Ihren Geburtstag hat sich Goma offensichtlich anders vorgestellt. Missmutig sitzt sie erst auf einem Ast, hangelt sich dann aber doch hinunter und schlurft zur Glasscheibe, um die Gäste mit den Kameras zu begrüssen, die sie nicht eingeladen hat.
Eingeladen hat stattdessen der Zoo Basel. Denn auch für ihn ist dieser Geburtstag ein Fest. Stolze 55 Jahre hat die Gorilladame mittlerweile auf dem Buckel. Für einen Menschenaffen wie den Gorilla ist das selbst im geschützten Lebensraum ein stattliches Alter.
Da sitzt sie nun also, die Jubilarin, und bohrt in der Nase, während Adrian Baumeyer, der Kurator des Zoologischen Gartens, den eingeladenen Medienvertretern ihr Curriculum Vitae verliest. Goma ist nicht irgendein Gorilla, sie ist der erste in einem europäischen Zoo geborene Menschenaffe dieser Gattung.
Gorillas in den 1950er-Jahren als Vorbilder für Kinder
Das wirklich Überraschende sind aber die Umstände, unter denen Goma aufgewachsen ist. Als Goma 1959 in Basel zur Welt kam, wurde sie der Mutter Achilla abgenommen. Achilla hiess bis kurz vor der Geburt noch Achilles, der Zoo hatte die Mutter für ein Männchen gehalten. Dass es mit einer fachgerechten Behandlung auch sonst nicht so weit her war, zeigen Videoaufnahmen und Bilder, die Gomas Lebensbericht an der Medienorientierung illustrieren.
Gorillas wurden damals zur Belustigung des Publikums zum Tanz im Affenkäfig gebeten. Ihre Betreuer lehrten die Tiere artig an einem Tisch zu sitzen und Suppe zu löffeln, sie sollten den Kindern vor dem Käfig als Vorbilder für Anstand und Benehmen dienen. Diese Sitten seien Gott sei dank längst Geschichte, sagt Baumeyer, die Gorillas blieben heute die meiste Zeit sich selbst überlassen.
Aufzucht zu Hause beim Zoodirektor
Auf der Slideshow erscheint jetzt das Bild eines in Windeln eingepacktes Gorillababys in einer Krippe. Das ist Goma in der Obhut des damaligen Zoodirektors Ernst Lang, der das Gorillababy unter seine Fittiche nahm und es bei sich zu Hause aufzog. Eine Sensation! «Über Gomas Geburt und ihre frühe Zeit bei den Menschen haben die Medien damals weltweit berichtet», beschreibt der Zoo Basel Gomas erste Jahre auf seiner Homepage.
Schwarzweissbilder zeigen Ernst Lang beim «Fangis»-Spielen mit der kleinen Goma im Garten. Dann Goma, die in einem Laufgitter herumtollt. Dem Fotografen Kurt Wyss nahm die gewitzte Goma, gerade einjährig geworden, die Arbeit ab und knipste sich gleich selbst.
Heute sitzt Goma noch immer missmutig an der Scheibe und kratzt sich am Bauch.
Ein bewegtes Leben – Gomas Lebenslauf im Video:
Als sie mit anderthalb Jahren zurück in den Kreis ihrer angestammten Familie kommt, bleibt sie eine soziale Aussenseiterin. Noch heute gilt Goma als distanziert, auch wenn sie sich in den letzten Jahren immer mehr in den Gruppenverbund integriert hat. Dafür ist sie wenig scheu gegenüber Menschen. «Die anderen Gorillas würden nicht neugierig wie sie an der Scheibe sitzen», sagt Baumeyer.
Goma sitzt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr an der Scheibe, sie hat sich zwischenzeitlich verzogen. Die Kameras fokussieren den stattlichen Silberrücken M’Tongé, der sich mit allerhand Blattwerk in den Zähnen herumstochert.
In den 1980er-Jahren hat sich die Haltung der Affen stark verändert. Vor allem Jörg Hess ist es zu verdanken, dass Gorillas im Basler Zoo seither im Familienverbund leben. Aber auch sonst hat sich viel getan. «Erst lebten die Schimpansen im Vogelkäfig, dann kam das Affenhaus, und jetzt haben wir noch die Aussenanlage. Eine wahre Erlebniswelt», sagt Zoodirektor Olivier Pagan stolz.
«Jetzt haben wir eine Aussenanlage. Eine wahre Erlebniswelt.»
Der langjährige Pfleger Walter Bayer, der Goma über 20 Jahre betreut hat, erzählt Anekdoten aus ihrer gemeinsam Zeit. Es sind rührende Geschichten, eine anwesende Fernsehstation bittet Bayer, mit Goma durch die Scheibe Kontakt aufzunehmen. Bayer tut, wie ihm geheissen. Aber Goma sitzt nur an der Scheibe und kratzt sich missmutig am Bauch. «O.k. nochmal», sagt der Kameramann vom Südwestrundfunk. Bayer geht auf Goma zu. Aber die hat heute keine Lust, zieht einen «Lätsch».
Ein anderer Gorilla beweist mehr Humor: Vor laufenden Kameras pinkelt er im Hintergrund eines Interviews mit dem Zoodirektor vom Baum an die Scheibe. Vermutlich eine Folge der abgeschafften Dressurmethoden aus den 1950er-Jahren. Am anschliessenden Apéro gibts Bananen zu naschen und eine exklusive Spezialität des Hauses: Eis am Rüeblistiel.
Dieser Leckerbissen wird am nächsten Samstag allen Besucher des Affenhauses zum gemeinsamen Fest serviert. Dann nämlich feiert Goma ihren eigentlichen Geburtstag. Und nicht nur die Partygäste, auch die Gorillas bekommen dann ihre Portion von der Rüebliglace. Gut möglich also, dass Goma dann keinen «Lätsch» mehr zieht.
Ernst Lang erinnert sich im Video an sein «Findelkind» Goma: