Basel wird älter, und voller wird es künftig auch – dafür sorgt die Zuwanderung. Platz finden aber alle, denn bis 2035 soll es auch mehr Wohnungen geben.
Basel ist attraktiv. In lauen Sommernächten ist es schön am Rhein. Um den Tisch in der Kleinbasler Beiz weht ein laues Lüftchen, die Getränke sind kühl, die Gesellschaft angenehm und man will eigentlich gar nicht nach Hause gehen.
Kürzlich dreht sich unser Gespräch in dieser Beiz um die Stadt. Wie wird sie sich entwickeln, wo wird gebaut? Am Hafen, da ist man sich einig, wird erst einmal wenig passieren, dafür im Kleinbasel, wo der Roche-Tower gerade fertig geworden ist und in den nächsten zehn Jahren weiter viel gebaut wird. «Wenn ich das Geld hätte, würde ich jetzt eine Wohnung im Wettsteinquartier kaufen», sagt jemand.
Attraktives Wettsteinquartier
«Allerdings!», wirft eine Frau vom Nebentisch ein. Dort geht es um das gleiche Thema: Kleinbasel wächst. Bald kommen zusätzliche Arbeitskräfte ins Kleinbasel und die wollen in Zukunft irgendwo wohnen.
Das beschäftigt auch den Kanton. Denn wenn man in die Zukunft sieht, wird vor allem das Kleinbasel in den nächsten 20 Jahren weiter wachsen, dafür dürfte es bis 2035 etwas mehr freie Wohnungen geben. So lautet zumindest die Vorhersage des Statistischen Amts Basel-Stadt, dass am 14. Juli die aktuelle Bevölkerungsprognose bis zum Jahr 2035 vorgelegt hat.
So lange warten kann die Frau an unserem Nebentisch allerdings nicht. Die praktischen Auswirkungen der Bevölkerungsentwicklung spürt sie nämlich gerade jetzt ganz konkret. Ihr Vermieter hat allen Mietern gekündigt, weil er die Wohnungen im Haus sanieren will. Die Miete wolle er danach verdoppeln, erklärt sie.
Nach 20 Jahren im Wettsteinquartier sucht sie nun eine neue Wohnung. Bei einer Leerstandsquote von 0,2 Prozent kein leichtes Unterfangen. «Für dieses Jahr liegen Ferien nicht mehr drin», sagt sie. Und sie wird vermutlich nicht die Einzige bleiben.
Es wird eng im Kleinbasel
Das Statistische Amt stützt sich bei der Vorhersage der Bevölkerungsentwicklung auf drei Szenarien. Das eine Extrem geht von einer hohen Anziehungskraft der Stadt aus, das andere von einer niedrigen – etwa, weil die wirtschaftlichen Perspektiven sich eintrüben könnten.
Das mittlere Szenario liegt dazwischen und stellt am ehesten die Fortsetzung gegenwärtiger Trends dar. Für die Stadt dienen die Prognosen dieses mittleren Szenarios als Berechnungs- und Entscheidungsgrundlage in Bevölkerungsfragen. Da sich dabei eine Vielzahl von Faktoren gegenseitig beeinflusst, werden die jährlichen Prognosen von allen sieben Departementen des Kantons Basel-Stadt gemeinsam erarbeitet.
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Bautätigkeit. Gibt es viele freie Wohnungen, kommen viele Zuwanderer. Das wiederum verschiebt die Altersstruktur der Bevölkerung, da diese Zuwanderer nach Statistik meist junge Erwachsene sind. Sollte es aber irgendwann keine freie Wohnungen mehr haben, wird für viele das Wohnen in der Agglo attraktiver. Immerhin fördert eine grosse Nachfrage, wie sie das letztere Szenario schildert, den Bau neuer Wohnungen.
11’000 neue Wohungen bis 2035
Der Kanton geht aktuell davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren etwa 11’000 neue Wohnungen gebaut werden. Je nach Szenario gehen die Prognosen da allerdings auseinander. Die Bautätigkeit lindert die aktuelle Wohnungsnot. Allerdings nur in homöopathischer Dosis: Die Leerstandsquote wird im mittleren Szenario von aktuell 0,25 auf 0,83 Prozent steigen.
Zusätzliche Wohnfläche bis 2035 (in m2): In den drei Szenarien wird mit stark unterschiedlicher zusätzlicher Wohnfläche bis 2035 gerechnet. (Bild: Bevölkerungsszenarien Basel-Stadt)
Aufs Kleinbasel heruntergebrochen, heisst das, dass die Bevölkerungszahl selbst bei schlechten Voraussetzungen in den nächsten 20 Jahren mindestens gleich bleibt. Im wahrscheinlichsten Fall wird die Bevölkerung in Kleinbasel sogar um zwölf Prozent wachsen, deutlich stärker also als in anderen Stadtteilen.
Zurück aufs Niveau von 1980
In ganz Basel rechnet der Kanton mit einem Zuwachs von 12’000 Einwohnern. Das sind so viele Menschen, wie derzeit in den Quartieren Clara, Wettstein und der Kleinbasler Altstadt zusammen wohnen. Damit hätte Basel 2035 genau so viele Einwohner wie in den 1980er-Jahren, als die Abwanderung einsetzte.
Bisherige und zukünftige Bevölkerungsentwicklung Basel-Stadt. Die Gesamtbevölkerung steigt im hohen und mittleren Szenario bis 2035 im Vergleich zu Ende 2014 um 23 000 bzw 12 000 Personen. Im Tiefen Szenario wird mit einer Abnahme um 8 000 Personen gerechnet. (Bild: Bevölkerungsszenarien Basel-Stadt)
Zuwanderung bremst Überalterung
Setzen sich die Trends der vergangenen Jahre fort, werden vor allem Ausländer zuwandern, was für die Stadt von Vorteil ist. Die Basler werden nämlich immer älter. Das heisst, die Lebenserwartung steigt bei negativem Geburtenüberschuss. Im Jahr 2035 wird mehr als ein Drittel aller Basler, nämlich 36 Prozent, über 64 Jahre alt sein.
Auch die Frau von unserem Nebentisch gehört dazu. Vermissen werde sie die Nähe zum Rhein, sagt sie. Aber an und für sich sei es ein guter Zeitpunkt, umzuziehen, wenn die Kinder aus dem Haus seien und man langsam älter wird.
In ihre Wohnung im Wettsteinquartier werden dann vermutlich Expats einziehen, was auch auf längere Sicht so bleiben dürfte, so die Prognose des Kantons. Unter dem Strich hat das aber auch Vorteile. Schweizweit rechnet bis dahin man mit einem Altersquotienten von 45 Prozent. Dass diese Tendenz in Basel weit weniger drastisch ausfällt, ist vor allem der Zuwanderung von Ausländern im erwerbsfähigen Alter zu verdanken.
Für eine grafische Übersicht haben wir hier die klassische Bevölkerungspyramide halbiert und auf die Seite gelegt.
Durch die Zuwanderung wird sich die Altersstruktur auch im unteren Bereich verändern, nämlich bei den unter 20-Jährigen. Sie sorgen dafür, dass die Basler auf längere Sicht nicht aussterben und auch im Jahr 2035 an lauen Sommerabenden am Rhein sitzen. Nur wird der gängige Basler dann ein bisschen anders daherkommen als heute: Etwas älter und öfter mal mit internationalem Hintergrund.