Mit der Schenkung von 33, zum Teil kapitalen Werken aus der Collection Renard, erhält die Fondation Beyeler einen markanten Zuwachs. Bis am 5. Mai ist die Schenkung in einer kleinen Sonderausstellung als Gesamtes zu sehen.
Die linke Seitenwand im Untergeschoss der Fondation Beyeler gehört ganz den Werken von Jean Dubuffet. Ganz klar dominiert wird die Gruppe von sechs Werken von der riesigen Vinylmalerei «Site avec trois personnages» (1974), ein Bild, das zuvor schon Teil der Sammlung Beyeler war und welche die eigentlich wunderbaren Neuzugänge aus der Collection Renard fast ein bisschen mickrig erscheinen lässt. Als ginge es den Verantwortlichen der Fondation Beyeler darum zu zeigen: Seht her, mit dem Grundstock unserer Sammlung nimmt man es nicht so leicht auf!
Wer nun aber die Widmung auf dem Bild unten rechts liest, wird gewahr, dass diese Aussage nicht wirklich zutrifft: «à Claude et Micheline Renard», heisst es dort. Museumsstifter Ernst Beyeler hatte das Werk dem ihm und seinem Museum sehr verbundenen Sammlerehepaar abgekauft, um es in seine Sammlung zu integrieren, die nun aus eben vom selben Ehepaar einen kapitalen Zuwachs erhält.
«Ein Freudentag für unser Museum»
33 Werke enthält die Schenkung, die die Fondation Beyeler entgegennehmen konnte. «Es ist ein Freudentag für unser Museum», sagte der Fondation-Direktor Sam Keller vor den Medien. Es ist das erste Mal, dass das mittlerweile 15 Jahre alte Museum eine ganze Sammlung in seine eigene Sammlung integriert. Und es handelt sich tatsächlich in mehrerer Hinsicht um einen Glücksfall: Denn erstens sind es Werke, die zum Teil gut in die bestehende Sammlung passen oder gewisse Sammlungsschwerpunkte auf gewinnende Weise zu ergänzen vermögen. Zweitens durfte Ernst Beyeler noch persönlich ein Wort bei der Auswahl der Werke mitreden, und drittens ist die Schenkung an keinerlei Bedingungen geknüpft. Trotzdem wird die Collection Renard, die nun vorübergehend als Ganzes gezeigt wird, diesen Namen behalten.
Eine heterogene Sammlung
Für sich gesehen besteht die Schenkung aus einer recht heterogenen Sammlung, die, mit Ausnahme einer Gruppe von Büsten und Skulpturen sowie einem Bild von Jean Fautrier, eigentlich als einzige wirkliche Gemeinsamkeit hat, dass es sich um Kunst der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts handelt. Ansonsten weisen die Werkgruppen von Jean Dubuffet, Sam Francis, Jean Tinguely, Antoni Tàpies, Victor Vasarely, John Baldessari, Sigmar Polke und das Einzelwerk von Jean-Michel Basquiat in ganz unterschiedliche Stilrichtungen. Es sind letztlich Objekte, die ein Sammlerehepaar zusammengetragen hat, das sich vom persönlichen Geschmack leiten liess, das aber gleichzeitig auch ein gutes und sicherlich fundiertes Gespür für ein künstlerisches Schaffen hatte, das weit mehr als nur eine vorübergehende Modeerscheinung war.
In Gruppen aufgeteilt fügen sich viele der vermachten Werke gut in die Sammlung der Fondation Beyeler ein. Das gilt in erster Linie für diejenigen von Dubuffet, der zu den bevorzugten Künstlern des Sammlerpaars Beyeler gehörte. Mit dem Polyesterblock «Borne au logos» (1966) wird die Dubuffet-Gruppe der Fondation nun neu durch eine Plastik des Künstlers ergänzt. Ähnliches gilt für die drei spielerisch bunten Action Paintings aus den späteren Schaffensjahre von Sam Francis. Sie stossen nun auf ein etwas strenger komponiertes früheres Werk aus der bestehenden Sammlung («Round the World» von 1958/59).
Neue Künstlernamen
Ebenfalls bereits seinen Platz in der Sammlung der Fondation hatte das Werk des Spaniers Antoni Tàpies, das nun durch drei neue Bilder ergänzt wird. Die anderen Künstlernamen aber sind neu – für die Sammlung der Fondation, nicht aber für das Wirken des Museumsstifters. So waren Werke von Fautrier, Tinguely, Basquiat und Polke bereits früher in Galerie- oder Museumsaustellungen von Beyeler zu sehen.
Mit Basquiats Ölkreidezeichnung «Black Man» wir quasi ein neues Kapitel in der Sammlung aufgeschlagen, eines aber, das sich gut in die Gesamtsammlung einfügt, wie die Gegenüberstellung des Werks mit einer Nagelfigur aus der Demokratischen Republik Kongo zeigt. Und mit den neuen drei Bildern von Sigmar Polke kann die Fondation ihre Gruppe mit Werken aus der deutschen Gegenwartskunst (bislang: Gerhard Richter, Georg Baselitz, Anselm Kiefer und Neo Rauch) mit wichtigen Positionen erweitern.
Neuland mit Renault
Wirklich Neuland betritt die Sammlung der Fondation Beyeler mit John Baldessari und Victor Vasarely. Mit Baldessari gelangen nun neu Werke in die Sammlung, die sich der Medienkunst zuordnen lassen. Dennoch fallen die beiden grossformatigen, bemalten Fotografien rein von ihrem ästhetischen Ausdruck her gesehen weniger aus dem Sammlungsrahmen, als die beiden Op-Art-Kompositionen von Victor Vasarely. Diese scheinen als eine Art Reminiszenz an das Sammlerpaar Renard in die Schenkung eingeflossen zu sein.
Claude Renard (1928-2005) hatte als Kadermitglied der Firma Renault in den 1960er-Jahren die Abteilung «Recherches, art et industrie» initiiert und damit zugleich die erste grosse Firmensammlung für zeitgenössische Kunst in Frankreich in Gang gebracht. Daraus ging unter anderem das bekannte Rautenlogo für die Autos der Firma hervor – ein Werk eben von Victor Vasarely.
Zur Ausstellung bzw. zu den neuen Werken der Sammlung ist ein ausführlicher Katalog erschienen