Offene Grenzen, mehr Menschlichkeit und Herzen, Herzen, Herzen – so stellen sich Studenten die Zukunft vor. Im Rahmen eines Benefizprojektes wird an der FHNW derzeit an Utopien gebaut.
Auf Anna-Lena Spielers Laptop fliessen Herzen aus einer Pistolenmündung. Neben der Studentin sitzt ihr Dozent Jiri Oplatek und gibt Tipps, wie sich ihr Entwurf verbessern lässt. Es geht um Farben, Bildaufteilung, Schriftgrössen. Unter dem Entwurf steht der Slogan «Schöne neue Welt».
Herzen sind nicht gerade das, was einem zur weltpolitischen Lage zur Zeit einfallen würde, es sei denn ironisch. Derzeit dominieren Bilder von Stacheldraht, sinkenden Booten, gehetzten Flüchtlingen, Krieg, toten Kindern und ratlosen Politikern. Ganz anders im fünften Stock der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK), wo die Studentin sitzt. Dort wird nach vorne gedacht und an Utopien gearbeitet.
Studenten wollen negativen Bildern etwas entgegensetzen
Auf den Bildschirmen und in den Köpfen der Studenten entstehen gerade Bilder der «Welt von morgen». Das ist der Arbeitstitel des Projekts, an dem Anna-Lena Spieler und ihre Kommilitonen am Institut Visuelle Kommunikation der FHNW derzeit arbeiten – eine Idee der Dozenten Jiri Oplatek und Viola Diehl, die das Fach Imagination unterrichten.
«Wir wollen den Bildern der Flüchtlingskrise, die gerade das Weltgeschehen dominieren, etwas entgegensetzen», erklärt Oplatek. Die grundlegende Bedingung an seine Studenten ist dabei: Ihre Arbeit muss mit der Flüchtlingskrise zu tun haben, und sie muss eine positive Vision darstellen. Während des Projekts werden die beiden Dozenten vier Entwürfe auswählen, die öffentlich ausgestellt werden.
Herz ist Trumpf
«Boah, geil!», fanden die rund 30 Drittsemester die Idee. Und stellten dann fest, dass eine Utopie nicht so einfach ist. «Es ist sehr schwer, sich mit diesen ganzen Bildern im Kopf etwas Positives einfallen zu lassen», sagt Anna-Lena Spieler über das Projekt. «Wenn man nicht aufpasst, verkehrt sich der Entwurf doch ins Negative. Die falsche Farbe, schon ist es vorbei.»
Offener, herzlicher, menschlicher – so wünschen sich die Studenten der FHNW die Zukunft. In ihren Entwürfen finden sich geöffnete Vorhängeschlösser, zerbrochene Grenzbarrieren, blühende Gewehrkugeln, helfende Hände und jede Menge Herzen, darunter der Slogan «Schöne neue Welt» – der erste von vier Titeln, die in den nächsten Monaten ausgegeben werden.
Dieser Titel sei etwas schwierig, wenn man das gleichnamige (und übrigens sehr lesenswerte) Buch von Aldous Huxley kennt, findet eine Studentin, das mache aber nichts. Céline De Grenus und Aline Petrò haben gerade einem Portraitfoto, das sie an eine Stellwand gepinnt haben, eine goldene Krone aufgesetzt. Keine Ironie, beteuern sie. «Jeder ist ein König. Das sollte auch in jedem Kopf drin sein, ist aber leider nicht so!», finden sie.
Dem Bild dieses Herrn werden Sie ab dem 8. Oktober 2015 womöglich in Basel begegnen – an der Fassade der Kunsthalle Basel. (Bild: Céline de Grenus und Aline Petrò)
Daneben ein Kopf im Profil, gezeichnet mit einem Strich, darin ein kleines rotes Herz, schlicht wie eine Kinderzeichnung: Fabienne Schmutz hat ihren Entwurf gleich ausgedruckt und an einen Schrank geklebt. «Mit dem Herzen denken!», erklärt sie ihre Sichtweise, «im Moment wird zu viel wirtschaftlich gedacht, nicht menschlich. Es braucht ein Umdenken, mehr Offenheit.»
Kann man mit Bildern in die öffentliche Diskussion eingreifen? Ja, kann man, findet Jiri Oplatek. Mit ihrem Projekt wollen die Dozenten der FHNW auch ein Zeichen setzen. «Ein universelles Symbol wie das Peace-Zeichen zu erfinden, davon träumt natürlich jeder Künstler», sagt Oplatek und lacht. So hoch hinaus will er mit der «Welt von Morgen» jedoch nicht.
Offenheit, Humor und Integration
Auch auf den Bildschirmen von Lukas Blum und Cosimo Wunderlin steht ein grosses Herz, verbunden mit einem geöffneten Schloss und einer arabisch anmutenden Schrift. «Das offene Herz», sagen sie dazu, der Alternativentwurf zeigt zerbrochene Absperrbalken, die Grenzbarrieren symbolisieren sollten. Waffen, Barrieren, Schlösser, Zerbrochenes – ganz so einfach ist es wirklich nicht, sich eine positive Zukunft vorzustellen.
Einige Tische weiter hat David Zumbrum eine Frau mit Kopftuch zum Mittelpunkt seines Bildes gemacht. «Die Integration im Kopf» beschreibt er es. Mahmud Sahan versucht es mit Humor und hat eine Anzeige für ein Parfum entworfen. Bestandteile: 10 Prozent helfende Hände, 20 Prozent Lächeln, 20 Prozent Herz, 50 Prozent Menschlichkeit. Hoffnung zum Aufsprühen.
Der Duft der schönen neuen Welt: Mahmud Sahan hat sich zum Titel ein Parfum ausgedacht. (Bild: Daniela Gschweng)
Vier dieser Zukunftsvisionen sind in den kommenden Wochen und Monaten öffentlich zu sehen. Die erste steht mit dem Plakat von Céline De Grenus und Aline Petrò schon fest. Ab 8. Oktober wird «Schöne neue Welt» als Siebdruck auf den Plakatwänden des Schweizerischen Architekturmuseum S AM am Steinenberg öffentlich ausgestellt, die nächsten Arbeiten folgen am 30. Oktober, 20. November und 18. Dezember.
In der Buchhandlung der Kunsthalle wird man die Drucke, die das Basler Unternehmen Arni Siebdruck zum Materialpreis herstellt, auch kaufen können. Der Erlös wird zu 100 Prozent Flüchtlingen zugute kommen.