Im Rausch der Fasnacht

Punkt vier Uhr gingen in Basel die Lichter aus. Und es hiess: «Morgestraich, vorwärts – Marsch». TagesWoche-Redaktorin «Waggis» Martina Rutschmann hat den Morgestraich zum ersten Mal als Vortrab eines Schissdräggzüglis begleitet – und gestaunt.

Morgestraich- Impressione (Bild: Alexander Preobrajenski)

Punkt vier Uhr gingen in Basel die Lichter aus. Und es hiess: «Morgestraich, vorwärts – Marsch». TagesWoche-Redaktorin «Waggis» Martina Rutschmann hat den Morgestraich zum ersten Mal als Vortrab eines Schissdräggzüglis begleitet – und gestaunt.

Die Nervösität kurz vor vier Uhr ist unglaublich! «Zwei Minuten», heisst es. «Eine Minute.» Dann: «Noch 15.» Sekunden sind gemeint, doch dafür reicht die Zeit nicht mehr. Es ist vier. Die Lichter gehen aus. Alle. Ausser die der Laternen auf den Köpfen, in den Händen. Es pfeift und trommelt überall. Gänsehaut. Es ist wie ein Rausch. Unter der Larve sowieso: Bruchteile der Realität sieht man da, nie alles, immer etwas Neues, Imposantes. Etwa die «Spale-Clique», wie sie den entsprechenden Berg herunterkommt. Es hört nicht mehr auf.

Die «Spale» hat den Berg für sich. Jeder Aktive weiss, wie er sich zu verhalten hat. Warten – weitergehen, Leute sanft zur Seite schieben. «Leute» sind in diesem Moment die Passiven, die zu Tausenden in die Stadt gekommen sind. Und die man, mit der Larve auf dem Haupt, kaum sieht. Grund: Es ist dunkel.

Grober Gang

3.20 Uhr. Ich mache mich auf den Weg in die Innenstadt. Zu Fuss. Die Trams sind dermassen vollgestopft, dass man nicht durch die Fenster sieht von aussen. Angelaufen. Die Taxis sind besetzt, alle. Ich trau mich nicht, eines zu bestellen für diesen kurzen Weg von der Stadt in die Innenstadt. Ausserdem gehört es sich für Aktive nicht, im Taxi an den Morgestraich zu fahren. Und aktiv bin ich jetzt. Zum ersten Mal.

Es ist ein Gefühl der Erhabenheit, mit dem Kostüm und der Larve (noch in der Hand) durch all die Zivilen zu schreiten. «Schau, ein Waggis!», sagt ein junger Mann zu seinem Kollegen. Er schaut genau hin und ergänzt leicht enttäuscht: «Es ist eine Frau.» Ich merke: Es ist wie in der Geschäftswelt (wobei Waggis hier für Managerin steht): Als Frau muss man sich mehr behaupten, als es die Männer tun müssen. Kein Problem, sag ich mir, und lege einen gröberen Gang an den Tag.

…ohne Holzschuhe

3.40 Uhr. Besammlung der Mini-Clique, oder, wie es richtig heisst: des Schissdräggzüglis «Joo, die!» am Unteren Heuberg. Alle kommen frisch aus dem Bett. So gehört es sich für Aktive: Schlafen vor dem Morgestraich. Wunderschöne Kostüme, ebenso schöne Larven und Laternen überall. Dann plötzlich: vier Uhr. Es geht los.

Ein ewiger Rausch beginnt. Die Leute schauen einen an. Und wissen nicht, wer man ist. Gutes Gefühl. Ich lächle. Und merke: Mimik spielt keine Rolle. Die Larve ist im Weg. Also fange ich an, mit meinen weissen Händschchen den Kindern zuzuwinken. Ein lieber Waggis. Noch. Noch trage ich auch keine Zoggeli, sondern Turnschuhe. Bin froh, den Rat von Profis befolgt zu haben. Denn ich weiss: Mit Holzschuhen an den Füssen wäre ich schon hundert Mal gestürzt: Petflaschen am Boden, andere Störfaktoren – und eine eingeschränkte Sicht.

Es stockt immer wieder. Die grossen Cliquen brauchen Zeit. Ich friere. Und sollte mir die Nase putzen. Ich ignoriere die Schnudernase – und staune. So mitten drin – wow! Wie habe ich es nur 35 Jahre ohne ausgehalten? Egal, ab sofort ist es anders. In dämm Sinn: Ciao zämmme, bis hüt Noomidaag am Cortège!

Quellen

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