Für die Kinder nur das Beste

Neue Plätze und immer bessere Qualität in der Tagesbetreuung: Das Erziehungsdepartement ist stolz auf seine Arbeit – auch wenn diese manche Eltern anders beurteilen. In der frisch erweiterten «Kita Littlefoot» schaute sich die TagesWoche ein Beispiel aus der Praxis an.

Zwischen 7.00 und 8.00 Uhr gibt es Frühstück. Die meisten Kinder kommen erst danach in die Kita Littlefoot. (Bild: Tino Bruni)

Neue Plätze und immer bessere Qualität in der Tagesbetreuung: Das Erziehungsdepartement ist stolz auf seine Arbeit – auch wenn diese manche Eltern anders beurteilen. In der frisch erweiterten «Kita Littlefoot» schaute sich die TagesWoche ein Beispiel aus der Praxis an.

«Zuerst muss ich Sie bitten, die Schuhe auszuziehen», sagt Michaela Bayer in ihrem badischen Dialekt beim Empfang. Bayer leitet seit 2009 die zweisprachige Kita Littlefoot – eine Kinderstagesstätte, die eben erst, im Mai 2013, erweitert wurde. Zu den ursprünglich 62 Plätzen sind dadurch 40 neue Plätze für Kinder im Alter zwischen drei Monaten und sechs Jahren hinzugekommen.

Letzte Woche informierte das Erziehungsdepartement (ED) stolz, wie viele neue Plätze in der städtischen Tagesbetreuung geschafft wurden und wie sich die Qualität verbessert habe. Zugleich wetterten die Verantwortlichen regelrecht über angeblich übermässig anspruchsvolle Eltern, und darüber wie aggressiv diese zum Teil ihre Vorstellungen gegenüber dem ED kundtun würden. Die TagesWoche wollte darum wissen, womit sich private Trägerschaften herumschlagen müssen, und hat die Kita Littlefoot an der Voltastrasse besucht.

Lange Öffnungszeiten als «Verkaufsargument»

Es ist 6.50 Uhr. In der Kita sind bereits die ersten zwei Kinder abgegeben worden. Eigentlich macht die Kita erst um 7.00 Uhr ihre Türen auf. Die meisten Kinder kommen allerdings erst gegen 8.00 Uhr. Dass die Heimleiterin Michaela Bayer es mit der Ankunftszeit der ersten beiden Kinder nicht so genau nimmt, ist Ausdruck ihrer Kundenorientierung: «Die Eltern bezahlen viel Geld für die Tagesbetreuung», sagt sie immer wieder, «dafür sollen sie auch eine angemessene Dienstleistung erhalten.»

Bayer ist keine gelernte Pädagogin. Ursprünglich arbeitete sie in der IT-Branche und ist sich von daher kundenorientiertes Arbeiten gewohnt. Für ihr neues Metier ist das ein Vorteil. Auch im Markt für Kinderbetreuung muss sie bieten, was die Kunden verlangen, in diesem Fall die Eltern.

Als arbeitstätige Mutter kennt sie die Elternwünsche an eine Kita aus eigener Erfahrung. Für das Konzept ihrer Kita Littlefoot liess sich Bayer «von den besten Kitas» inspirieren, die sie als Mutter selbst erlebte. Auch verlängerte Öffnungszeiten bietet sie an: Am Donnerstag und am Freitag können die Eltern ihre Kinder um 21.00 Uhr abholen, wenn sie wollen. Nutzen würden dieses Angebot jedoch die wenigsten, ähnlich wie beim Kinderhaus St. Jakob. Aber es sei «ein gutes Verkaufsargument», sagt Bayer.

Es sei nicht einfach, sich zu etablieren, sagt sie. Leichter gehe es, wenn man sich bereits einen Namen gemacht habe – auch was die Raumsuche betreffe. Habe der Besitzer der Liegenschaft, in der sie 2009 die ersten Räume für ihre Kita mieten wollte, zunächst nur ein Lächeln für ihre Pläne übrig gehabt, sei es in diesem Jahr wesentlich leichter gewesen, zusätzliche Räume zu erhalten.

«Kinder wollen gefördert werden»

Die Räume haben grosse Fensterscheiben und sind entsprechend hell. Jede Trennwand im Innern hat zusätzliche Fenster, was die Räume grösser wirken lässt. In verschiedenen Regalen ist Spielzeug gelagert, das die Kinder frei nutzen können.

Die Kinder fühlen sich sichtbar wohl in der Kita Littlefoot. Tränen gibt es bei der Ankunft selten. Die meisten kommen an und beginnen schnell zu spielen. Und wenn um 9.00 Uhr zur ersten Morgenaktivität, zur «Circle Time», gerufen wird, springt ein Mädchen sogar schnurstracks aus den eben noch knuddelnden Armen ihres Papas.

Die «Circle Time» ist eine Art Unterricht im Sinne der oft zitierten «Frühförderung». Für die Kleinkindererzieherin Iris Müller von der Kita Littlefoot ist «Frühförderung» mehr als ein Modebegriff. «Kinder wollen gefördert werden», sagt sie. Die Übungen und Erfahrungen, die die Kinder hier machen, erinnern zwar schon an die eigene Spielgruppen- und Kindergartenzeit. Im Unterschied zu früher gehe man allerdings wesentlich gezielter und nach einem Konzept vor, sagt Müller.

Spielerischer Unterricht

Für die Kinder, die nicht in den Kindergarten oder zur Schule müssen, scheint die «Circle Time» ein erster Höhepunkt des Tages zu sein. Im Zimmer, in dem die «Circle Time» stattfindet, sitzen sechs Kinder vergnügt neben einer Praktikantin und einer Gruppenleiterin im Kreis. Die Gruppenleiterin heftet ausgeschnittene Tierfiguren an eine Magnetwand. Dazu werden Lieder gesungen und die Bewegungen der Tiere imitiert. Die Sprache ist Englisch.

Bei einem Lied geht es um Affen, die ein Krokodil hänseln, es würde sie nicht fangen können. Auch die Affen und der Baum werden an der Magnetwand illustriert. Im Lied aber schleicht sich das Krokodil «as quiet it can be» an und schnappt sich ein Affen nach dem anderen. Nach jedem Kroko-Zugriff werden die Kinder gefragt, wie viele Affen noch auf dem Baum seien. «Three», rufen diese begeistert.

Trotz dieser subtilen Sprach- und Mathematik-Lektion habe die «Circle Time» nichts mit Schulbankdrücken zu tun», sagt Bayer. Die Lektion sei dafür jeweils zu kurz und spielerisch. Sie seien auch nicht der einzige Bestandteil des Frühförderungs-Programmes. Genauso gehörten das freie Spielen mit Lego, Basteln und das Zusammensein mit anderen Kindern dazu.

Dennoch lernen die Kinder bei solchen vorschulischen Lektionen Dinge, die man eigentlich als frühen Schulstoff erwarten würde. Ob sich später frühgeförderte Kinder nicht langweilen werden? Müller glaubt nicht daran. «Die Kinder sind gut auf die Schule vorbereitet und sind es sich bereits gewohnt, still zuzuhören», sagt sie.

Jedes Ereignis wird dokumentiert

Nach der «Circle Time» gibt es Zwieback, Früchte und Wasser zum Znüni, gefolgt von einem Ausflug in den Garten, direkt hinter der Kita und in Nachbarschaft zum Kindergarten, den die etwas älteren Littlefoot-Kinder besuchen. Bei dieser Nähe erstaunt es nicht, dass man sich regelmässig gegenseitig über das Verhalten und Entwicklungen der Kinder auf dem Laufenden hält. «Diese Kommunikation ist sehr wichtig», sagt Bayer.

Wer in der Kita arbeitet, muss die Entwicklung jedes Kindes gut im Auge behalten und dokumentieren. Schliesslich wollen die Eltern genau Bescheid wissen, wie es um ihre Kinder steht. Im «Tagesjournal», das beim Eingang aufliegt, wird jede Mahlzeit erfasst, jedes Mittagsschläfchen, jeder Stuhlgang und sonstige Ereignisse. Dies dient der Qualitätskontrolle. In einem Ordner pro Kind sind weitere Dokumente abgelegt, worin Entwicklungsschritte festgehalten werden, etwa die ersten Gehversuche oder wenn ein Kind erstmals mit einer Schere etwas ausschneiden konnte.

Nicht allen Eltern fällt es leicht, ihre Kinder in der Kita Littlefoot abzugeben. Eine Mutter hatte es unglaublich eilig und setzte ihre Kinder mehr oder weniger wortlos ab. Ein Vater dagegen blieb etwas länger, um sich von seiner Tochter zu verabschieden. Es breche ihm jedes Mal das Herz, sagt er, als sich seine Tochter zur Gruppe gesellt.

Hohe Erwartungen der Eltern

«Das schlechte Gewissen ist bei allen Eltern da», glaubt Bayer. Vermutlich rührten ihre hohen Ansprüche auch daher, dass sie ihr «ein und alles in fremde Hände geben müssen». Wenn dann etwas nicht stimme, könne es schon zu aggressiven Verhalten kommen, sagt sie verständnisvoll. Manche Ansprüche seien jedoch schlicht unrealistisch: «Wir können leider keine eins zu eins Betreuung anbieten», sagt Bayer, «auch wenn es den Eltern so am liebsten wäre.» Wenn Personal wechsle, könne es heftige Reaktionen geben, weil damit die Kinder die gewohnte Bezugsperson verlieren. Bei einem kantonal geregelten Anteil von bis zu 50 Prozent unqualifiziertem Personal, womit hauptsächlich die Praktikantinnen gemeint, sind Wechsel aber unumgänglich.

Aggressiv angegangen worden sei sie auch schon, wenn es um die Rechnung ging, sagt Bayer. Gewisse Eltern würden feilschen oder gar nicht bezahlen wollen. Am meisten reklamierten ausgerechnet jene, die selber am wenigsten zur Finanzierung beitragen und von der Stadt unterstützt würden. Warum dies so sei, kann sich Bayer aber nicht erklären.

«Basel ist sehr sozial»

Eine Mutter, die keineswegs aggressiv zu sein scheint, bringt einen Kuchen. Bayer freut sich. In der eigenen Kita-Küche gibt es keinen Herd: Der Essensgeruch könnte die Nachbarn stören.

Andere Rahmenbedingungen gibt ihr die Stadt vor. Beim Einrichten der Kita hatte Bayer mit diversen Ämtern zu tun. Für den Feuerschutz musste in der hintersten Wand ein Notausgang  aus dem Beton geschnitten werden, damit der Fluchtweg den Vorschriften entspricht. Das Gesundheitsdepartement schreibt ihr exakt vor, bei welcher Temperatur Nahrungsmittel im Kühlschrank zu lagern und wie geöffnete Packungen mit Datum zu versehen sind. Und dann gibt es noch die Leistungsvereinbarung mit dem ED.

Kontrollen, ob alle Auflagen erfüllt werden, könne es jederzeit geben, sagt Bayer. Trotz des Aufwands, den ihr die Ämter bereiten, ist sie zufrieden mit den örtlichen Rahmenbedingungen. Auch in der IT-Branche habe es immer Auflagen gegeben, die erfüllt werden mussten. Von daher habe sie auch keine Probleme damit.

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