Basel kriegt eine neue Galerie: Das britische Projekt Vitrine zieht in den Glaskubus unter dem Viadukt am Vogesenplatz.
Galerien haben es nicht einfach. Hohe Mietpreise, Kosten für Messen und der launische Kunstmarkt machen es vielen Galeristen schwer, mit dem kommerziellen Galerienmodell (grosse White Cubes, keine Events ausser Vernissage und Finissage, Akquisition immer öfter über Händler statt Künstler) Erfolg zu haben, geschweige denn Geld damit zu verdienen. Das ist auch in Basel nicht anders, nach der Art schwindet das Interesse an den lokalen Galerien jeweils rapide, das Season Opening ist nur noch eine bescheidene Angelegenheit mit fehlendem Zusammenhalt unter den Beteiligten.
«Die Galerien müssen sich wirklich etwas überlegen», meinte die Basler Galeristin Karin Sutter 2012 und rief zu mehr kurzweiligen Veranstaltungen und Events auf. Drei Jahre später musste sie ihre Galerie schliessen. Ein trauriges Beispiel, das wenig Hoffnung für ein erfolgreiches Bestehen der Basler Szene aufkommen liess.
Der Name ist Programm
Bis jetzt. Denn nun sieht es so aus, als würde der Wind drehen. Nach der Eröffnung von «Neue und Alte Kunst Basel» an der Bäumleingasse geht nur wenig später auch am Vogesenplatz eine neue Galerie auf. Der kleine Glaskasten unter dem Viadukt gegenüber der Bar Brut bekommt ein neues Innenleben. Nach der Boutique für Massanzüge, die weniger als ein Jahr in der begehbaren Säule auf Kundschaft wartete, wird hier am 1. April die Galerie Vitrine eröffnet.
Bald ist sie da: Die britische Galerie Vitrine bekommt einen zweiten Ableger am Vogesenplatz. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Vitrine gibt es bereits in England, als 16 Meter langes Fenster am Bermondsey Square in der Nähe der London Bridge. «Es ist witzig: Vitrine in London hat ganz ähnlich begonnen wie Vitrine am Vogesenplatz.» Alys Williams lacht. Die Kuratorin hat vor sechs Jahren den Projektraum in der britischen Hauptstadt gegründet – in einem Umfeld wie nun in Basel: An einem Platz, der mitten in der Stadt lag, aber nicht so recht ins Bewusstsein der Bewohner rücken wollte. Wie der Bermondsey Square soll auch der Vogesenplatz als Zentrum eines aufgewerteten Quartiers belebt werden.
Wer Williams und ihre Basler Projektpartnerin Lea Whinyates Hess kennenlernt, merkt schnell: Wenn die beiden loslegen, kommt das mit der Belebung auf jeden Fall schon einmal gut. Gutgelaunt sitzen sie wenige Tage vor der Eröffnung an einem der Tischchen vor der Bar Brut, teilen sich mit dem Architekten Jens Müller eine Flasche Sekt und reden über neue Galerienmodelle. Sie sind wie Karin Sutter der Ansicht, dass man die Idee einer Galerie weiterdenken muss, um Erfolg zu haben.
«Grenzen ausloten und Neues ausprobieren»: Alys Williams und Lea Whinyates Hess kurz vor der Eröffnung. (Bild: Hansjörg Walter)
Die Glassäule auf dem Vogesenplatz sei das optimale Setting dafür, meint Whinyates Hess: «Hier können wir die Grenzen ausloten und Neues ausprobieren.» Nicht zuletzt weil hier ein Architekturbüro mit an Bord ist: Jens Müller von Pantera Pantera, der auch mit am Tisch sitzt. Er hat zusammen mit seinem Geschäftspartner Thomas Wüthrich den Innenraum der Säule entworfen – ein raffiniertes System aus mobilen Wänden, die den beiden Kuratorinnen grösstmögliche Gestaltungsfreiheit bieten.
«Die Vitrine soll nicht als blosses Schaufenster den Platz dekorieren, sondern aktiv in den Raum eingreifen und einladen.»
Auch Müller sieht Potenzial im Vogesenplatz: «Hier braucht es Leute, die etwas mit dem Platz anstellen, er muss aktiviert werden. Nicht nur mit Detailhandel, sondern durch Menschen, die vor Ort sichtbar produzieren.» Am Vogesenplatz passiere viel im Hintergrund – die Schokoladenmanufaktur Rehmann beispielsweise oder die hauseigene Brauerei «Gleis 1 Bier» des Stellwerks. Nun sei es an der Zeit, dass vermehrt sichtbare Aktionen zum Zug kommen.
Sichtbarkeit ist kein Problem, mit dem die Vitrine zu kämpfen haben wird. Die Ausstellungen werden dank der ausgeklügelten Architektur rund um die Uhr auf dem Platz sichtbar sein und wie eine grosse Installation funktionieren. Hinzu kommt eine Kollaboration mit der Bar Brut, die den Kuratorinnen während der geplanten Veranstaltungen wortwörtlich zur Seite stehen wird. «Die Vitrine soll nicht als abgeschlossener Raum oder blosses Schaufenster den Platz dekorieren, sondern aktiv in den Raum eingreifen und einladen», meint Williams. Genau darin liegt der Unterschied zum White Cube: Die Vitrine soll ein Raum sein, der über das blosse Ausstellen hinaus und in den umliegenden Raum hineindenkt.
Den Auftakt zu dieser raumübergreifenden Öffnung macht die Vernissage am 1. April – ein grosses Fest mit einer Gruppenausstellung und Performances von Nino Baumgartner und Garrett Nelson auf der Wendeltreppe und den Betonblöcken des Platzes. Die Ausstellung trägt den Titel «A journey from a sweeping gesture to a lasting effect» – eine Reise von einer schwungvollen Geste zu einem nachhaltigen Effekt. Er könnte nicht besser gewählt sein.
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Galerie Vitrine, Volta Zentrum, Vogesenplatz, Basel.
Eröffnung: Freitag, 1. April 2016, 18 bis 22 Uhr, Ausstellungsdauer: 2. April bis 3. Juni 2016.