Was wurde da nicht richtig verstanden? Konrad Hummler gibt das NZZ-Präsidium nicht ab. Er überlässt es Krisenmanager Franz Steinegger nur solange, bis sich die Wegelin-Affäre abgekühlt hat.
«Konrad Hummler gibt das NZZ VR-Präsidium ab», heisst der Titel der Meldung auf «Tages-Anzeiger» online. Da wurde offenbar etwas nicht ganz richtig verstanden. Wahr ist ziemlich das Gegenteil: Der geschäftsführende Teilhaber der Bank Wegelin, der seine Bank vor zehn Tagen unter dem Druck einer angekündigten Klage der USA wegen Anstiftung zu Steuerhinterziehung in einer Notaktion an die Raiffeisen Gruppe verkauft hat, will offenbar Verwaltungsratspräsident der NZZ-Gruppe bleiben. Der Banker ist momentan überlastet. Und die Zeitung hat mit dem begeisterten Kämpfer für die Rechte von internationalen Steuerhinterziehern zunehmend Glaubwürdigkeitsprobleme. Deshalb hat der Verwaltungsrat die Leitung «ad interim» Franz Steinegger übertragen.
Das Schreiben an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NZZ-Gruppe erweckt den Eindruck, Konrad Hummler werde im Landesinteresse als Problemlöser freigestellt. Im O-Ton: «Die rechtlichen Auseinandersetzungen im Steuerstreit zwischen den USA und der Schweiz erfordern den Einsatz sämtlicher physischen und intellektuellen Kräfte. Um den nötigen Freiraum dafür zu gewinnen, habe ich den Verwaltungsrat der AG für die Neue Zürcher Zeitung ersucht, das Amt des Präsidium ad interim in andere Hände zu legen».
Da wird die Tatsache verwedelt, dass Hummler die existentiellen Probleme, die der Schweizer Finanzplatz gegenwärtig hat, massgeblich mitverursacht hat: Als Chef der Bank Wegelin, die nach 2008 von der UBS ausgebootete US-Steuerhinterzieher angeworben hat. Und als Publizist, der mit Landsturmparolen für ein radikales Bankgeheimnis dazu beitrug, die Stimmung im Ausland gegen die Schweiz aufzuheizen.
Hummler will die NZZ umbauen
Normalerweise würde der VR-Präsident einer Mediengruppe in Hummlers Situation zurücktreten mit dem guten Argument, er wolle der Zeitung Probleme ersparen. Aber Konrad Hummler ist nicht wie seine Vorgänger einfach Ehrenvorsitzender eines stillen Aufsichtsgremiums. Der St. Galler Banker steht für eine kommerzielle und politische Neuausrichtung der Gruppe. Kommerziell geht es um den Umbau der von der Entwicklung im Mediengeschäft überrollten Print-Zeitung in einen rentablen Multimediakonzern.
Politisch zeigt die NZZ unter Hummler den Ehrgeiz, sich über Parteigrenzen hinweg als wirtschaftsnahe, radikal-liberale, staatskritische Stimme zu profilieren. Hummler bewegt sich seit Jahren in ultrakonservativen und radikal-liberalen Kreisen, die jetzt dafür kämpfen, dass er an der Spitze der NZZ bleibt. Man hofft, die unschöne Wegelin-Geschichte kühle sich in absehbarer Zeit ab. Franz Steinegger soll den Thron warm halten, bis der «Präsident» wieder regierungsfähig ist. Nichts-für-ungut, sagt man da in Bern: Das erinnert etwas an den Medwedew-Putin-Spielzug.
Aber vielleicht kommt ja alles anders: Wenn Konrad Hummler in den nächsten Monaten in der Aufarbeitung der Wegelin-Bredouille irreparablen Schaden nehmen sollte, könnte der erprobte Krisenmanager und Präsident der FDP in erfolgreicheren Zeiten für die NZZ plötzlich mehr als nur als Lückenfüller dienen.