«Hier spricht die Polizei» – und keiner hörts

Bei Demonstrationen setzt die Polizei in der Schweiz auf das Megaphon und auf persönliche Gespräche. Die Londoner Polizei hingegen nutzt längst Twitter & Co, um mit Demonstranten zu kommunizieren.

Per Lautsprecher auf dem Polizeifahrzeug versuchte sich die Basler Polizei auf dem Messeplatz Gehör zu verschaffen. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Bei Demonstrationen setzt die Polizei in der Schweiz auf das Megaphon und auf persönliche Gespräche. Die Londoner Polizei hingegen nutzt längst Twitter & Co, um mit Demonstranten zu kommunizieren.

Manchmal bemüht sich die Polizei vergeblich, wie an der illegalen Party auf dem Messeplatz am vergangenen Freitagabend. Dies sei die letzte Warnung. Wer sich danach noch auf dem Platz aufhalte, mache sich strafbar, so die Lautsprecherdurchsage.

Nur gehört hat die Botschaft kaum einer der Party­teilnehmer. Zu laut war die Musik. «Um möglichst viele zu erreichen», plädiert die Basler Strafrechtsprofessorin Nadja Capus dafür, neue Kommunikationswege zu nutzen. Gerade bei spontanen Aktionen, die sich häufig über soziale Medien formierten, könnte die Polizei auf eben diesen Kanälen mit den Teilnehmern in Verbindung treten. So könnten die Ordnungshüter mehr Menschen erreichen als mit dem Megafon.

London setzt längst auf Twitter & Co

Das hat man in London längst erkannt. Für die Metropolitan Police ist es Alltag, bei Demonstrationen via Twitter und Facebook mit Demonstranten zu kommunizieren, wie London-Korrespondent Hanspeter Künzler für die TagesWoche recherchierte. Man bemühe sich, die Demonstranten dazu zu bewegen, Twitter-Feeds zu folgen. Diese werden dazu benutzt, vor Flaschenhälsen und Krisenherden zu warnen – oder darauf hinzuweisen, dass die Demo bald zu Ende sei, ja sogar um die besten Transportmöglichkeiten zu nennen.

Bei illegalen Demos hingegen hat selbst die Londoner Polizei noch nie auf Facebook oder Twitter gesetzt. Grundsätzlich gelte aber: Es werde von Fall zu Fall entschieden, welche Mittel sich am besten eignen, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Soziale Medien würden dabei auf keinen Fall ausgeschlossen, so der Polizeisprecher.

Neuland für Schweizer Ordnungshüter

Davon ist die Schweiz noch weit entfernt. Hier nutzt die Polizei die sozialen Medien noch zurückhaltend. In Bern etwa rekrutiert sie den Nachwuchs über Facebook. Bei Einsätzen dagegen ist es «in ­aller Regel das persönliche Gespräch mit den ­betroffenen Personen». Auch die Basler Polizei bewertet Twitter und Facebook bei unbewilligten Demonstrationen als un­taugliche Kommunikationsmittel, da die Polizei ja nur die anwesenden Personen ansprechen wolle.

Und selbst die Zürcher Stadtpolizei, die Twitter ­einsetzt, nutzt diesen Kanal nicht, um bei gewalt­tätigen Demonstrationen abzumahnen. Wenn es pressiere, sei es nicht sinnvoll, über soziale Medien zu warnen, sagt Pressesprecherin Brigitte Vogt. Zudem könne sich eine Aufforderung via ­Twitter als kontraproduktiv erweisen. Dann nämlich, wenn Unbeteiligte die Tweets lesen und sofort zum Brandherd rasen würden, um zu sehen, wie es ­«räblet», oder, noch schlimmer, um sich auch noch einzumischen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.06.13

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