt eine Rolle.
Mit zunehmendem Alter wächst in der Regel der Wortschatz, die Sprachgewandtheit und die Kommunikationserfahrung. In Positionen, in denen man viel reden muss, ist das besonders nützlich. Der grosse Erfahrungsschatz älterer Mitarbeiter werde oft nicht sinnvoll eingesetzt, berichtet Neugart aus der Praxis. «Gerade im Projekt- und Prozessmanagement kann man Leute hervorragend schulen und ihre Erfahrung nutzbar machen.»
Zu Daniel Neugart kommen meist Menschen, die mit 50+ ihren Arbeitsplatz verloren haben oder kurz davor stehen. Oft aus guten Positionen: Geschäftsführer, Banker, Führungspersonal aus Marketing und Verkauf. Viele sind ratlos, weil sie damit nie gerechnet haben. Der Coach versucht dann, sie mit der neuen Lebenssituation vertraut zu machen und Handlungsalternativen auszuarbeiten.
Manchmal klappt das, manchmal auch nicht. «Man muss sich sehr mit der individuellen Situation auseinandersetzen», betont er. Oft funktioniere das gut, etwa, wenn jemand den Nebenerwerb oder das Hobby zum Beruf machen könne. Sich nach 20 Berufsjahren neu zu erfinden, schafft aber nicht jeder. «In diesem Alter sind die Fähigkeiten sehr unterschiedlich», berichtet Neugart aus seiner Erfahrung, die von mehreren Studien bestätigt wird.
Daniel Neugart hat die Prüfung als Verkaufsleiter nicht abgelegt – aus Angst, mit dem Diplom als «überqualifiziert» zu gelten.
Während der eine im Alter noch promovieren geht, scheitert ein anderer an einem neuen Computerprogramm. Das hängt von den individuellen Fähigkeiten ab, und davon wie gut sich jemand «gehalten» hat. Aber nicht nur. «Die Motivation ist der Motor», sagt Neugart entschieden, und fügt ein wenig grimmig hinzu: «Auf beiden Seiten.» Fühle sich jemand erst mal stigmatisiert, gehe meist nichts mehr. Arbeitnehmern rät er, sich mit spätestens Mitte 40 ihre Situation bewusst zu machen, auch wenn keine Kündigung in Aussicht steht. Er ermutigt sie Nebentätigkeiten aufzubauen oder sich Kompetenzen ausserhalb des Berufs zu vergegenwärtigen.
Auf der anderen Seite, der der Arbeitgeber, tut sich bislang noch wenig. Manches sei fast paradox, findet Daniel Neugart. «Überqualifiziert», das hört er oft, ist ebenfall ein Hindernis für ältere Arbeitssuchende. Das hat auch für ihn selbst Konsequenzen. Die Ausbildung zum Verkaufsleiter hat er zwar abgeschlossen, die Diplomprüfung machte er bisher nicht. Nicht, weil er es nicht geschafft hätte, sondern weil er Angst hat, zu der Liste der Qualifikationen, die er hat, noch eine weitere hinzuzufügen.
Neugart zuckt die Schultern. «An manchen Dingen kann man so schnell nichts ändern.» Er will Vorbehalte abbauen und ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Arbeitnehmer mit 50 noch 15 Jahre arbeiten können und wollen. Und eventuell bald auch müssen. «In den nächsten zehn Jahren wird es eine massive Umkehr der Situation geben», sagt Neugart. Die Zahlen geben ihm recht: Das Bundesamt für Statistik geht in einer Modellrechnung von 2010 davon aus, dass die Anzahl Erwerbstätiger ab 2021 sinken wird.