Die Besetzer des Hauses an der Schwarzwaldallee 269 würden gerne ein Exempel statuieren, dass die Zwischennutzung leerstehender Häuser ein Mittel gegen die Wohnungsnot sein könnte. Bis heute wird ihr Aufenthalt zumindest geduldet.
Wirklich belebt oder bewohnt wirkt das Eckhaus an der Schwarzwaldalle/Erlenstrasse von aussen nicht. Lediglich ein dezentes Transparent mit der Aufschrift «Besetzt» weist darauf hin, dass hinter den fest verschlossenen Türen doch etwas los ist.
Die TagesWoche hat einen Gesprächstermin mit den Besetzern des Hauses ausgemacht, wird von ihnen auch freundlich empfangen und durchs Haus geführt. Zuerst gelangt man in einen relativ dunklen, grossen Raum im Erdgeschoss. Hier befand sich wohl der Empfang des Bordells. Als solches wurde dieses eigentlich schmucke Jugendstilhaus mit seiner rosafarbenen Fassade zuletzt genutzt.
Beim Gang durchs Haus erinnert allerdings nur noch wenig daran. Etwa die Silhouette einer Nackttänzerin an einer Türe. Oder eine handgeschriebene Preisliste, wonach 15 Minuten offenbar 100 Franken kosteten, eine Stunde 300 Franken. «Sexy Business statt Sex-Business», hat jemand daneben hingesprayt, der Kommentar eines Besetzers.
Die Besetzer warten ab
«Wir haben uns noch nicht wirklich fix eingerichtet», sagt einer der drei anwesenden Besetzer, die mit Bezug auf den Standort als «Kollektiv Schwarze Erle» auftreten. Wie viele im Haus wohnen oder hier ein- und ausgehen, wollen sie nicht sagen. «Wir sind einige junge Menschen und weitere, die uns unterstützen», sagen sie. Und: «Wir streben ein Projekt an, das wachsen soll, wir wollen hier leben und zum Teil auch arbeiten. Das Projekt soll ein Exempel statuieren: Zwischennutzungen leerstehender Häuser könnten ein Mittel gegen die Wohnungsnot sein.»
Platz dafür wäre im Haus reichlich vorhanden. Die meisten mit schönem Eichenparkett ausgelegten Räume stehen aber noch leer. In wenigen sind Matratzen ausgebreitet mit Schlafsäcken drauf.
Gemeinschaftsraum im besetzten Haus (Bild: Dominique Spirgi)
Richtig eingerichtet ist nur ein Eckzimmer im ersten Stock. Es dient als Aufenthaltsraum. Ein schöner Metalltisch steht da, ein schönes selbstgebautes Regal, ein Wasserkocher und eine Herdplatte, auf der mit einer Mokka-Kanne Kaffee zubereitet wird. Von der Decke hängt ein mehrarmiger Leuchter im Antikstil. Es ist bislang der einzige beheizte Raum.
Absichtserklärung statt Nutzungsvertrag
Die Besetzer wollen nicht Besetzer im Sinne von Hausfriedensbrechern bleiben. «Das Haus steht schon seit langer Zeit leer, wir würden es gerne legal zwischennutzen, bis der Besitzer mit einem konkreten Umbauprojekt loslegt», sagt einer der Besetzer. Als Besitzer des Hauses ist die Fortius Asset Management AG aus Weiningen (ZH) aufgeführt. Diese Firma wird vom St. Galler Anwalt Peter Rösler verwaltet.
Rösler wollte gegenüber der TagesWoche keine Stellung nehmen. Die Besetzer ihrerseits sagen, dass sie mit Rösler in Kontakt getreten seien und dieser einer Zwischenutzung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe. «Einen Vertrag wollte er uns aber nicht anbieten, lediglich eine Absichtserklärung, in der wir uns für alle nur erdenklichen Schäden, auch im Falle einer allfälligen Neubesetzung nach dem Auszug, haftbar erklären müssten.»
Das wiederum geht den Besetzern zu weit. «Wir wollen aber Sorge tragen zu den Parkettböden, den Fenstern und die Fassade», sagen sie, «so wie es uns vom Architekten nahegelegt wurde, der sich um die Sanierungspläne kümmert.» Vom Vertreter der Besitzerfima haben sie bis anhin aber nichts mehr gehört.
Zürich nimmt Hausbesitzer in die Pflicht
Für den Moment werden die Besetzer aber zumindest geduldet, von einer Räumung ist vorerst nicht die Rede. «Die Kantonspolizei Basel-Stadt kommt in Fällen von Haus- oder Grundstücksbesetzungen erst dann ins Spiel, nachdem die Eigentümerinnen und Eigentümer einen Strafantrag gestellt haben oder wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist», sagt Martin Schütz, Mediensprecher des Justiz- und Sicherheitsdepartements. Und ein solcher Antrag ist bislang nicht gestellt worden.
Wenn ein Strafantrag gestellt wird, greift die Polizei in Basel aber meist rasch ein. Das war zuletzt im November 2014 bei zwei besetzten Häusern an der Hochstrasse 74 und 76 der Fall.
Die Stadt Zürich geht da zurückhaltender vor. Dort reicht ein gültiger Strafantrag alleine nicht für eine Hausräumung aus. Als weitere Voraussetzungen verlangt die Stadtpolizei einen rechtskräftige Abbruch- oder Baubewilligung oder einen Beleg für «die rechtmässige Nutzung der Liegenschaft für die Zeit nach deren Räumung», wie in einem «Merkblatt Hausbesetzungen in der Stadt Zürich» (pdf-Dokument) festgehalten ist.
In diesem Merkblatt weist die Zürcher Polizei zudem explizit auf Vermittlungstellen hin, die bei verkorksten Verhandlungen Unterstützung leisten könnten.
Basel will keine generelle Regelung
Von einer generellen Regelung nach Zürcher Vorbild will der Kanton Basel-Stadt nichts wissen – auch wenn die Zürcher Praxis sogar vom Bundesgericht sanktioniert wurde. Basel bevorzuge eine «sorgfältige Einzelprüfung», schrieb die Exekutive 2013 in der Antwort auf eine entsprechende Interpellation (pdf-Dokument) von SP-Grossrätin Salome Hofer. Sie weist zudem darauf hin, dass rund 80 Prozent der Hausbesetzungen ohne Polizeiaktion beendet werden könnten.
Als Erfolge dieser «sorgfältigen Einzelfallprüfungen» nennt die Regierung das Restaurant Feldberg, das zwischengenutzte Haus an der Bäumleingasse 9 und die Hinterhofbar. Als bekanntes Beispiel könnte man noch den Wagenplatz am Klybeckquai hinzufügen. Mit Ausnahme des Letzteren befinden sich unter den Beispielen aber keine Wohnräume.