Fühlen Frauen anders? Ein Stadtrundgang durch Basels Gefühlswelten

«Wutentbrannt und liebestoll»: So reizvoll wie der Titel präsentiert sich der neue Basler Frauenstadtrundgang durch die Grossbasler Altstadt, der geschlechtsspezifischen Gefühlsgeschichten nachspürt.

Einleitende Worte von Sophie Bürgi (links) beim Treffpunkt Spalentor.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

«Wutentbrannt und liebestoll»: So reizvoll wie der Titel präsentiert sich der neue Basler Frauenstadtrundgang durch die Grossbasler Altstadt, der geschlechtsspezifischen Gefühlsgeschichten nachspürt.

Ich entschuldige mich gleich zu Beginn bei den beiden Frauen, die mir Ausschnitte aus dem neuen Frauenstadtrundgang präsentieren werden. Meine Kollegin, die eigentlich hätte erscheinen sollen, sei krank, so müssten sie nun halt mit einem männlichen Gast Vorlieb nehmen. Sophie Bürgi lacht nur. «Kein Problem», sagt sie. «Ganz im Gegenteil, wir würden uns freuen, wenn allgemein mehr Männer an unseren Stadtrundgängen teilnehmen würden.»

Nicht, dass sich der Verein Frauenstadtrundgänge, den es bereits seit 1989 gibt, über einen Mangel an Interessentinnen beklagen müsste. Aber es sind eben vornehmlich Interessentinnen – offensichtlich fühlen sich Männer durch den Begriff Frauenstadtrundgang nicht richtig angesprochen. «Vielleicht wäre ‹Gender-Stadtrundgänge› der bessere Begriff», wirft Aline Vogt ein. Doch wirklich anziehend wirkt dieses Wort nicht. «Mit dem Feminismus hat sich die Gesellschaft abgefunden, mit Gender noch nicht», sagt Vogt.

«Wutentbrannt und liebestoll»

Zurück zum Thema des Treffens. Bürgi und Vogt zeigen Ausschnitte aus dem neuen Frauenstadtrundgang, der unter dem spektakulären Titel «Wutentbrannt und liebestoll» steht. Um «Gefühlsgeschichte(n) in Basel» geht es, wie der Untertitel besagt. Und das ausgesprochen fundiert: Sophie Bürgi studiert Geschlechterforschung und Deutsche Literaturwissenschaft, Aline Vogt Europäische Geschichte. Beide bringen sie ihr akademisches Wissen in die Rundgänge mit ein.



Private Vor-Führung für den Berichterstatter.

Private Vor-Führung für den Berichterstatter. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Aber das Thema «Gefühlsgeschichte(n)» hat so seine Tücken, was die Quellenlage angeht. Das Thema Emotionen in der Politik und in der Gesellschaft liegt zwar im Trend, wie Vogt sagt. Dieses aber in einem umfassenden geschichtlichen Überblick zu verpacken, bedingte doch viel Recherchearbeit. «Rund ein Jahr Vorbereitung sind nötig, bis ein Rundgang steht», sagt Bürgi.

Das beginnt mit der Themensuche, geht dann über in die wissenschaftliche Recherche und führt schliesslich raus aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft hinunter auf den Boden der allgemeinverständlichen und lustvollen Vermittlung. Mit Requisiten und zum Teil auch Kostümen. Und mit einem Sprechtraining, das von einer Schauspielerin erteilt wird.

In der Rolle des Minnesängers

Die Requisiten und Kostüme haben die beiden Frauen beim Demo-Rundgang nicht dabei. Aber die Früchte des Sprechtrainings und der ausgiebigen Recherche sind gut spürbar. Mit lauter und fester Stimme deklamiert Aline Vogt einen mittelhochdeutschen Minnesang; im kaum verständlichen Original und in der hochdeutschen Übersetzung:

Ihre Süsse, ihr Adel, ihr Herz, ihr Geist
die liebe edle Gesinnung    
ich wünsche in aller Seligkeit viel
ich will ihr Diener sein.

Schöne Worte, die dem Ritter und Minnesänger Walther von Klingen zugeschrieben sind – nach ihm wurde in Basel einst das Klingentalkloster benannt. Es sind schöngeistige Ergüsse, die nicht der Ehefrau gewidmet sind, sondern einer adligen Dame, die allzu oft unerreichbar blieb. Das Liebeskonzept, wie wir es heute kennen, sei eine Erfindung der Romantik, sagt Bürgi.



Aline Vogt (links) im Botanischen Garten in der Rolle des Minnesängers Walther von Klingen, dessen Name in Basel im Klingental hängengeblieben ist.

Aline Vogt (links) im Botanischen Garten in der Rolle des Minnesängers Walther von Klingen, dessen Name in Basel im Klingental hängengeblieben ist. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Standort für die Station «Liebe» ist der alte Botanische Garten beim Spalentor. Der Standort Garten diene in der Literatur und in der Kunst (und im wirklichen Leben wohl auch) oft als Sinnbild für die Liebe und Erotik zwischen Mann und Frau.

Von der Liebe über den Hass bis zum Fussball

Ich erfahre viel über die Liebe und die sich verändernde Rolle der Frau. Und würde wohl ebenso viel erfahren über die weiteren Stationen des Rundgangs, die mit «Hass», «Melancholie und Depression», «Wut» oder – schliesslich befinden wir uns in Basel – mit «Fussball» und «Fasnacht» (Humor und Spott) überschrieben sind. Doch nach der Liebe ist Schluss mit dem Probelauf für die TagesWoche.

An der Premiere von heute Samstag (14 Uhr – bei schönstem Wetter) wird es weitergehen auf den Petersplatz, zum Pharmazie-Historischen Museum Basel, in den Schmiedenhof bis zur Endstation Leonhard-Gymnasium.
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«Wutentbrannt und liebestoll». Frauenstadtrundgang zum Thema «Gefühlsgeschichte(n) in Basel». Premiere am Samstag, 8. April, 14 Uhr (Treffpunkt Spalentor). Weitere Termine vom Mai bis September 2017.

 

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