Fitness-Tracker für Fifi: Ein dicker Hund

Ja, der Fitness- und Überwachungswahn ist auf den Hund gekommen. Das Geschäft mit den Geräten boomt. Kein gutes Zeichen für die Welt, die sich Herrchen und Frauchen da erschaffen.

Der Fitness-Tracker für Hunde und Katzen von Newgen Medicals (mit Bluetooth etc.) im Einsatz.

(Bild: PEARL GmbH)

Ja, der Fitness- und Überwachungswahn ist auf den Hund gekommen. Das Geschäft mit den Geräten boomt. Kein gutes Zeichen für die Welt, die sich Herrchen und Frauchen da erschaffen.

Die Letzten fressen bekanntlich die Hunde.

Damit dieses Schicksal in unserer Dog-eat-Dog-Gesellschaft zumindest ihrem vierbeinigen Liebling erspart bleibt, gibt es nun auch Fitness-Tracker für Tiere. Jedenfalls steht im PR-Mail der Elektro-Firma Pearl.ch Folgendes über den «Fitness-Tracker und Schrittzähler für Hunde und Katzen»:

«Überwacht Aktivität und Gesundheit: Der clevere Tracker zählt Schritte, misst Ruhezeiten und errechnet den Kalorienverbrauch Ihres Haustieres.

Gratis-App und Bluetooth 4.0: Synchronisieren Sie den Tracker mit Ihrem Android-Smartphone, iPhone oder Tablet-PC. Die Daten werten Sie per kostenloser App an Ihrem Mobilgerät aus.

Gesundheits-Erinnerungsfunktion: Die App erinnert Sie auf Wunsch automatisch an Impfungen und Wurmkuren. Dokumentieren Sie in der App auch weitere Gesundheits-Daten Ihres Tieres. So haben Sie den Überblick, wann der nächste Tierarztbesuch ansteht.»

Wau, so klingt der Eindruck, den solche Beschreibungen zwischen den Ohren vieler Herrchen erzeugen. Jedenfalls sind entsprechende Geräte mit klingenden Markennamen wie Whistle, Tagg oder Tractive längst internationale Verkaufsschlager.

Vermessung führt zum Verlust des Kompasses

Aber aufgepasst: Die Ersten können bekanntlich auch die Letzten sein.

Dieses Schicksal droht im allgemeinen Gadget-Wahn durchaus: Dass der erfolgreiche Übergang der digitalen Vermessung vom Menschen zu seinem Haustier – ein Katzensprung – bereits vollzogen wird, ist jedenfalls definitiv kein Grund, in kollektives Schwanzwedeln zu verfallen.

Das wusste schon der alte Medien-Guru Marshall McLuhan. Der durfte zwar digital vernetzte Fitness-Geräte nicht mehr persönlich erleben, hat aber schon 1964 festgehalten:

«Jede solche Erweiterung des Menschen hat eine … Lähmung des Individuums und der Gesellschaft zur Folge.» (Understanding Media: The Extensions of Man 1964, S. 3)

Der Inhalt der Erweiterungen (Medien) des Menschen ist laut McLuhan völlig zweitrangig – was zählt, ist einzig deren Funktion als Erweiterungen («The Medium is the Message»).

Wie bitte?

Bezogen auf die Fitness- und Diät-Gadgets heisst das: Schon bei der digitalen Selbst-Vermessung droht der Menschheit der Verlust von wesentlichen Teilen der eigenen Wahrnehmung. Ein einfaches Beispiel: Wenn man sich nur noch auf seine Fitness-Uhr verlässt, um zu erfahren, ob man bereits genügend Kalorien verbraucht hat, um wieder ein Bier trinken zu dürfen, verliert man irgendwann das echte Körpergefühl für das richtige Bier-Timing.

Wer Informationen externalisiert, lähmt sein Empfinden. Gesunde Menschen brauchen kein Messgerät, um festzustellen, dass ein Teller Spaghetti eine gute Idee wäre – sie haben dann einfach Hunger. Dasselbe gilt für Hobby-Sportler – man kann auf seine Herzfrequenz am Handgelenk starren. Man kann aber auch merken, wenn die Pumpe zu sehr pumpt. Und: Menschen merken in der Regel auch ohne digitale Hilfe, wenn ein Gang zur Wurmkur angesagt ist.

Womit wir wieder bei den Geräten für den Hund wären – die nächste Stufe der Externalisierung.

Genau hier liegt der Hund begraben

Dass Herrchen und Frauchen vor lauter Self-Monitoring ihre Selbstwahrnehmung verlieren, das bleibt kaum ohne Folgen: Die Fremdwahrnehmung geht genauso vor die Hunde.

Da hilft in letzter Konsequenz auch kein Fitness-Tracker für den Liebling. Wer ohne Halsband nicht merkt, dass sein Mops zu mollig wird – wer nicht merkt, dass seinem Windhund nach hundert Metern Gassi-Gehen die Luft ausgeht – wer ohne GPS nicht weiss, wo sein Hund sich wieder rumtreibt, und wer ohne elektronische Hilfe am Hundehalsband Tierarzttermine vergisst: Sollte man solchen Menschen wirklich Tiere anvertrauen?

Bevor Sie jetzt die Zähne fletschen: Das sagte Marshall McLuhan zur vorliegenden Situation im berühmten Playboy-Interview (1969):

«Die … Metamorphose des Menschen, die durch die elektronischen Medien vonstatten geht, verwandelt uns alle in verzweifelt herumrennende nervöse Hühner, auf der Suche nach unseren früheren Identitäten. … Nervenzusammenbrüche – einschliesslich des kollektiven Nervenzusammenbruchs ganzer Gesellschaften, die unfähig sein werden, ihre Identitätskrisen zu lösen – werden häufig anzutreffen sein.»

Eine Warnung, die man durchaus ernst nehmen sollte. Es könnte sonst dereinst folgende Situation eintreten – und das wäre ja unangenehm: Es ist früh morgens, Sie haben tiefe Ringe unter den Augen, Ihr Gesicht fühlt sich noch etwas verdrückt an.

Dank elektronischer Botschaft erinnert man Sie glücklicherweise daran, dass nun Zähneputzen auf dem Programm steht. Sie stehen vor dem Lavabo, greifen nach der Zahnpasta – doch Sie können die Tube nicht öffnen. Verwirrt heben Sie den Kopf und schauen in den Spiegel. Dort sehen Sie einen Mops mit elektronischem Gadget am Halsband und einer Tube Zahnpasta zwischen den Pfoten.

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«Auch das noch»: Die TagesWoche-Rubrik fürs Schöne, Schräge und Fiese. Immer mit einem 😉 zu verstehen.

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