Erstmals wurden in Basel-Stadt aus verschiedenen Quellen Daten zur häuslichen Gewalt zusammengetragen und ausgewertet. Die Bilanz ist traurig: Die polizeiliche Kriminalstatistik weist eine Zunahme der registrierten Straftaten in diesem Bereich von 16 Prozent aus.
War das Thema häusliche Gewalt im Vorfeld der Wahlen vor allem Anlass für politisches Geplänkel, gibt es nun Fakten dazu. Hanspeter Gass, der noch amtierende Sicherheitsdirektor, stellte heute den «Monitoringbericht über die Gewalt in Partnerschaft und Familie» vor, den sein Departement erarbeitet hat.
Für diesen Bericht wurden erstmals Daten der verschiedenen Stellen, die mit häuslicher Gewalt zu tun haben – von Behörden wie auch von Fachstellen – gesammelt und ausgewertet. Mit dem Ziel, so Gass, die bisherigen Schutz- und Präventionsmassnahmen zu überprüfen und wenn möglich zu verbessern.
Zunahme schwierig zu interpretieren
Allein das Zahlenmaterial, also die harten Fakten, ergeben ein düsteres Bild: So zeigt die polizeiliche Kriminalstatistik aus, dass im Jahr 2011 die angezeigten Straftaten zu häuslicher Gewalt in Basel-Stadt gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zugenommen haben. Bei diesen 860 Straftaten geht es um verschiedene Delikte – von Beschimpfungen und Drohungen über Tätlichkeiten bis zu schwerer Körperverletzung. Auch ein Tötungsdelikt ist aufgeführt.
Da bei einem Fall meist mehrere Delikte zusammenkommen, ist die Zahl der polizeilichen Interventionen logischerweis tiefer. So schritt die Kantonspolizei 306 mal wegen häuslicher Gewalt ein, in 118 Fällen wiederholt in den gleichen Familien. Gut 80 Pozent der Täter waren Männer. Soviel zu den Zahlen. Die ausserdem schwierig zu interpretieren sind, wie Catherine Jobin von der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt «Halt Gewalt» sagte. Die Zunahme könne mit einem veränderten Anzeigeverhalten zu tun haben, aber auch mit einer Sensibilisierung bei der Polizei für häusliche Gewalt.
Beim Opferschutz haperts gewaltig
Hier mag sich tatsächlich etwas getan haben, seit 2004 häusliche Gewalt zum Offizialdelikt erklärt worden ist und dadurch von Amtes wegen verfolgt werden muss. Doch in Sachen Opferschutz hapert es gemäss den verschiedenen Akteuren noch gewaltig. Zum Beispiel bei den Kindern. Mehr als die Hälfte der gewalttätigen Männer sind Väter, und bei den Polizeieinsätzen waren pro Monat durchschnittlich 20 Kinder anwesend, die meisten davon im Vorschulalter.
«Für diese Kinder», sagte Isabel Miko Iso, ebenfalls von der Interventionsstelle Halt Gewalt, «braucht es unbedingt mehr Unterstützungs- und Therapieangebote.» Man möge sich auch kaum ausmalen, welche Ängste Kinder, die in einem gewalttätigen Umfeld aufwachsen, bewältigen müssen. «Wenn etwa ein Vater droht, die Familie auszulöschen und dem Kind sagt, wenn es mit seiner Mutter die Wohnung verlasse, bringe er dessen geliebtes Häschen um.» Was er dann auch getan habe, sagt Iso Miko. «Das ist kein erfundenes Beispiel.»
Auch bei den Frauen reichen die bestehenden Einrichtungen und Massnahmen längst nicht, um sie vor Gewalt zu schützen. Wie wichtig solche seien, zeige sich bei den Frauenhäusern. Die Mehrheit der Frauen, die in einem Frauenhaus Zuflucht suchten, hatten nach ihrem Aufenthalt den Mut, die gewalttätige Beziehung zu beenden.
Ein bedenkliches Signal ist jedoch der hohe Anteil der eingestellten Verfahren: 80 Prozent der Fälle bei der Staatsanwaltschaft wurden eingestellt, mehrheitlich, weil die Opfer eine Sistierung beantragten. Wie freiwillig sie das getan haben, lasse sich nur schwer sagen, sagte Catherine Jobin.
Angst, Aufententhaltsbewilligung zu verlieren
Unter grossen Druck stehen besonders aus dem Ausland stammende Frauen, deren Aufenthaltsrecht mit dem «Verbleib beim Ehegatten» verknüpft ist. Sie befürchten, samt ihrer Kinder die Schweiz verlassen zu müssen, wenn sie sich von ihrem gewalttätigen Mann trennen. So bleiben viele lieber still und lassen sich verprügeln, als dass sie sich an die Behörden wenden.
Zwar besteht die Möglichkeit, eine Härtefallbewilligung zu erhalten, aber zum einen wissen das nicht alle Frauen, zum anderen gibt es keine Garantie dafür. Im vergangenen Jahr wurde bei 15 gewaltbetroffenen Frauen die Erteilung einer Härtefallbewilligung von der kantonalen Migrationsbehörde geprüft, zwölf davon sind Mütter von insgesamt 17 Kindern im Alter zwischen einem und elf Jahren. Zwei dieser Frauen haben inzwischen vom Bundesamt für Migration die Bewilligung erhalten.
Aber wer glaube, häusliche Gewalt komme vor allem in ausländischen Familien vor, irre, betonte Catherine Jobin. Der Anteil der Gewaltbetroffenen aus dem Ausland betrage 54 Prozent, derjenige der Gewalttätigen 59 Prozent. Gewalt in der Partnerschaft betreffe Schweizer und Ausländer, ebenso alle sozialen Schichten. «Letztlich ist es einfach erschütternd, dass dieses Thema ein Dauerbrenner ist.»
Den vollständigen Bericht «Monitoring Häusliche Gewalt» im Kanton Basel-Stadt finden Sie als PDF-Datei unter «Hintergrund zum Artikel».