George Clooney hat den Sudan im Satellitenauge

George Clooney finanziert auf eigene Kase die Überwachung von Menschenrechtsverletzungen durch die sudanesische Armee via Satellit. Und obwohl sein Team weit weg sitzt, greift es auch ein – Neuland für Menschenrechtler.

George Clooney wird am 16. März 2012 wegen zivilen Ungehorsams vor der sudanesischen Botschaft in Washington verhaftet und gefesselt abgeführt. (Bild: Reuters/Kevin Lamarque)

George Clooney finanziert auf eigene Kase die Überwachung von Menschenrechtsverletzungen durch die sudanesische Armee via Satellit. Und obwohl sein Team weit weg sitzt, greift es auch ein – Neuland für Menschenrechtler.

Nathaniel Raymond zählt vom All aus Panzer für George Clooney. Raymond ist ein großer Mann, er sitzt in einem Konferenzraum vor einer Karte der ölreichen sudanesischen Region Südkordofan; mit Fähnchen und Farbe sind die Positionen der sudanesischen Armee und der Flüchtlingskontingente in der Unruheprovinz markiert. Ein Projektor wirft Satellitenbilder an die Wand. Eine Mausbewegung genügt, und kleine Bilder von Panzern und anderen Militärfahrzeugen erscheinen ­– eingefangen aus hunderten Kilometern Höhe.

Raymond ist der Direktor des Satellite Sentinel Project (SSP). Es nutzt die neueste Satellitentechnik, um potenzielle Menschenrechtsverletzungen im Sudan zu dokumentieren. Die Sache war Clooneys Idee. George Clooney: Schauspieler in Hollywood, einer der berühmtesten. Und nebenbei, oder vielleicht mittlerweile auch hauptsächlich, ein echter Sudan-Experte.

Beifall von Politikern

Gemeinsam mit Aktivisten ist Clooney mehrmals heimlich ins Land gereist, um etwa die willkürliche Bombardierung von Zivilisten zu dokumentieren. Kürzlich brachte er von einer Reise Bilder von Leichen, Kindern mit abgerissenen Händen und in Käfige gesperrten Einwohnern ganzer Dörfer mit. In Washington D. C. zeigte er den Film dem Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten, erhielt von den Politikern viel Beifall und wurde dann bei einer Demonstration vor der sudanesischen Botschaft verhaftet. Bilder des in Handschellen abgeführten Clooney erschienen rund um die Welt. Das Wichtigere an Clooneys Arbeit ist aber das Satellite Sentinel Project. Clooney bat Google und die Satellitenfirma Digital Globe um Mithilfe beim Aufbau und hält das Projekt seit 15 Monaten finanziell am Laufen.

Die Situation im Sudan ist komplex. Seit der überwiegend christlich geprägte Südsudan im vergangenen Jahr seine Unabhängigkeit vom arabisch-muslimisch dominierten Norden erklärt hat, kommt es an der neuen Grenze permanent zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, insbesondere um die Ölvorkommen der Region. Die Machthaber im Norden fürchten, dass grenznahe Provinzen sich ebenfalls von Khartoum lossagen könnten. Die Armee soll solche Pläne zunichte machen.

Von der Bostoner Vorstadt Cambridge aus leitet Nathaniel Raymond das kleine SSP-Team, das aus Angestellten und studentischen Freiwilligen besteht. Jeden Tag treffen sie sich im situation room, um Meldungen zu analysieren und neue Satellitenbilder mit vorhandenen Daten zu vergleichen. Man sucht nach neuen Militärrouten, -lagern oder -bewegungen. Eine Mitarbeiterin etwa berichtet vom Besuch eines Gouverneurs in zwei Lagern. Sie sind als Mobilisierungspunkte einer Miliz aufgelistet, die vor allem für Repressionsmaßnahmen der Regierung eingesetzt wird. Isaac Baker ist als Experte für die Satellitenaufnahmen dabei und markiert jedes Lager mit einem Dreieck. «Wir verfügen dazu über keine aktuelle Aufnahme», sagt Raymond. Baker gibt eine Anfrage nach neuen Satellitenbildern heraus, während die anderen diskutieren, welches der Lager sie beobachten, falls nur eine Aufnahme möglich sein sollte. «Das östliche», entscheiden sie.

Die Verwendung der neuesten Satellitentechnik und die Möglichkeit, Aufnahmen binnen weniger Stunden nach Erhalt neuer Berichte in Auftrag geben zu können, versetzt das SSP in die Lage, den Konfliktverlauf realistisch nachzuzeichnen und zu analysieren. «Wir verschieben die Figuren auf dem Schachbrett zwar nicht, aber wir müssen versuchen herauszufinden, was sie bedeuten», sagt Raymond.

So wichtig wie Atomspaltung

Zunächst diente die Arbeit der Sammlung von Beweisen, die im Rahmen eines künftigen Kriegsverbrecherprozesses verwendet werden könnten. Doch die Aufnahmen sind so genau, dass sie auch für Anklagen wegen Massakern und den Nachweis von Massengräbern dienen könnten. Nachdem vor Ort jemand von der Verbrennung von Leichen in einem Wäldchen in der Stadt Kadugli berichtet hatte, konnte das SSP den Ort aus dem All lokalisieren. Die Mitarbeiter entdeckten mutmaßliche Leichensäcke, die in frisch ausgehobenen Gruben lagen. Sie belegten, dass Soldaten Städte umstellten und Dörfer anzündeten. Es konnten sogar ein Antonow-Transportflugzeug, wie sudanesische Truppen sie regelmäßig zum Abwurf von Bomben benutzen, und aufsteigende Rauchwolken ausgemacht werden, dort, wo mutmaßlich Sprengkörper gegen zivile Ziele eingesetzt wurden.

Im September 2011 deuteten die Analysen der Gruppe auf einen unmittelbar bevorstehenden Angriff auf die Stadt Kurmuk in der Provinz Blue Nile hin. Auf den Bildern waren mindestens 3000 Soldaten mit Panzern, Artillerie und Hubschraubern zu sehen. Das SSP gab eine Warnung heraus und ermöglichte so nach eigenen Angaben vielen Menschen die Flucht. Für Raymond und sein Team stellte das einen Wendepunkt dar: Sie waren nicht länger Beobachter, sondern griffen selbst ins Geschehen ein. Neuland für eine Menschenrechtsgruppe, die aus der Entfernung operiert.

«So etwas machen im Augenblick nur wir», sagt Raymond. «Für Menschenrechtler kommt es in der Bedeutung der Spaltung des Atoms gleich.» Damit seien aber auch neue Gefahren und eine große Verantwortung verbunden. «Was, wenn wir bei der Ermittlung der Truppenbewegung einen Fehler machen? Wir könnten die Flüchtlinge direkt in ihre Arme treiben.» Dennoch wird darüber nachgedacht, ob man seine Methoden auch in Syrien anwenden könnte. Das dürfte die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen verändern. Raymond sagt: «Es reicht nicht mehr, an den Gräbern zu stehen und Bilder zu machen.»

Copyright: Guardian News & Media Ltd 2012; Übersetzung Holger Hutt

Quellen

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