Fronarbeit für Stellensuchende

Ein Restaurant lässt eine junge Mutter einen Abend lang «probearbeiten» – und will keinen Lohn zahlen. Solches erleben Stellensuchende immer häufiger, sagt die Gewerkschaft Unia. 

Kein Lohn für geleistete Arbeit: Eine dreiste Unsitte breitet sich aus. 

Sandra H. ist gekränkt. Die junge Mutter musste kürzlich eine unerfreuliche Erfahrung in der Gastronomie machen. Nach einem Vorstellungsgespräch wurde Sandra in ein Basler Restaurant zu einem Probearbeitstag eingeladen.

Damit einverstanden, legte Sie mit dem Betriebsleiter per E-Mail einen Termin fest. Ende November traf sie dann ein paar Minuten vor der verabredeten Zeit im Restaurant ein, wurde von einer Mitarbeiterin mit einer Uniform ausgestattet und erhielt direkt die erste Aufgabe: Tische decken für eine geschlossene Gesellschaft.

Über den Tisch gezogen

Es folgte eine Reihe weiterer Tätigkeiten: Sandra begrüsste die Gäste, bediente sie, servierte, räumte ab und putzte die Tische. Fünfeinhalb Stunden später verabschiedete sie sich dann nach Rücksprache mit dem Betriebsleiter in den Feierabend.

Da Sandra Taggelder der öffentlichen Arbeitslosenkasse bezieht, schickte sie dem Betriebsleiter später das Formular zum Zwischenverdienst, mit der Bitte, es ausgefüllt zu retournieren. «Ich ging davon aus, ich würde bezahlt», sagt Sandra. Der Betriebsleiter hatte ihr auch nichts Gegenteiliges vermittelt. Und «vom Schnuppern war nie die Rede», sagt sie.

Das sah der Betreiber jedoch anders. Ein Probearbeitstag würde immer unentgeltlich vereinbart, das sei branchenüblich. Ausserdem habe er nie ein Wort darüber verloren, dass das Restaurant Sandra für ihren Probearbeitstag entlohne.

Bei der Rechstberatung der Stadt Basel erhielt Sandra den Rat, per Einschreiben den ihr zustehenden Lohn einzufordern. Nach einigen Wochen meldete sich der Betriebsleiter daraufhin wieder: Er würde ihr vier Stunden bezahlen. Einen besseren finanziellen Ausgleich würde die Stellensuchende nicht bekommen.

«Es vergeht kaum ein Monat, in dem wir keinen solchen Fall haben», heisst es bei der Gewerkschaft Unia.

Sandra ist mit ihrer Erfahrung nicht allein. Probearbeit werde von Unternehmen in den letzten Jahren vermehrt ausgenutzt, sagt die Unia auf Anfrage. Die Gewerkschaft muss sich immer wieder mit der Frage beschäftigen: Wann muss Arbeit bezahlt werden und wann ist von Gefälligkeit auszugehen?

Meistens seien die Fälle eindeutig, da die finanzielle Vereinbarung für alle Beteiligten im Vornhinein klar sei und auch im Nachhinein nicht angezweifelt werde. Es gebe jedoch Grenzfälle – wie bei der Geschichte von Sandra H.

Am häufigsten wird die Frage nach Entlöhnung dann zum Problem, wenn die Beteiligten von unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen. Probearbeit zum Nulltarif kommt laut Thomas Leuzinger, Bereichsleiter Politik und Kommunikation bei der Unia, regelmässig vor: «Es vergeht kaum ein Monat, in dem wir keinen solchen Fall haben», sagt er. Besonders betroffen sei die Gastronomie, aber es komme auch in anderen Branchen vor.

Abmachungen treffen

Ein solches Vorgehen der Arbeitgeber ist für Leuenberger nicht akzeptabel. Deshalb gehe die Unia regelmässig gegen diese Praxis vor. Schwierig sei dies, wenn vor dem Probeeinsatz keine Abmachungen getroffen worden seien.

Es gibt aber durchaus Möglichkeiten. Zum Beispiel eine Individualklage oder Verbandsklage. Beides hat eine Kontrolle des Arbeitgebers zur Folge. Eine andere Möglichkeit wäre, eine Meldung an das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) wegen Schwarzarbeit. Dieses entscheidet dann, ob eine Kontrolle angeordnet wird.

Grundsätzlich empfielt die Unia, vor einem Probeeinsatz schriftlich festzuhalten, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird und wie die Entlohnung für die Probearbeit aussehen wird. «Sonst», so Leuzinger, «erhalten Sie für ihren Dienst vielleicht einen Nulltarif.»

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