Der Deutsche Heinrich Zschokke (1771-1848) hat den frühen Schweizer Liberalismus entscheidend mitgeprägt. Das Liestaler Dichter- und Stadtmuseum erinnert mit einer Ausstellung an Zschokkes Wirken.
«Das Getümmel und Feuer ward allgemein. Ich war allein, gab dem Pferde die Sporen und sprengte den meinigen nach, durch den Haufen der Insurgenten. Mehr als zwanzig Schüsse fielen auf mich gerichtet aus dem Haufen. Niemand war verwundet, niemand getödet.»
Die Szene ist hoch dramatisch und könnte leicht aus einem literarischen Jugendwerk Heinrich Zschokkes stammen. Doch in diesem Bericht an den Helvetischen Vollziehungsrat diktierte ihm das Leben den Text.
Die genannten Schüsse fielen am 4. Oktober 1800, als aufgebrachte Landschäftler aus Gemeinden des Bezirks Gelterkinden sich weigerten, die Bodenzinsen für die Jahre 1798 und 1799 zu bezahlen. Die Widerstandsbewegung ging in einen offenen Aufruhr über, und Zschokke der erst kurz zuvor als Regierungsstatthalter nach Basel gekommen war, konnte die Lage nur mithilfe französischer Truppen unter Kontrolle bringen.
Theaterautor und Doktor der Theologie
Die Rolle, die Zschokke im Baselbieter Bodenzinssturm notgedrungen zu spielen hatte, entsprach kaum derjenigen, in der er sich als junger Mensch und auch später sah.
Mit sechzehn Jahren – Zschokke hatte früh beide Eltern verloren – setzte er sich aus seiner Heimatstadt Magdeburg ab und träumte davon, seinen Weg als Theaterautor und Homme de lettre zu machen. Der Erfolg stellte sich aber erst mit der Zeit ein. In der Zwischenzeit studierte Zschokke Theologie und Philosophie in Frankfurt an der Oder. In der Folge wäre ihm auch eine universitäre Laufbahn möglich gewesen, doch die Ideen der Französischen Revolution lockten ihn in die Welt hinaus und auf andere Bahnen.
Mann der Helvetik und des Liberalismus
1795 überschritt Zschokke erstmals die Grenze zur Schweiz, die ihm zunächst ein Hort der Freiheit zu sein schien; mit der Zeit wurden ihm aber auch die hiesigen Herrschaftsstrukturen bewusst.
1796 finden wir Zschokke in Graubünden, wo er eine Privatschule leitete. 1798 stellte er seine Dienste dem neuen helvetischen Zentralstaat zur Verfügung und wirkte als Leiter des Büros für Nationalkultur, als helvetischer Kommissär und als Statthalter.
1802 liess sich Zschokke im Aargau nieder, wo er auch heiratete und eine Familie gründete. Im Kanton Aargau war er unter anderem als Forst- und Bergrat tätig, gehörte wiederholt dem Grossen Rat an, war Verfassungsrat und Tagsatzungsmitglied. Zudem engagierte er sich in zahllosen Ehrenämtern und Vereinigungen, die sich um Volksbildung und Volkswohlfahrt kümmern.
Erfolgreicher Publizist
Neben all dem fand Zschokke die Zeit und die Kraft, Zeitungen herauszugeben. Zu nennen sind hier etwa die Wochenzeitschrift «Stunden der Andacht zur Beförderung wahren Christenthums und häuslicher Gottesverehrung» (1809-1816) und insbesondere sein 1804 neulancierter «Aufrichtiger und wohlerfahrener Schweizerbote», für dessen Erscheinen in den Jahren 1798-1800 er ebenfalls zuständig gewesen. Der «Schweizer-Bote» war preiswert, weitverbreitet und lange die einzige liberale Zeitung für die einfache Bevölkerung. Zschokke ging davon aus, dass er mit seinen 2000 bis 3000 Abonennten rund 30’000 Leser erreichte.
Doch damit nicht genug: Zusätzlich schrieb Zschokke weiterhin Erzählungen und Romane, darunter auch den Bestseller «Das Goldmacherdorf» (1817), in dem aufgezeigt wird, wie die Einwohner eines Dorfes durch vernünftiges Wirtschaften zu Wohlstand gelangen.
Die Ausstellung zum Buch
Die Zschokke-Ausstellung ist in Aarau, wo Heinrich Zschokke ein fester Bestanteil der Geschichte und der Kultur ist, als Wanderausstellung konzipiert und zuerst auch im Aarauer Forum Schlossplatz zu sehen gewesen. Den Anlass dazu gab die monumentale Zschokke-Biografie von Werner Ort, die diesen Frühling im Aargauer Verlag hier + jetzt erschien.
Für das Liestaler Dichter- und Stadtmuseum wurde die Ausstellung um einige den Aargau betreffende Exponate verkleinert. Dafür hat Museumsdirektor Stefan Hess die Ausstellung um das Kapitel «Die Zschokkes und Baselland» ergänzt.
Hier lernen wir Zschokke nicht nur als Buhmann des Bodenzinssturms kennen, sondern auch als Mediator in den Basler Trennungswirren; seine Vorschläge, die unter anderem eine allgemeine Amnestie vorsahen, wurden allerdings von der Stadt abgelehnt.
Heinrich Zschokkes Söhne Emil und Julius waren eng mit Baselland verbunden. Der eine wirkte als Pfarrer im jungen Kanton, der andere als Jurist.
Wanderstock und Drucksachen
Die Ausstellung ist übersichtlich gegliedert, und kurze Einführungen machen die Besucherinnen und Besucher mit den verschiedenen Bereichen von Zschokkes Leben und Wirken bekannt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass unter den Exponaten zahlreiche Drucksachen zu finden sind. Nur auf die Ästhetik der Typografie vergangener Zeiten wollten sich die Ausstellungsmacher aber doch nicht verlassen: An Zschokkes Theatererfolg mit seiner Räuberstück «Abällino» etwa wird mit einer Reihe von kleinen «Bühnenbildern» erinnert.
Etwas überrascht entdeckt man unter den Exponaten auch einen Wanderstock. Gemäss der Überlieferung begleitete er Zschokke auf seinem Weg in die Schweiz. Uns erinnert er daran, was wir dem «Zuwanderer» und mit ihm vielen anderen alles verdanken.