Gescheiterte Kantons-Fusionen, scheiternde Baumwipfelbad-Geschenke, Geri Müller und die digitale Selbstdarstellung im Allgemeinen: Der Liestaler Fasnachts-Umzug zeigte den satirischen Stinkefinger. Kritik an Stadt- und Kantonsverwaltung schwang dabei fast immer mit.
Dass Geri Müllers Nackt-Selfie-Skandal zu einem der beliebtesten Sujets der diesjährigen Fasnacht würde, war zu erwarten. Wer nämlich den Schaden hat, der braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. Besonders dann nicht, wenn der Protagonist ein kraushaariger Politiker ist und der Auslöser des Skandals fleischliche Eskapaden.
Diese Erwartung wurde am Liestaler Umzug diesen Sonntag also erfüllt, und das gleich mehrfach. Geris Nudel hier, Geris Nüsse dort, Geris Selfies überall. Doch der nackte Geri war vielmehr Auslöser für eine grundsätzlichere Gesellschaftskritik, die sich zahlreiche Cliquen, Rueche und Schyssdräck-Wägeler auf die Fahnen respektive ihre «Zeedel» geschrieben haben.
Was die Liestaler Fasnächtler beschäftigt – und das darf getrost als repräsentativ fürs ganze Baselbiet gelten – ist nämlich nicht Badens Stadtammann Geri Müller, sondern die Tendenz zum digitalen Doppelleben, zur Selfie- und Smileymanie.
Die Excalibur defilierten etwa als grinsende, schlafende und trotzende Emojis durchs Spalier der zahlreichen Umzugsbesucher, derweil die Halbmond-Clique empfahl, vor dem Arabi noch den blanken Arsch zu selfien. In klare Worte fasste die traditionsreiche Rotstab-Clique das Phänomen:
«Es isch scho krass, was äine hütte
vo sich im Netz duet aaneschütte.
Ha grad gschloofe, ha grad gässe,
und d’Längi vom mym Schnääbi gmässe.»
So wettert der Stamm der Rotstab-Clique, und die Junge Garde doppelt nach:
«E-Banking, Elektrovelo
House und Dubstep, gmixt mit Cello.
Spände düends für Drittwält-Chinder
Doch ihri Schueh sy gmacht vo chleine Inder.
Apple, Mac und Android:
Langsam wird’s paranoid.
Ständig online, nie me off,
zweituusig Likes und Shit-Storm-Zoff.»
Gegen eine vielmehr analoge Amerikanisierung machten die Riedbrgchüng aus Nunningen mobil und zersägten kurzerhand einen überdimensionalen Kürbis mit ihrem zur noch überdimensionaleren Kettensäge umfunktionierten Wagen.
Wie ein Shit-Storm, zumindest mengenmässig, war auch der Rückblick auf die gescheiterte Kantons-Fusion. Es war das zweite grosse Thema des Liestaler Umzugs, auch dies: wenig überraschend. Und während die einen die Fusion zu Grabe trugen, dankten andere gar, dass es bleibt, wie es war in Baselland. Nur die Brüehl-Schtolperi-Clique aus Bubendorf blieb durch und durch neutral, als sie lakonisch resümierte: «Bach ap». Damit meinten sie nicht allein die Fusion, sondern auch Lehrplan 21 wie Euro und Gripen wie Ecopop.
Der Liestaler Fasnachts-Umzug war schon durchtriebener, kritischer, politischer und auch unanständiger.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Liestaler Fasnachts-Umzug war sicher schon durchtriebener, kritischer, politischer und auch unanständiger. Doch wurde aufs Korn genommen, was aufs Korn gehörte. Politisch blieb man dabei fast ausschliesslich korrekt, nur einige Hiebe streiften die Gürtellinie, allerdings an ihrer oberen Kante.
Zu den Anschlägen in Paris, wie gerade am Kölner Karneval, war weit und breit weder zu sehen, noch zu lesen. Das rührt auch daher, dass viele Gruppierungen schlicht der Fasnacht als solcher frönten.
Zu sehen und lesen gab es dafür von der abgelehnten Unabhängigkeit Schottlands, der Schliessung der Post in Seltisberg, dem Konkurs des EHC Basel, dem verregneten Sommer und dem Restaurant-Sterben. Von Conchita Wurst, der Einkleidung der Baselbieter Feuerwehr, der verachteten Fasnachts-Verordnung und einem gewissen Bed & Breakfast in Lausen. Von Liestal als Schlafstadt, Liestal als Tatort in Rolf von Siebenthals Krimis und Liestal mit einem jubilierenden Tourismusverein. Und schliesslich von ein paar verirrten Ausläufern der Honoraraffäre, einem «Luxus-Knascht» in Muttenz und einem neuen Angebot: Äxtrafahrt-Banndagmentigs-Schöttelbus nach Ruscht in den Europapark.
Und dann war da noch dieser Baumwipfelpfad, das geplante Geschenk der Basellandschaftlichen Kantonalbank zu ihrem 150-Jahre-Jubiläum. Doch niemand will es. Das macht es zum gefälligen Motto schlechthin: seicht, mit einer Prise Brisanz, kurz: zum lachen. Fasnacht eben.