Was ist wichtig an der Fasnacht: Perfektes Trommeln und Pfeifen? Ein aufsehenerregendes Sujet? Oder doch die Geselligkeit? Ein Gespräch mit den Cliquen-Obmännern Lienhard Meyer (Alti Richtig) und Andy Kurz (VKB) über das Wesen der Basler Fasnacht und die Eigenheiten ihrer Cliquen.
Die Obmänner der traditionellen und bekannten Stammcliquen Alti Richtig und VKB haben das Jahr über alle Hände voll zu tun. An der Fasnacht natürlich auch. Allerdings tragen sie dann Schlegel in den Händen, Larven auf dem Kopf und weniger Verantwortung auf ihren Schultern. Zum Gespräch in der Fasnachtsbeiz Zum Braunen Mutz erscheinen beide ein paar Minuten zu früh. Pünktlichkeit ist die Tugend des Fasnächtlers offenbar nicht nur, aber ganz besonders dann natürlich, wenns am näggschde Mäntig de Morge Vieri schloot.
Wir treffen uns hier im Restaurant Zum Braunen Mutz. Kehren Sie auch während der Fasnacht hier ein?
Andy Kurz: Es ist eine der nicht mehr allzu zahlreichen übrig gebliebenen guten Fasnachtsbeizen im Grossbasel. Wir legen hier regelmässig einen Halt ein, sei es während des Cortèges oder am Abend.
Lienhard Meyer: Auch die Alti Richtig kommt hierher. Es gibt tatsächlich nicht mehr allzu viele Fasnachtsbeizen. Dazu kommt, dass die Fasnacht geografisch immer mehr zusammenschrumpft, sodass sogar der Braune Mutz fast schon zum Lokal an der Peripherie wird. Heute konzentriert sich alles mehr oder weniger auf das Bermuda-Dreieck zwischen Schlüssel und Schnabel.
Kurz: Auch im Kleinbasel gäbe es ein paar gute Beizen, die sich zum Teil aber auch schon früh leeren.
Stimmt das Bild, das Andy Kurz abgegeben hat?
Meyer: Dass wir alle gerne in der Alte Richtig Fasnacht machen, stimmt ganz sicher. Aber das ist wohl bei jeder Clique so, in der man gross geworden ist. Es gibt einige Klischeevorstellungen über uns, die zum Teil wahr sind, zum Teil weniger. Die grauen Kostüme, die man uns als Prinzip andichtet, haben ihren Ursprung in den legendären Napoleon-Kostümen in den 1970er-Jahren. Aber es ist schon so, dass wir selten farbige Kostüme haben. Was Andy Kurz nicht genannt hat, ist das Klischee, dass wir eine Daig-Clique sind.
Kurz: Jetzt, wo du es selber sagst…
Meyer: Das stimmte bis vor 30 oder 40 Jahren zum Teil, heute aber nicht mehr. Wir haben nicht mehr Burckhardts, Christs und Vischers als andere Cliquen. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir früher einige Abspaltungen hatten. Vermutlich die meisten Cliquen, die «Schnuffer» oder «Schnoogge» im Namen tragen, waren ursprünglich Abspaltungen von uns oder Abspaltungen von Abspaltungen. So hat sich der Daig schön verteilen können.
Tragen Sie tatsächlich Krawatten unter den Kostümen?
Meyer: Es ist keine Pflicht, aber es gibt einige, die grundsätzlich eine Krawatte tragen. Mehr möchte ich im Moment nicht dazu sagen. Wenigstens bis zur Fasnacht nicht.
Ist die Alti Richtig eine versnobte Clique?
Meyer: Das nicht, auch wenn es durchaus ein paar Mitglieder gibt, die dieses Image gerne pflegen. Unter dem Strich versuchen wir aber, das ironisch zu brechen.
Jetzt aber möchte ich Sie bitten, die VKB zu charakterisieren.
«Die VKB hat musikalisch einen guten Ruf, das darf man neidlos sagen.» Lienhard Meyer, Obmann der Alte Richtig, über die VKB (Bild: Dominique Spirgi)
Meyer: Als Kind habe ich die VKB immer als die riesengrosse Clique wahrgenommen. Dann kamen die fasnächtlichen Schlagzeilen mit der Öffnung für Frauen und der grossen Abspaltung. Die VKB hat musikalisch einen guten Ruf, das darf man neidlos sagen.
Kurz: Dankeschön.
«Wenn man nicht am Preistrommeln dabei ist, heisst das ja nicht automatisch, dass man nicht gut trommelt.»
Sie haben die musikalische Qualität der VKB hervorgehoben. Am diesjährigen Preistrommeln und -pfeifen war sie der grosse Abräumer. Die Alti Richtig taucht hier schon gar nicht auf.
Meyer: Dieses Jahr war einer unserer Jungen mit dabei.
Kurz: Eigentlich ist es erstaunlich, wenn man daran denkt, dass ihr mit Frutz Berger einst jemanden in euren Reihen hattet, der noch heute in jedem Basler Trommlerkopf präsent ist. (Anm.: Der legendäre «Drummel-Doggder» Fritz Berger, genannt Frutz, 1895–1963, ist der Gründer der Alte Richtig und Erfinder der verbreiteten Bergerschen Trommel-Notenschrift.)
Meyer: Zu den Zeiten mit Frutz war die Alti Richtig sicher eine der trommlerisch besten Basler Cliquen.
Kurz: Wenn man nicht am Preistrommeln dabei ist, heisst das ja nicht automatisch, dass man nicht gut trommelt.
Meyer: Wir sind nicht schlecht, aber wir haben nicht die Trommler und Pfeifer in unseren Reihen, die beim Preistrommeln brillieren. Es ist eine ganz eigene Art des Trommelns an diesen Wettbewerben, eines, das man auf der Strasse nicht hört. Und am Drummeli treten wir nicht mit einem schwierigen Trommelmarsch, wie etwa dem Gorilla, an.
Die Alti Richtig trommelt auch in einem langsameren Takt als andere Cliquen wie etwa die VKB. Woran liegt das?
Meyer: Das liegt sicher auch daran, dass wir keine Alte Garde haben. Bei uns kommst du mit 18 Jahren in den Stamm und bleibst, solange du kannst und willst. Das ist ein bewusster Entscheid. Die ältesten Trommler wechseln mit etwa 80 Jahren in den Vortrab.
Die VKB gehört musikalisch zur Spitze. Legen Sie darauf besonders viel Wert?
Kurz: Das Musikalische ist ein wichtiger Bestandteil, den wir entsprechend pflegen. Wir legen viel Wert auf die Ausbildung unserer Jungen, auf unsere Auftritte am Drummeli und in diesem Jahr am Charivari – das war schon immer so. Das gesellige Zusammensein, das Sujet und seine Umsetzung an der Fasnacht sind aber ebenso wichtig. Natürlich gibt es andere Stammcliquen, wie die Alte Stainlemer, die beim Sujet einen grösseren Aufwand betreiben, die mit riesigen Installationen unterwegs sind, was bei uns zwar auch vorkommen kann, aber nicht unbedingt jedes Jahr.
«Früher trommelten wir am Donnerstagmorgen so lange, wie wir durchhielten. Heute ist der Ändstraich um 4 Uhr sakrosankt.»
Die von Ihnen genannten Alte Stainlemer haben an den Nachmittagen auf der Route auch schon überhaupt nicht getrommelt und gepfiffen.
Kurz: Das war bei uns auch schon ein Thema, aber viele wollen jeweils nicht aufs Trommeln und Pfeifen verzichten. Bei uns ist es die Mischung aus diversen Komponenten, die stimmen muss. Es kann aber durchaus sein, dass in Zukunft auch die VKB für einmal auf das Musizieren am Cortège verzichten wird. Es muss sich ergeben und passen.
Meyer: Die Fasnacht verändert sich. Wir waren Anfang der 1990er-Jahre als Kinderzügli unterwegs, mit Larven, die im Kindergarten hergestellt worden waren und mit Waschmittel-Trommeln und Piccolos aus Karton. Damals ging ein Aufschrei durch Basel, das sei unfasnächtlich.
Kurz: Heute würde sich niemand mehr darüber aufregen.
Meyer: Ich wollte damit aber nicht sagen, dass wir keinen Wert aufs Musikalische legen (lacht). Wir haben sehr gute Instruktoren, die uns in den letzten Jahren halfen, das Niveau zu steigern.
Kurz: Ich finde es nicht gut, wenn man zu sehr zwischen musikalisch guten und weniger guten Cliquen unterscheidet. Die Fasnacht ist kein Trommel- oder Pfeifer-Wettbewerb. Es gibt keine Stammvereine, die schlecht klingen. Es gibt Cliquen, die auf der Bühne mehr brillieren als andere. Und dann gibt es wiederum Cliquen, die mit Wahnsinns-Zügen an der Fasnacht mehr Aufmerksamkeit erlangen. Das sind doch letztlich Zeichen für eine Vielfalt, die gut ist.
Das Wesen der Fasnacht unterliegt Änderungen, ist aber letztlich doch sehr einer Tradition verbunden.
Meyer: Es sind Kleinigkeiten, die sich stetig ändern. Früher trommelten wir als Junge am Donnerstagmorgen so lange, wie wir durchhielten. Heute ist der Ändstraich um 4 Uhr sakrosankt. Früher ging man am Fasnachtsdienstag zur Arbeit, heute ist es der lebendigste Tag.
«Die Grünpfahlgasse meiden wir. Mich stört, dass hier der Respekt gegenüber uns aktiven Fasnächtlern nicht vorhanden ist.»
Veränderungen stossen aber nach wie vor auf Skepsis: In einem Zeitungsbericht hat sich Alt-Comité-Obmann Felix Rudolf von Rohr enerviert über die Grossverteiler geäussert, die unfasnächtliche Indianer- und Prinzessinnenkostüme sowie Pappnasen verkaufen, und dass die Kinder nicht mehr im Waggis- oder Ueli-Kostüm am Strassenrand stehen. Teilen Sie diese Skepsis?
Meyer: Prinzessinnen-Kostüme gab es schon vor 40 Jahren. Kleine Kinder dürfen an der Fasnacht tragen, was sie wollen, und auch geschminkt sein. Natürlich passt ein Waggis oder ein Ueli besser an die Fasnacht als ein Batman. Aber als störend empfinde ich das nicht.
Kurz: Wir müssen uns vielleicht auch an der eigenen Nase nehmen. Wenn Stammcliquen, die in Sachen Kostümierung Vorbilder sein sollten, in Ganzkörper-Parisern herumgehen, dann hat das mit Kostümtraditionen ebenfalls nichts zu tun. Es ist nicht schlimm, wenn Kinder in anderen Kostümen an die Fasnacht gehen. Es ist letztlich ein Zeichen für den Wandel der Zeit.
Meyer: Wenn ein Kind in die Junge Garde kommt, dann ist auch das Prinzessinnen-Kostüm passé.
Kurz: Es sind Kinder ohne aktiven Fasnachtsbezug, die sich solche Kostüme wünschen, die es in der Rhybrugg für wenig Geld zu kaufen gibt. Darüber aufregen kann ich mich nicht.
Meyer: Ich habe mehr Mühe mit der Stimmung, die rund um das Unternehmen Mitte herrscht an der Fasnacht, mit jugendlichen Zivilisten, die stark alkoholisiert und zum Teil aggressiv auf Cliquen losgehen, was wir selber vor zwei Jahren erlebt haben. Wir haben deshalb unseren Halt an der Grünpfahlgasse gestrichen.
Kurz: Auch wir meiden diesen Ort. Mich stört, dass hier der Respekt gegenüber uns aktiven Fasnächtlern nicht vorhanden ist. Es ist schade, dass dies so gekommen ist. Ich habe das dem Comité gemeldet. Das Problem ist bekannt, aber sie können nichts tun.
Meyer: Ich kann auch nicht verstehen, dass sich Leute mitten durch die Formationen durchdrängen. Früher rannten sie noch zwischen den Trommlern und Pfeifern durch, heute mitten durch die Trommler. Und das sind nicht Kinder in Prinzessinnen-Kostümen.
Ist bei Ihnen alles bereit für die Fasnacht?
Meyer: Ich habe letzte Woche mein Kostüm abgeholt, die Laterne ist gemalt, der Zeedel gedruckt. Ja.
Kurz: Ich habe mein Kostüm noch nicht abgeholt, aber sonst ist ebenfalls alles bereit bei uns.
Die Alti Richtig wurde 1926 als Abspaltung der Lälli-Clique gegründet. Sie ist eine Männerclique geblieben. Zumindest im Stamm, denn die Junge Garde, Schnuffer und Schnoogge genannt, steht schon seit vielen Jahren auch Mädchen offen, die mit 18 Jahren in die Junte wechseln, die zur grössten reinen Frauenclique Basels angewachsen ist. Obmann Lienhard Meyer ist seit elf Jahren im Amt. Daneben engagiert er sich als Trommel-Instruktor bei den Jungen. Und an der Fasnacht ist er abwechselnd mit dem Piccolo und der Trommel unterwegs.