Holz ist sein Element

Tibor Repas ist geistig behindert. Mit seinen Skulpturen drückt er aus, was er mit der Sprache nicht sagen kann.

Repas präsentiert eines seiner Werke.

(Bild: Eleni Kougionis)

Tibor Repas ist geistig behindert. Mit seinen Skulpturen drückt er aus, was er mit der Sprache nicht sagen kann.

Wenn Tibor Repas über seine Skulpturen spricht, leuchten seine Augen. Seit über 30 Jahren arbeitet er in der Holzwerkstatt vom Sonnenhof Arlesheim am Standort Basel, früher Verein Jugend und Familie (Jufa).  

Aus einem Stapel Fotos kramt er das Bild seiner ersten Holzkugel hervor. Dann zeigt er, wie er das Holz zu einer Kugel formt. Mit Schnitzmesser und Schablone. «So habe ich es gelernt», sagt er.

Beim Arbeiten mit dem Holz merkt man Repas nicht an, dass er eine geistige Beeinträchtigung hat. Denn im Alltag fällt es dem 49-Jährigen schwer, sich auszudrücken. Seine Gedanken purzeln, die Stimme knarzt und stockt. Manches verstehen nur die Leute, die ihn seit Jahren kennen.



Die Fotosammlung, die die wichtigsten Skulpturen enthält.

Die Fotosammlung, die die wichtigsten Skulpturen enthält. (Bild: Eleni Kougionis)

Wie der Leiter der Holzwerkstatt Samuel Lacher. Dieser ergänzt, fügt an und übersetzt, wo Repas die Wörter zu stark verkürzt. «Wenn Tibor am Holz arbeitet, vergisst er alles um sich herum», sagt Lacher. Er arbeitet alleine unter dem Unterstand vor der Werkstatt – auch wenn es kalt ist und regnet. «Mit Strumpfhosen», ergänzt Repas.

Zwischendurch komme er in die Werkstatt und frage, wie er weiterschnitzen soll, erklärt Lacher. «Er braucht hin und wieder einen Input.» Die Leute, die an ihm vorbeigehen, würden manchmal auch stehen bleiben. Es mache Repas stolz, wenn er anderen seine Arbeit zeigen könne.

Krokodil und Bohrer

«Er ist ein sehr geduldiger und exakter Arbeiter.» Repas nickt eifrig und zeigt weitere Bilder von seinen Skulpturen: ein Krokodil aus Eibenholz. «Das habe ich mir schon lange gewünscht, ein Krokodil zu machen», ergänzt Repas.

Das Krokodil sowie eine zwei Meter hohe Spirale aus Holz («Bohrer» sagt Repas dazu) hat seine Schwester von der Werkstatt gekauft. Sie stehen im Garten ihres Hauses im solothurnischen Balsthal.

Repas schnitzt nicht nur Skulpturen. Er macht auch Salatbesteck, Kellen – und zimmert Stühle und Bänke. Er weiss, wie man schwere Maschinen bedient. Mittlerweile sei er so etwas wie der Vorarbeiter für die anderen betreuten Mitarbeiter, erklärt Lacher. «Tibor ist ja schon seit 1976 hier, damals war ich gerade zwei Jahre alt.» Repas lacht und zeigt auf den Werkstattleiter: «Du, zwei Jahre!»



Tibor beim Arbeiten in der Jufa.

Am liebsten arbeitet Repas an der frischen Luft – im Winter und wenn es regnet unter seinem Unterstand. (Bild: Eleni Kougionis)

Verletzungen gebe es selten in der Holzwerkstatt, sagt Lacher. Nur hin und wieder einen «Spriesse» oder einen harmlosen Schnitt. Zum Glück! Wie Repas erzählt, hat er sich einmal beim Holzhacken eine Axt ins Bein gehauen. Die Wunde sei dann aber nicht tief gewesen. Lacher ergänzt: Das sei schon sehr lange her, heute würden die Betreuten solche Arbeiten nur mit Schutzhosen erledigen.



Am liebsten arbeitet Repas an der frischen Luft – auch im Winter und wenn es regnet.

Bei der Arbeit vergisst Repas die Zeit. (Bild: Eleni Kougionis)

Repas zählt auf, was er sonst noch alles an seinem Arbeitsplatz erledigt: Velos putzen und reparieren, Glas entsorgen und Abfall sammeln im anliegenden Rosenfeldpark. Sein grosses Hobby sei im Moment das Fotografieren. Er fotografiert auf Festen, auch Blumen und Tiere.

Am meisten Spass macht ihm aber die Holzarbeit. Lacher meint: «Er identifiziert sich voll und ganz mit seiner Arbeit.» Wenn die Leute über seine Werke staunen und ihn loben, gebe ihm das ein supergutes Gefühl.

Das Besteck und die Skulpturen von Repas lassen sich beim Sonnenhof erwerben.

Repas wohnt bei seiner Mutter im Kleinbasel. Sobald die Mutter ins Altenheim geht, muss er jedoch ausziehen. In ein Wohnheim will er nicht. Dort fühlt er sich weniger wohl als bei der Familie. Wegziehen – bei diesem Thema verstummt Repas. Wie wird das, an einem neuen Ort, weg von seiner Mutter? Repas schaut nach unten und überlegt: «Das ist schwer.»

Am liebsten möchte Repas bei seiner Schwester wohnen, wo bereits seine Holzskulpturen stehen. Unklar ist noch, wann es so weit sein wird und wo er dann arbeiten kann. Vielleicht kann er keine Skulpturen mehr schnitzen. Kein Problem, sagt Repas. Er möge auch andere Dinge. Zum Beispiel Rasenmähen.

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