Technokratisch und städtebaulich höchst problematisch: Der Basler Stararchitekt Jacques Herzog kritisiert den Juryentscheid zum Wettbewerb für einen Neubau des Klinikums 2 des Basler Unispitals.
Solides Konzept, angemessene Höhenentwicklung, rücksichtsvoller Umgang und eine gewisse Nüchternheit: Begeisterung klingt anders. Vielleicht eher so: ein ausserordentlich innovativer Beitrag, beispielhafte Verankerung in die arealspezifischen Gegebenheiten, städtebaulich wie architektonisch hervorragend …
Wer den Jurybericht zum Projektwettbewerb für einen Neubau des Klinikums 2 des Universitätsspitals Basel liest, wird überrascht: Nicht etwa der in den höchsten Tönen gelobte Vorschlag von Herzog & de Meuron, sondern das sehr zurückhaltend taxierte Projekt des Zürcher Architekturbüros giuliani.hönger ag wurde zum Wettbewerbssieger gekürt und zur Weiterbearbeitung empfohlen.
Aus architektonischer und städtebaulicher Sicht scheint die Jury des Projektwettbewerbs für den Neubau des Klinikums 2 des Universitätsspitals Basel selber nicht richtig hinter ihrem Entscheid zu stehen. So werden im Jurybericht am siegreichen Projekt so wesentliche Aspekte krtitisiert wie Fassadengestaltung, Gebäudehöhe und Bezug zur historischen Bebauung im Umfeld des Neubaus.
Auch in der Öffentlichkeit werden langsam kritische Worte laut. So liess sich zum Beispiel der SP-Grossrat Daniel Goepfert in der «Basler Zeitung» mit den Worten zitieren, dass in diesem Fall die einheimischen Architekten von Weltformat abgestraft worden seien.
Jacques Herzog, der mit dem Projektvorschlag seines Architekturbüros Herzog & de Meuron im Wettbewerb nur auf Platz zwei landete, kritisiert den Entscheid der Wettbewerbsjury als technokratisch. Hier sei die Generationenchance verpasst worden, einen Unort in einen wunderbaren Ort zu verwandeln, sagt er im Interview mit der TagesWoche.
Wie würden Sie die Hauptmerkmale Ihres Wettbewerbbeitrags mit dem Titel «Kazwei» umschreiben?
Jacques Herzog: Als Architekt muss man sich auf seine Stärken besinnen und die liegen nun mal in der Architektur und im Städtebau. Dass man sich dabei an die Programmrichtlinien hält, ist eine Selbstverständlichkeit: Das Projekt, ob es sich nun um ein Spital, ein Museum oder einen Wohnbau handelt, muss letztlich funktionieren. Im Vordergrund steht aber das Gebot, dass ein Projekt mit der städtischen Umgebung verträglich ist, dass es eine städtebauliche Qualität aufweisen muss – vor allem, wenn es sich um einen solch sensiblen Ort in der Altstadt handelt mit der Predigerkirche und dem Petersgraben. Beim heutigen Bau des Klinikums 2 aus den 1970er-Jahren mit seinem Bettenturm und seinem unsäglichen Eingangsbereich am Petersgraben handelt es sich um eine absolute Katastrophe.
Und diese Situation wollten Sie mit ihrem niedrigen Baukörper verbessern?
Die Neubebauung des Areals ist eine Generationenchance, einen Unort in einen wunderbaren Ort zu verwandeln – zusammen mit dem zurecht denkmalgeschützten Altbau des Klinikums 1 von Hermann Baur und der schönen Parkanlage. Für uns war klar, dass es sich um einen sehr schwierigen Wettbewerb handelt. Wir sahen unsere Hauptaufgabe darin, die grosse Programmvorgabe trotz der beschränkten Platzverhältnisse mit der Massstäblichkeit des sensiblen Altstadtbereichs in Einklang zu bringen. Wir haben also eine äusserst flache Bettenanlage gewählt, ähnlich wie wir es für das Rehab-Projekt und den Neubau des Kinderspitals Zürich mit Erfolg getan haben. Darum ist unser Projekt das einzige, das um einiges niedriger ist als das jetzige und erst noch mehr Parkfläche anbietet.
Ein Hochhaus an dieser Stelle wäre Ihrer Meinung nach also fehl am Platz?
Ja, und das sage ich als Vertreter eines Architekturbüros, das bekanntlich viele Hochhäuser baut. Wenn man die Chance hat, den hässlichen Bettenturm von heute verschwinden zu lassen, sollte man doch nicht einen neuen bauen. Aus städtebaulicher Sicht ist ein neuer Turm an diesem Ort völlig unverständlich.
Die Wettbewerbsjury lobt die Architektur und die städtebaulichen Aspekte Ihres Entwurfs in den höchsten Tönen, schreibt aber, dass diese die technischen Mängel nicht aufwiegen könnten. Haben Sie hier zu wenig getan?
Wir arbeiteten mit Spitalplanern zusammen und hätten bestimmt auf die Einwände reagieren können. Es handelte sich um ein zweistufiges Verfahren, wir haben aber von der Jury nach dem ersten Durchgang keinerlei Informationen über Mängel erhalten. Ich bin überzeugt, dass funktionelle Mängel wesentlich leichter zu beheben wären als architektonische oder städtebauliche Fehler. Beim Bauvolumen des Siegerprojektes mit dem viergeschossigen Riegel entlang des Petersgrabens und seinem Bettenturm, der einer unglaublichen Massstabsverletzung gleichkommt, lässt sich nichts mehr verändern. Mehr als Kosmetik bei der Fassadengestaltung liegt nicht mehr drin.
Demnach war es ein technokratischer Entscheid der Wettbewerbsjury?
Absolut. Es handelt sich um einen rein technokratischen Entscheid über ein Bauvorhaben, das rund eine Milliarde Franken kostet und städtebaulich von höchster Wichtigkeit ist.
Ist auch etwas verletzter Stolz im Spiel, dass Ihr Projekt nicht Wettbewerbssieger wurde?
Nein darum geht es mir nicht, wir können nicht jeden Wettbewerb gewinnen. Mir geht es darum, dass hier städtebaulich ein grosser Fehler begangen wird.
Auch in der Öffentlichkeit wird Kritik am Wettbewerbsresultat laut. In der «Basler Zeitung» mutmasst SP-Grossrat Daniel Goepfert, dass hier «einheimische Architekten von Weltformat» abgestraft worden seien. Teilen Sie diese Auffassung?
Das kann und will ich nicht kommentieren. Ich hoffe nicht, dass dies der Fall ist.
Werden Sie sich gegen den Wettbewerbsentscheid wehren?
Wir können das natürlich nicht. Das wäre jetzt eigentlich Aufgabe des Heimatschutzes, der so vehement gegen unser Messeneubauprojekt opponiert hat.
Und die «Aufgabe» wird der Heimatschutz wahrnehmen, wie der Präsident des Basler Heimatschutzes im Interview mit der «Basler Zeitung» vom Donnerstag sagt (erschien nach dem Gespräch mit Herzog): «Wir werden alles daran setzen, um diesen Turm zu verhindern, und allenfalls Einsprache gegen das Bauprojekt machen», zitiert die BaZ den Präsidenten Robert Schiess: «Das einzige Projekt das architektonisch und städtebaulich überzeugt, stammt von Herzog & de Meuron.»