Der Theologe Martin Wallraff ist gefordert. Er hat vom Europäischen Forschungsrat (ERC) einen Förderbeitrag in der Höhe von 3 Millionen Franken erhalten. Nun gilt es, das Geld gut zu investieren und das passende Personal für die geplante Bibelforschung zu finden. Fünf Jahre hat Wallraff Zeit, um das Geld auszugeben.
Der Theologe Martin Wallraff hat momentan alle Hände voll zu tun: Er muss Geld ausgeben. Viel Geld. Drei Millionen Franken hat der 46-Jährige vom Europäischen Forschungsrat (ERC) erhalten. Obwohl der Förderbeitrag auf fünf Jahre ausgelegt ist, drängt die Zeit. Wallraff muss Stellen ausschreiben und ein Team zusammenstellen, mit dem er die 3000 biblischen Handschriften, die seine Forschungsgrundlage sind, analysieren wird.
Der Spezialist für Theologie und Kirchengeschichte stammt aus München. Während seiner Ausbildung und durch seine Arbeit hat er viel von der Welt gesehen. Seit acht Jahren lebt er mit seiner Frau in Basel, wo es ihm gefällt. Auch beruflich. «Die Religionsgeschichte ist in Basel an allen Strassenecken präsent», sagt Wallraff. Schon seit langem schwebe ihm deshalb eine Lehrveranstaltung zur Kirchengeschichte der Stadt vor. Mit dieser lokalen Thematik hofft er auch auf externe Zuhörerinnnen und Zuhörer. Denn die Beschäftigung mit Kirche und Religion sei nicht nur für Theologen, sondern für die ganze Gesellschaft relevant.
«Die Religionsgeschichte ist in Basel an allen Strassenecken präsent.»
Jetzt hat aber die Forschung Vorrang. 2408 Projekte wurden dieses Jahr beim ERC eingereicht, davon werden 284 unterstützt. Wallraff gehört zu den zwölf Prozent, die Glück hatten. Völlig überrascht habe ihn das nicht, meint er. Die Projekteingabe sei mit enormem Aufwand verbunden gewesen, den man ohne positive Einstellung gar nicht auf sich nehme. «Gefreut habe ich mich allerdings schon.» Bisher wurden die ERC-Forschungsgelder in Basel ausschliesslich an Naturwissenschaftler vergeben. Das sei auch eine Anerkennung für andere Kollegen nicht-naturwissenschaftlicher Fächer.
In einem Jahr werden die Vorbereitungen abgeschlossen sein, und die eigentliche Forschungsarbeit kann beginnen. Analysieren wird Wallraff nicht den eigentlichen Bibeltext, sondern vor allem die «Paratexte» – also Texte wie das Vorwort, das Inhaltsverzeichnis oder die Legenden.
Wallraff will der Frage nachgehen, inwiefern diese Texte die Bibelüberlieferung beeinflussten. Dieser Aspekt wurde bisher in der Forschung vernachlässigt. Eine intensive Zusammenarbeit mit Studierenden und Mitarbeitenden der Uni Basel sei geplant, sagt Wallraff. Denn dieses Projekt sei «eine enorme Chance für die Nachwuchsförderung».