Gesucht: der ideale Ausländer

Sie sollen auf dem Platz Leistung bringen, sind meist die einzigen Profis im Team und somit ein Faktor im Budget. Umso wichtiger ist die richtige Auswahl ausländischer Spieler für die regionalen Clubs.

Transferhilfe Video: Die besten Szenen eines Lebens zusammen­geschnitten. (Bild: Michael Würtenberg)

Sie sollen auf dem Platz Leistung bringen, sind meist die einzigen Profis im Team und somit ein Faktor im Budget. Umso wichtiger ist die richtige Auswahl ausländischer Spieler für die regionalen Clubs.

Einiges kann schieflaufen, wenn sich ein Club mit weniger finanziellen Möglichkeiten als der FC Basel auf die Suche nach einer ausländischen Verstärkung macht. Es muss ja nicht gleich so krass sein wie 2003, als die Frauen-Equipe der SG  ATV/KV  Basel per E-Mail mit einer argentinischen Handballerin mit eindrücklichen Massen verhandelten. Und sich am Ende herausstellte, dass Alexis Stocker, ein 1,85 Meter grosses und 80 Kilogramm schweres Model, zum zweiten Vornamen Carlos hiess – und eindeutig ein Mann war. Ein Missverständnis, das sich wenigstens finanziell nicht auswirkte. Stocker wurde an die Männer-Equipe des TV Pratteln vermittelt.

Ein Fehlgriff bei der Verpflichtung von Ausländern kann aber auch richtig ins Geld gehen. So erinnert sich Martin Spörri nur ungern an die Transfers der vorletzten Saison zurück. Damals verpflichteten die Starwings Basket Regio Basel zwei Ausländer «mit sehr guten Verträgen», wie sich der Präsident der Starwings erinnert: «Aber dann kamen sie in körperlich schlechter Verfassung an.»

Der Verein versuchte die Verträge mit den beiden Spielern aufzulösen, die Sache kam vor Gericht. «Das hat uns viel Geld gekostet», sagt Spörri. Rund 50’000 Franken seien den finanziell nicht auf Rosen gebetteten NLA-Basketballern verloren gegangen.

Ein Goalie, zwei starke Ausländer, solide Schweizer – das reicht

Der Fall verweist auf das Kernproblem bei der Suche nach ausländischen Spielern: Wie soll die Qualität der Sportler eingeschätzt werden, bevor sie in der Region Basel angekommen sind? Der FCB hat sein Netz an Scouts – und ist trotzdem nicht vor Fehltransfers gefeit. Da ist die Aufgabe für die anderen Clubs, die deutlich kleinere Brötchen backen, noch viel schwieriger.

Zumal die Bedeutung ausländischer Spieler in Hand-, Volley-, Basketball und Eishockey massgebend ist für den sportlichen Erfolg. «Ein guter Goalie, zwei starke Ausländer und daneben solide Schweizer – dann kommst du mit Garantie in die Top vier», sagt Dany Gélinas, Trainer der EHC Basel Sharks. Alex Ebi, Präsident der NLA-Handballer des RTV Basel, meint: «Die Aus­länder machen den Unterschied.» Und Werner Schmid, Präsident von Sm’Aesch-Pfeffingen, stellt für die Volleyball-NLA fest: «Ausländerinnen müs­­sen in heiklen Situationen das Spiel herumreissen.»

Nicht teuer, sportlich top, charakterlich einwandfrei

Mit Ausnahme des EHC sind die Gastarbeiter auch jeweils die einzigen Spieler mit Profi-Status. Das macht die Suche nach der richtigen Verstärkung noch wichtiger – und komplizierter. Gesucht ist der ideale Ausländer: nicht zu teuer, sportlich top, charakterlich einwandfrei.

Das Problem: Diesen Spieler gibt es eigentlich nicht. Oder wie es Starwings-Trainer Roland Pavloski sagt: «Wenn einer bezahlbar ist und auf dem Feld super, dann muss er irgendwo sonst ein Defizit haben.» Sprich, es dürfte eine Herausforderung werden, ihn ins Teamgefüge zu integrieren.

Früher gab es DVDs, heute sind die Videos im Netz

Trotzdem war es jahrelang Usus, Spieler praktisch ab Video zu verpflichten. In jeder Sportart gibt es Agenten, die entweder aus eigenem Antrieb Spieler anbieten oder auf Wunsch eines Clubs für eine bestimmte Position eine Liste zusammenstellen. Früher wurden danach DVDs verschickt. Heute gibt es Passwörter, um die Videos im Internet anzuschauen.

Auf diesem Weg sind auch die Starwings auf ihren neuesten US-Amerikaner Justin Dobbins aufmerksam geworden. Allerdings hat sich bei allen lokalen Clubs die Erkenntnis durchgesetzt, dass schöne Bilder und gute Statistiken der letzten Saisons alleine nicht reichen, um einen Spieler beurteilen zu können.

«Zu sehen bekommt man die besten Szenen eines Lebens», taxiert Alex Ebi die Aussagekraft der bereitgestellten Videos. Und fügt leicht sarkastisch an: «Zudem haben alle osteuropäischen Handballer einmal in Junioren-Nationalteams gespielt. Weil es dort keine Statistiken gibt, kann man das praktischerweise nicht nachprüfen.»

Ohne Netzwerk bist du verloren

Wichtig ist es darum, auf ein möglichst dichtes Beziehungsnetz zurückgreifen zu können. Ein gutes Netzwerk ist für Dany Gélinas sogar das Wichtigste überhaupt: «Klar, du musst so viele Spiele wie möglich selbst besuchen. Aber ohne Netzwerk bist du verloren. Sonst verpflichtest du die Spieler tatsächlich bloss nach ihrer Statistik. Du musst Referenzen über die Kandidaten einholen können.»

Genau das taten die Starwings bei ihrem neuen Center Dobbins. Assistenztrainer Tony McCrory kannte Dobbins’ Trainer in England, weil er früher mit ihm gemeinsam gespielt hatte. Also erkundigte sich McCrory bei seinem Bekannten über sportliche Qualitäten und Charakter, bevor er sich mit Dobbins selbst unterhielt.

Das Glück der Clubs: Flüge sind heute billig zu haben

Einen Schritt weiter gehen RTV und Sm’Aesch: Sie laden potenzielle Neuzugänge zu Probetrainings ein. Schmid hat Erfahrung damit, Spielerinnen ab Video zu verpflichten. Heute sagt der Präsident von Sm’Aesch: «Wir hatten keinen grossen Erfolg. Darum verpflichte ich nur noch Spielerinnen, die ich selbst spielen gesehen habe.»

Dabei hilft, dass die Flüge innerhalb von Europa heute so günstig zu haben sind. Der RTV übernimmt bei seinen Einladungen die ganzen Flugkosten, bei Sm’Aesch wird der Preis für das Tic­ket geteilt. «Damit ich sehe, dass es die Spielerin auch ernst meint», sagt Schmid. Auf diese Saison hin hat er mit Nadine Alphonse lieber eine Kanadierin verpflichtet, die er bereits kannte, weil sie schon letzte Saison in der Schweiz gespielt hat.

Auffällig ist: Obwohl nur der EHC einer Ausländerbeschränkung unterliegt, ist die Zahl ausländischer Spieler in den regionalen Clubs äusserst überschaubar. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Alle Vereine müssen auf ihr Budget achten. Alex Ebi bringt es auf einen einfachen Nenner: «Kein Geld, keine Ausländer.»

Das Bundesamt gibt den Mindestlohn vor

Denn auch wenn die Löhne für die ausländischen Profis nicht horrend sind, so sind sie doch ein bedeutender Ausgabenposten (vgl. Box). Und selbst im Basketball, wo das Angebot an Spielern aus den USA praktisch unbegrenzt ist und die Gehaltsforderung also tief, darf in der Schweiz ein Mindestlohn von 3500 Franken brutto nicht unterschritten werden. Ausgaben für Versicherungen, Miete und Krankenkasse dürfen dabei vom Club zum Gehalt dazugerechnet werden. Die schweizweit geltende Untergrenze schreibt das Bundesamt für Migration vor.

Allen Clubs gemeinsam ist eine Phase, in der sie mit erhöhtem finanziellem Aufwand hohe Ziele verfolgten – und danach kurz vor dem Aus standen. Von hochtrabenden Plänen haben sich seither alle verabschiedet. Und sie haben jeder für sich beschlossen, dass ein Club in der Region Basel langfristig nur überlebt, wenn er auf den eigenen Nachwuchs setzt und so auch von den Spielern her regional abgestützt ist.

Sm’Aesch hat das NLA-Budget zugunsten der Juniorinnen gekürzt

Werner Schmid zum Beispiel hat deswegen auf diese Saison hin sogar das Budget seines NLA-Teams zugunsten der 2011 von ihm gegründeten Nachwuchsakademie gekürzt. Der EHC hat einen Block aus Nachwuchsspielern ins Kader genommen, die Starwings führen eigene Junioren nach. Und der RTV hat nur noch einen Ausländer im Kader.

«Kontinuität in den Club bringen nur regionale Spieler», sagt Alex Ebi stellvertretend, «Ausländer sind immer volatil.»

Ausländerverträge: Der Sportler verdient netto

Das Gehalt der ausländischen Sportler in den regionalen Clubs variiert stark. Überall gleich ist jedoch, dass die Spieler in ihren Verträgen Nettolöhne festgelegt haben. Für die Clubs kommen Quellensteuer, Sozialabgaben, Ver­sicherungen, Miete und Auto hinzu. Meist betragen die Clubausgaben so das Doppelte des reinen Lohns.

EHC Basel Sharks
In der Eishockey-NLB dürfen zwei Ausländer pro Team spielen. Alle ­Nebenkosten eingerechnet, kostet ein guter NLB-Ausländer rund 250 000 Franken pro Jahr. Der EHC steigt mit den Kanadiern Jamie Wright und Jona­than Roy in die Saison. Beide waren schon letzte Saison in Basel.

RTV Basel
In der Handball-NLA sind zwei Nicht-EU-Ausländer erlaubt, für EU-Bürger besteht keine Beschränkung. Durchschnittliche NLA-Ausländer verdienen rund 4000 Franken netto im Monat. Der RTV hat mit dem Slowenen Rok Ivancic bloss einen Ausländer, der allerdings neben dem Handball arbeitet.

Sm’Aesch-Pfeffingen
Zwischen 3000 und 5000 Franken netto verdient eine gute Ausländerin in der Volleyball-NLA. Verträge werden nur für die Saison abgeschlossen, also im Normalfall für neun Monate. Bei Sm’Aesch sind die Tschechin Martina Frankova und die Kana­dierin Nadine ­Alphonse Profis, die Brasilianerin Kerley Becker ist Halbprofi. Einzige Ausländer­beschränkung: Es muss mindestens eine Schweizerin auf dem Feld sein.

Starwings
In der Basketball-NLA gilt keine Ausländerbeschränkung. Ein Ausländer erhält im Schnitt rund 3000 Franken netto, Verträge laufen acht Monate. Bei den Starwings spielen Justin Dobbins und ­Brandon Jenkins (beide USA), dazu Jaraun Burrows (Bahamas) und Co-Trainer Tony McCrory (Kanada).

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.09.12

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