Gewerkschaften fordern mehr Schutz für Pharmaangestellte

Die Gewerkschaft Unia will bessere Bedingungen in der Basler Pharma- und Chemieindustrie. Den alten Gesamtarbeitsvertrag hat sie deshalb gekündigt, ein neuer soll deutlich weiter reichen. Das Manöver ist nicht ohne Risiken. 

Demo gegen die Entlassungen von Novartis und Huntsman am 11.10.2011 (Bild: KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Die Gewerkschaft Unia will bessere Bedingungen in der Basler Pharma- und Chemieindustrie. Den alten Gesamtarbeitsvertrag hat sie deshalb gekündigt, ein neuer soll deutlich weiter reichen. Das Manöver ist nicht ohne Risiken. 

Ein Jahr lang hat sich die Gewerkschaft Unia umgehört unter ihren Mitgliedern, «wo denn der Schuh drückt in der Chemie- und Pharmaindustrie», wie es Regio-Sekretär Serge Gnos sagt. «Sie wollen keine materiellen Vorteile, der Lohn ist nicht das Problem, es sind die Rahmenbedingungen». Die Unia will nun einen Schutzschirm aufziehen über alle Angestellten der dem Branchenverband angeschlossenen Betriebe in der Region. 

Den bisherigen Gesamtarbeitsvertrag, der branchenübergreifend als ausgezeichnet ausgestattet gilt und den Beschäftigten etwa 6 Wochen Ferien und 18 Wochen Mutterschaftsurlaub gewährt, hat sie deshalb auf Ende April gekündigt. Er kam nur einem Teil der Belegschaft zu gute, begründet die Unia. Ausgeschlossen sind alle sogenannt Angestellten: Laborleute, Forscher und insbesondere Temporärangestellte. Sie werden zu Einzelarbeitsverträgen angestellt.

Bis zu 80 Prozent temporär Angestellte

Rita Walde, Angestelltenvertreterin im Novartis-Werk in Stein, hält die aktuelle Situation für unhaltbar. «Als ich in den 80er Jahren angefangen habe, gab es auch Zeitarbeiter, aber nach einem Jahr musste die Firma entscheiden, ob sie die Leute übernehmen oder entlassen will. Viele wurden übernommen.» Heute seien die vielen Leiharbeiterfirmen dazwischen geschaltet. Deren Klienten wüssten oft erst am Freitag, ob es am Montag wieder Arbeit gibt. Im Werk in Stein mit seinen 1600 Beschäftigten seien gesamthaft 12 Prozent nur temporär angestellt, sagt Walde. In manchen Produktionseinheiten seien aber bis zu 80 Prozent ohne festen Vertrag.

Nebst der Ausweitung des GAV will die Unia auch einen besseren Kündigungsschutz für ältere Mitarbeitende ab 55 Jahren. Eine Kann-Formulierung im bisherigen GAV für eine Kündigungsfrist über 12 Monate soll verpflichtend werden. Dazu will die Gewerkschaft mehr Mitspracherecht bei Entlassungen. In der Vergangenheit seien die Angestelltenvertreter oft vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Es droht ein vertragsloser Zustand

Für die Gewerkschaft steht einiges auf dem Spiel. Sie selbst zählt den Pharmavertrag zum Muster-GAV in der Schweiz mit Signalwirkung auf andere Branchen. Gelingt es ihr nicht, sich mit den Industrievertretern auf einen neuen Kontrakt zu einigen, droht ein vertragsloser Zustand. «Den nehmen wir in Kauf, wir sind für alle Situationen gewappnet», sagt Manuel Wyss, nationaler Branchenverantwortlicher der Unia.  Für die Unia ist es auch eine Vertrauensprobe. «Die Stellung der Sozialpartner wurde in den letzten Jahren stark angekratzt», Entlassungen und Restrukturierungen schüttelten die Basler Chemie gehörig durch.

Roche und Novartis wollen sich während der Verhandlungen nicht zu den Forderungen der Unia äussern. Sie dürften der Gewerkschaft aber mit starkem Widerstand begegnen: So haben sich sämtliche Branchen im Dezember einem GAV für Temporäre angeschlossen – ausser der Pharma- und Chemieindustrie. 

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