«Ich möchte, dass die ganze Schweiz von Telebasel spricht»

In ihrem Antrittsinterview sorgte Karin Müller zunächst mit dem Versprecher «Telebasel – das isch Züri» für Aufsehen. Nach drei Monaten im Amt als Telebasel-Chefredaktorin spricht sie nun erstmals über ihre inhaltlichen Pläne und darüber, wen das Basler Lokalfernsehen künftig als Zielpublikum im Auge hat.

Neue Sendungen, neue Studios, mehr Zuschauer: Karin Müller will, dass sich bei Telebasel alles verändert – und der Sender dennoch sich selber bleibt. (Bild: Hans-Joerg Walter)

In ihrem Antrittsinterview sorgte Karin Müller zunächst mit dem Versprecher «Telebasel – das isch Züri» für Aufsehen. Nach drei Monaten im Amt als Telebasel-Chefredaktorin spricht sie nun erstmals über ihre inhaltlichen Pläne und darüber, wen das Basler Lokalfernsehen künftig als Zielpublikum im Auge hat.

Seit drei Monaten ist Karin Müller im Amt, und der Stiftungsrat von Telebasel erwartet einiges von seiner neuen Chefredaktorin. Unter ihr soll der Fernsehsender künftig eine «Multi-Channel»-Strategie verfolgen, also auch online präsenter werden.

Auch inhaltlich will die 49-Jährige, die unter anderem das Zürcher Radio 24 und das Luzerner Radio Pilatus leitete und während vieler Jahre die Stimme der DRS3-«Morgenshow» war, einige Dinge verändern, um den Sender zu profilieren und populärer zu machen. Karin Müller will in Zukunft mehr Zuschauer erreichen und deshalb Sendungen für «eine Familie, die in Baselland mit zwei Kindern lebt» machen. Dort wohnt die gebürtige Baselbieterin auch selber wieder: im Haus, in dem sie einst aufwuchs. Wir haben sie in einer Beiz in Aesch zum Interview getroffen.

Sie sagten einmal, Sie würden am liebsten Ihr ganzes Leben lang Radio machen. Jetzt sind Sie beim Fernsehsender Telebasel. Was ist passiert?

Für mich ist es ein Wechsel von Chefredaktion zu Chefredaktion. Jetzt ist das Bewegtbild im Vordergrund. Im Kern geht es aber immer darum, dass wir Geschichten erzählen. Beim Radio genauso wie jetzt bei Telebasel.

Karin Müller
Ihre Medienkarriere begann die gebürtige Aescherin in Basel. Neben ihrem Studium in Medienwissenschaften, Germanistik und Hispanistik arbeitete sie als Moderatorin bei Radio Basilisk. Danach wechselte sie zum Radio DRS, wo sie als Morgenstimme von DRS 3 schweizweit bekannt wurde.
Führungserfahrung erwarb sie sich als Programmleiterin von Radio Pilatus in Luzern sowie als Geschäftsführerin und Chefredaktorin von Radio 24 in Zürich. Zuletzt wirkte sie als Programmdirektorin von Hitradio RTL bei BCS Sachsen.
Fern­seherfahrung sammelte Karin Müller als Moderatorin und Redaktorin bei «Kulturzeit» von 3sat.

Das Radiobusiness kennen Sie aus allen Perspektiven. Das Fernsehgeschäft vor allem als Zuschauerin.

Sie haben vielleicht vergessen, dass ich geholfen habe, die Sendung «Kulturzeit» bei 3sat aufzubauen. Ich gehörte dort zum ersten Team. Zudem wachsen die Medien immer mehr zusammen. Wir bilden heute trimediale Journalisten aus, weil es das braucht. Und ich freue mich auf die Zeit, wenn ich Kameramänner bei ihrer Arbeit begleiten kann und auch jenen Teil der Arbeit kennenlernen kann, der mir noch nicht so bekannt ist.

Wenn Ihnen jemand vor zehn Jahren prophezeit hätte, dass Sie dereinst bei Telebasel als Chefredaktorin arbeiten würden – hätten Sie das geglaubt?

Alle meine bisherigen Stationen hatte ich nicht erwartet. Heute finde ich es den idealen Moment, um bei Telebasel zu sein. Wir sind angestellt für Journalismus, haben Mittel, sind gut abgestützt, und wir sind unabhängig. Wie toll ist denn das, im Jahr 2015! Und ich bin wild entschlossen, gemeinsam mit meinem Team das Bestmögliche rauszuholen. Ich möchte, dass die ganze Schweiz von diesem Telebasel spricht.

Wie wollen Sie das erreichen?

Mit guten Inhalten.

Können Sie da genauer werden?

In meiner ersten Ausbildungslektion sagte uns der Ausbildner: «Ihr meint, ihr könntet die Wahrheit herausfinden. Journalismus ist aber immer eine Verzerrung der Wirklichkeit. Also versucht, euch der Wahrheit so weit wie möglich zu nähern.» Es ist das Schöne an dem Job, dass wir jeden Tag etwas Neues herstellen können. Und es ist auch das Anstrengende, denn es hört nie auf, und damit ist auch eine grosse Verantwortung verbunden.

Bei Ihrem Antrittsinterview waren Sie offensichtlich nervös. Ihr Versprecher «Telebasel – das isch Züri» sorgte schweizweit für Schlagzeilen. Woher kam diese Anspannung?

Wenn ich an einem neuen Ort beginne, habe ich auch sehr viel Respekt vor dieser Aufgabe und davor was das Team bereits geleistet hat. Vielleicht hätte man die Sendung aufzeichnen müssen. Ich wollte das aber live machen, weil es authentischer ist. Ein gewisses Lampenfieber gehört aber dazu, das hatte ich auch beim Radio vor jeder Sendung.

Lassen Sie uns über das Publikum sprechen. Wie sieht denn der Zuschauer von Telebasel aus?

Das ist eine Familie, die in Baselland mit zwei Kindern lebt und alle Herausforderungen des Alltags kennt. Da ist eine Beziehung, die Arbeitsstelle, die Erziehung. Dieses Bild haben wir in den vergangenen drei Monaten gemeinsam erarbeitet. Und danach wollen wir uns in Zukunft ausrichten, wenn wir Beiträge und Sendungen gestalten.

Das heisst, Telebasel wird zum Stadtfernsehen, das für Leute auf dem Land sendet?

Wenn wir mehr Zuschauer gewinnen wollen, dann finden wir diese auch auf dem Land. Wir müssen vom Kleinbasel bis ins Fricktal berichten. Dieser Spagat zwischen Stadt und Land, das ist die grosse Herausforderung jedes regionalen Senders.

«Wir müssen vom Kleinbasel bis ins Fricktal berichten.»

Ist das eine Familie, die für oder gegen die Kantonsfusion gestimmt hat?

Das ist eine Musterfamilie. Telebasel muss sowohl für die Befürworter als auch die Gegner der Fusion etwas im Angebot haben.

Was braucht es dafür?

Ein geschicktes Themensetting. Das ist der tägliche Kampf, ein Menü herzustellen, welches möglichst viele Leute begeistert und informiert. In meinen Augen ist es der Auftrag der Medien, zu einem besseren Verständnis und zu mehr Integration beizutragen. Diesen Standpunkt habe ich immer vertreten, und das mache ich auch jetzt.

Telebasel-Geschäftsleiter Dominik Prétôt begründete Ihre Anstellung vor allem mit Ihren kostengünstigen und kreativen Verbesserungsideen. Bisher sind für mich als Gelegenheitszuschauer keine Veränderungen erkennbar.

In den vergangenen Wochen haben wir stark am Nachrichtenmagazin «7vor7» gearbeitet. Es hat jetzt einen anderen Ablauf, andere Elemente, und auch den Schluss haben wir überarbeitet. Ich möchte auch mehr harte Fakten und Recherchen. Wir sind auf dem Weg dahin. Und die Männer, das ist ein Detail, dürfen jetzt ihr Jacket vor der Kamera auch offen tragen.

Zu Ihrem Auftrag gehört auch, dass Sie Telebasel zu einem Multi-Channel-Sender ausbauen. Was soll sich ändern?

Wir wollen die Inhalte von Telebasel zusätzlich über unseren Webauftritt und mit Social Media verbreiten und tagesaktuell berichten. Die Grundlagen dafür erarbeitet Linus Pauls, der Leiter Operations, mit seinem Team und der Redaktion. Bereits jetzt suche ich dafür geeignete Mitarbeitende.

Wo zeigt sich die neue Chefredaktorin bei Telebasel für die Mitarbeiter?

Den ganzen Tag, denke ich. Ich nehme auch an der ersten Redaktionssitzung am Tag teil.

Man sieht Sie.

Ja, genau. Ich nehme jeden «Report» ab, unsere Hintergrundsendung. Wir haben neu Plenarsitzungen, an denen alle teilnehmen und sich einbringen können. Wir arbeiten viel an den bestehenden Sendungen, und ich bin daran, neue zu entwickeln.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal richtig geärgert?

Bisher noch nie. Wirklich wütend werde ich nur, wenn sich jemand illoyal gegenüber dem Team oder dem Unternehmen verhält. In den letzten zehn Jahren gab es zwei, drei solche Momente. Ich gehe immer vom Guten aus, und das lebe ich auch.

Viele Sendungen wirken etwas angestaubt und altbacken. Wie wollen Sie das verändern?

Das neue «7vor7» ist ein gutes Beispiel, schauen Sie es sich an.

Das habe ich gestern Abend getan und es mit einer Sendung vom vergangenen September verglichen. Unterschiede sind mir einzig bei den Themen aufgefallen, auch der Moderator war ein anderer.

Die Sendung ist insgesamt sicher dynamischer geworden. Aber die grossen Veränderungen werden sich nach dem Sommer zeigen. Im Februar wechseln wir auf HD. Später soll «7vor7» ein neues Studio bekommen, auch der «Salon Bâle» und die «Telebar». Es bleibt nichts wie bisher.

Alles wird anders?

Bleibt ein Medientitel stehen, ist das der Untergang. Wir wollen mehr Zuschauer erreichen als bisher. Also müssen wir uns verändern. Es wird mehrere neue Sendungen geben. Im Kern soll Telebasel dabei aber sich selber treu bleiben. Der Veränderungsprozess wird noch mindestens bis nächstes Jahr dauern. Danach kann ich mich hoffentlich ganz um Inhalte kümmern, um Filme, Geschichten und Journalismus.

Was für ein Sender wird denn Telebasel in zwei Jahren sein?

Ich habe ein Bild im Sinne einer Vision. Ich möchte gerne, dass Telebasel künftig selbstverständlich zum täglichen Medienkonsum dazugehört.

Die Konkurrenz ist ja immens.

Und gleichzeitig haben wir immense Möglichkeiten. Wir können Hintergrundsendungen machen, wir sind nahe bei den Leuten und haben die Geschichten aus erster Hand. Wir wollen ein unaufgeregtes und seriöses Angebot machen. In einer Zeit, in der wir online Enthauptungsvideos anschauen können, im Netz Absender und Quellen immer mehr verschwimmen, liegt darin der Wert von Medien. Und ich denke in Zukunft wird das noch weiter an Bedeutung gewinnen.

Und weshalb sollen die Zuschauer in zwei Jahren Telebasel einschalten?

Sie schalten jetzt bereits ein, und ich hoffe, es werden noch mehr. Ich möchte, dass die Region auf den Sender stolz ist und Telebasel gern hat. Wir wollen die Leute in ihrem Alltag bereichern. Das ist bereits jetzt so und wird in Zukunft hoffentlich noch zunehmen.

«Ich möchte, dass die Region auf den Sender stolz ist und Telebasel gern hat.»

Wir sitzen hier in einer Beiz in Aesch, wo Sie aufgewachsen sind. Ist das für Sie auch eine Art Heimkehr?

Es ist eine doppelte Heimkehr. Einerseits zu meiner Familiengeschichte, die ersten Erinnerungen sind ja häufig die stärksten. Mir kommen dauernd solche Bilder in den Sinn. Zuletzt, als es im Rhein eine kleine Verschmutzung gab, musste ich an Schweizerhalle denken. Ich lebte damals im Kleinbasel und musste mit einem Schal um den Kopf einkaufen gehen. Und dann ist es auch eine tatsächliche Heimkehr. 25 Jahre später bin ich wieder hier und schaue auf mein bisheriges Leben zurück.

An ihrem letzten Arbeitsort in Dresden sind Sie nach wenigen Monaten wieder gegangen. Wird es hier in Basel ein längerer Aufenthalt?

Ich hoffe, Basel behält mich sehr lange. Im Moment bin ich voll und ganz bei Telebasel. Mein Ziel ist es, diesen Sender optimal aufzustellen und damit erfolgreich zu sein.

Bleibt daneben Zeit für anderes?

Jeder Anfang ist hart, ich arbeite zurzeit viel. Wenn ich Freizeit habe, dann mache ich Fitness, lese viel, treffe Freunde oder unterhalte mich am Küchentisch mit meiner Mutter.

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