Seit 30 Jahren kümmert sich die Aids-Hilfe beider Basel (AHbB) um Betroffene. Wie sich ihre Arbeit verändert hat, zeigt ein Blick in die Chronik.
Auch nach 30 Jahren folgt auf die HIV-Diagnose immer noch dieselbe Frage: Wie geht es jetzt weiter? Aber heute könne sie den Betroffenen eine andere Antwort geben, erzählt Carla Schuler. Ende 1992 ist sie vom Basel Lighthouse, einem Hospitz für Aidskranke, zur Aids-Hilfe beider Basel (AHbB) gestossen und leitet bis heute das Beratungsangebot des Vereins. «Früher hatten wir medizinisch kaum etwas zu bieten. Deshalb ging es bei der Beratung und Betreuung vor allem darum, dafür zu sorgen, dass die Leute möglichst lange zu Hause bleiben und da optimal versorgt werden können.» Es sei klar gewesen, dass sich der Zustand der Infizierten in der Regel verschlechtern würde.
Als 1981 die ersten Krankheitsfälle auftraten und immer mehr schwule Männer erkrankten, reagierte die homosexuelle Arbeitsgruppe Basel (habs) und gründete 1984 – ein Jahr nach dem ersten Nachweis des HI-Virus – die Aids-Arbeitsgruppe. Aus dieser entstand 1986 mit Geldern der Kantone Basel-Stadt und Baselland und dank vieler Spenden die Aids-Hilfe beider Basel. Diese verteilte saubere Spritzen und Kondome an Drogenkonsumierende und bot telefonische Beratung an. Allen Anstrengungen zum Trotz nahmen die Neuansteckungen zu: 1988 infizierten sich schweizweit 1000 Menschen mit dem Virus.
Mit der Eröffnung der Frauenoase und der gezielten Präventionsarbeit bei schwulen Männern legte die AHbB 1994 das Fundament für ihr heutiges Angebot: Drogenkonsumierende, Sexarbeitende und Männer, die Sex mit Männern haben, gehören auch heute noch zu den besonders gefährdeten Gruppen.
Eine statt drei Tabletten pro Tag
In den Neunzigerjahren kamen auch die ersten antiretroviralen Medikamente auf den Markt – am Anfang noch mit erheblichen Nebenwirkungen. Schuler half ihren Kundinnen und Kunden damals bei der Organisation der Medikamenteneinnahme: «Die Leute mussten ihre Medikamente dreimal täglich alle acht Stunden pünktlich einnehmen.» Meist sei es darum gegangen, eine Strategie zu entwickeln, wie sie das möglichst unauffällig tun konnten. «Wenn jemand immer zur gleichen Zeit auf die Toilette verschwindet, fällt das auf.» Eine Frau sei Flight Attendant gewesen, erinnert sich Schuler. Durch den dauernden Wechsel zwischen den Zeitzonen sei es für sie besonders schwierig gewesen, die Tabletten regelmässig einzunehmen.
«Die Diagnose HIV ist heute kein medizinisches Todesurteil mehr – aber immer noch ein belastendes Stigma.»
Heute ist es einfacher: Eine Tablette pro Tag reicht aus, um das HI-Virus in Schach zu halten. Wer die Therapie nach Plan durchführt, ist nicht mehr ansteckend. Die Bevölkerung ist dank Präventionskampagnen sensibilisierter und weiss, wann die Gefahr besteht, sich anzustecken. Trotzdem würde Schuler raten, sich eher zurückhaltend zu outen: «Schon eine einzige schlechte Reaktion kann für die Betroffenen sehr schlimm sein.» Vor allem am Arbeitsplatz seien die Reaktionen der Kollegen unberechenbar. In ihrer Beratung geht es deshalb auch darum, wie Betroffene ihre Privatsphäre gegenüber dem Arbeitgeber wahren können.
Kein Grund zum Jubeln
«Die Diagnose HIV ist heute kein medizinisches Todesurteil mehr – aber immer noch ein belastendes Stigma», schreibt auch Franziska Reinhardt, die Präsidentin der AHbB in der Jubiläums-Broschüre. Der Verein kämpft noch immer gegen die Ausgrenzung HIV-infizierter Personen – und gegen Neuansteckungen. Vergangenes Jahr infizierten sich in der Schweiz 552 Menschen mit dem HI-Virus, die beiden Basel verzeichnen 23 Fälle. Ansteckungen mit anderen sexuell übertragbaren Geschlechtskrankheiten wie Syphilis, Tripper und Chlamydien nehmen zu — vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben.
Durch die Verknüpfung von Medizin und Prävention will die AHbB mehr Personen erreichen. Seit neun Monaten beispielsweise stellt der Verein den Sexarbeiterinnen ein Angebot zur Verfügung, wo sie sich gynäkologisch untersuchen und gleichzeitig auf HIV testen lassen können. Auch für Männer gibt es seit 2012 ein Gesundheitszentrum, wo sich die Zielgruppe niederschwellig beraten, behandeln oder impfen lassen kann.