Hautfarbe ist keine Pointe, liebes SRF

Grüsse aus der Kolonialzeit: Das SRF findet Blackfacing auch 2016 noch völlig zeitgemäss und megaglatt.

Achtung! Anmoderierte Pointen sind nie lustig. Angemalte übrigens auch nicht.

(Bild: Antonia Brand)

Grüsse aus der Kolonialzeit: Das SRF findet Blackfacing auch 2016 noch völlig zeitgemäss und megaglatt.

Das Unterhaltungsprogramm des SRF brilliert nicht durch Gehalt oder Tiefgang. C- bis F-Promis der Schweizer Fernsehwelt moderieren minder spannende Starmagazine und Quizshows. Einmal jährlich gilt es, den ewigen Sven Epiney während des Eurovision Song Contest zu ertragen.

Den einzigen Vorwurf, den ich dem SRF in dieser Hinsicht machen kann, ist, dass es mich in die intellektuelle Verarmung treiben will – bis am Samstag zumindest. Während der Oktoberausgabe der Sendung «Happy Day» hatte ich das Gefühl, bei einer Minstrel-Show gelandet zu sein.

Das SRF kramte ganz tief in der Witzkiste und holte von zuunterst eine rassistische Tradition wieder hervor: Nach Viktor Giacobbos Klischeefigur Rajiv und Birgit Steineggers rassistischer Oprah-Winfrey-Persiflage hat es das Blackface erneut ins Schweizer Fernsehen geschafft. Klammheimlich haben die deutschen Fernsehkollegen des ARD einen sauglatten Sketch in die Sendung reingeschmuggelt.

Dank einer Kollaboration des SRF und «Verstehen Sie Spass» wurde eine pointenlose Zote ins Wohlfühlprogramm fürs Fernsehvolk eingeschleust. Röbi Koller wird bei einer rührseligen Vatersuche-Story über eine junge Tessinerin so richtig reingelegt.

Chimäre des Grauens

Die junge Frau, Francesca, sucht ihren Papa. Der Vater konnte in Südafrika ausfindig gemacht werden. Ein Foto wird eingeblendet: Robert, weiss, in den Vierzigern, bärtig, steht auf einer Wiese, im Hintergrund zwei Giraffen. Verheissungsvoll kündigt Röbi Koller Grosses an! Er hat ihn natürlich ins Studio gebracht! Die Türen zum Studio öffnen sich, herein tritt der vermeintliche Vater.

Doch schnell macht sich Unbehagen breit, als «Robert» mit offenen Armen auf sie zuschreitet. Tränen der Enttäuschung fliessen, denn mit dem Mann stimmt offensichtlich etwas nicht. Robert ist – bitte alle festhalten, damit Sie vor Lachen nicht vom Stuhl kippen: ROBERT. IST. SCHWARZ!

Aber nicht so ganz schwarz, Robert ist in Wirklichkeit «Verstehen Sie Spass»-Ulknudel Guido Cantz in Maske. Breite Nase, Wulstlippen, alles, was das Klischee hergibt, wurde verarbeitet. Gepaart mit seinem grenzdebilen Englisch mit indischem Akzent haben sie «crazy Robert aus Südafrika» erschaffen, eine Chimäre des Grauens.

Ich wünsche mir vor Fremdscham, dass der Sofaspalt mich doch verschlingen möge. Hier die qualvollen 10 Minuten für Mutige zum Selberschauen:

Grüsse aus der Kolonialzeit

Die Schweiz hat mit einigen Themen, welche in der zivilisierten Welt bereits abgehakt sind (oder sein sollten), ihre liebe Mühe: Vaterschaftsurlaub, staatliche Kinderkrippen, und eben auch der salonfähige Stammtischrassismus. Zu Letzterem zählt Blackfacing.

In den USA wird das Thema in den Medien breit diskutiert, die Europäer tun sich mit der Aufklärung über dieses Kapitel der Kolonialzeit noch etwas schwerer. Dabei handelt es sich mitnichten um eine rein amerikanische Tradition. Wo kolonialisiert wurde, wurden die Einheimischen zur Karikatur gemacht (z.B. Australien, USA), und wo kolonialisiert wurde, wurden diese Karikaturen in die Heimat zurückgenommen.

Hautfarbe ist keine Pointe

In Europa gibt es heute noch die Weihnachtstradition «Zwarte Piet» in den Niederlanden, bei der Erwachsene und Kinder als Afrikaner verkleidet in Perücken und mit schwarz bemaltem Gesicht durch die Strassen ziehen. Man könnte dies alles als harmlos abtun, oft werden Gegner dieser Praktik als humorlose, biedere Moralisten verschrien.

Problematisch an Blackfacing ist kurz zusammengefasst aber Folgendes:

  • Eine Hautfarbe ist keine Pointe.
  • Eine Hautfarbe ist kein Kostüm, welches man zur vermeintlichen Belustigung an- und danach wieder ausziehen kann, um danach zurück zum Leben eines privilegierten, weissen Mitteleuropäers überzugehen.
  • Die überzeichnete, eindimensionale Darstellung Schwarzer hält rassistische Klischees am Leben, welche aus der Kolonialzeit stammen.
  • Die Definition davon, was «schwarz» ist, respektive die Interpretation davon, liegt nicht bei der weissen Gesellschaft. In den amerikanischen Minstrel-Shows traten mitunter auch Schwarze auf, die sich in der Tradition des Blackfacing das Gesicht noch dunkler bemalen und die Lippen knallrot oder weiss überschminken mussten, um dem grotesken Klischee, welches die Weissen von ihnen hatten, zu entsprechen. Wem bei dieser Tatsache allein nicht schon das Blech wegfliegt, sei abschliessend gesagt:
  • Es gibt eine Minderheit afrikanischstämmiger Mitbürger, welche im Blackfacing kein Problem sieht. Sich nur auf diese Stimmen zu konzentrieren, um sich einer unbequemen Diskussion über Rassismus und kolonialistische Altlasten zu entziehen, ist heuchlerisch. Die Auswahl der Argumente, die in der Diskussion um Blackfacing zugelassen werden wollen, können, (wie oben erwähnt die Auslegung der Definition von «Blackness») nicht bei der privilegierten, weissen Mehrheit liegen.

Von alledem hat man anscheinend weder beim ARD noch beim SRF noch nie etwas gehört. Nach qualvollen zehn Minuten erfolgt die Auflösung: Alle sind sie Schauspieler, alle haben sie ihn voll gelinkt! Ein sichtlich angespannter Röbi Koller schüttelt seinen Kollegen von der ARD, ruft ein «You’re crazy!» in die Kamera. Obwohl, wie er gleich darauf noch klärt, für ihn ja von Anfang an feststand, dass hier etwas nicht stimmen kann:

«Ich ha vo Aafang a dänkt, de gseht huere komisch us! Aber das chasch ame Schwarze jo nöd is Gsicht säge, dass er komisch usgseht!»

Aber ihn als ein Requisite in einen schlechten Sketch einbauen, das kann man. Alles klar.

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