Taulant Xhaka trägt eine dunkle Sonnenbrille. Durch sie kann er kaum etwas sehen. Er rennt trotzdem durch die Gegend. Der FCB-Profi wird von einem Fussballer mit Trisomie 21 an der Hand geführt. «So Taulant», ruft ihm jemand zu, «jetzt versuchst dus mal komplett blind.»
Der Mann, der da ruft, heisst Michael Arends. Er spielt in der dritten Mannschaft von Werder Bremen und trainiert blinde Fussballer. Taulant Xhaka nimmt von ihm eine neue Brille entgegen, eine noch dunklere.
Dann packt Arends einen Glockenball, mit dem im Blindenfussball üblicherweise gespielt wird, und rasselt damit. Alle «falschen Blinden» versuchen sofort, ihm zu folgen.
Der Postenlauf geht weiter. Auch für Xhaka: Jetzt spielt er kurzerhand mit ein paar Jungs aus Nordirland, die meisten von ihnen sind halbseitig gelähmt.
Volle Spielfreude
Xhaka macht jedes Jahr am «Special Youth Camp» mit, wie er sagt: «Das ist mir sehr wichtig, da ich sehe, wie sehr diese Jugendlichen daran Freude haben», so der FCB-Profi.
Was hier beim Camp in Basel sofort auffällt: Obwohl rund 50 Kinder und junge Erwachsene mit Behinderung mit vollem Einsatz Fussball spielen, hört man weder harsche Zurechtweisungen noch Gefluche auf dem Platz. Pass versiebt? Schon okay. Und wenn dann tatsächlich mal Geschrei ertönt, dann ist es Jubel.
Ein Team in Rot-Blau ist beim «Special Youth Camp» ebenfalls angetreten: das «Dream Team» des FC Basel. Mit dabei sind zudem die Partnerorganisationen, namentlich die Behindertenfussball-Teams von Werder Bremen, Bayer Leverkusen, Queens Park Rangers und FK Austria, zudem ein Team des nordirischen Fussballverbands.
Camp-Organisator ist die Scort Foundation von Gigi Oeri. «Die Idee dahinter», erklärt Scort-Projektmanagerin Julia Lambrecht, «dass Profi-Fussballer mehr soziales Engagement zeigen.» Bereits zum elften Mal findet der Anlass nun statt.
Für das Basler «Dream Team» hat es eine Sache so aber noch nie gegeben: War bislang der Behindertenfussball bei den Old Boys angegliedert, gehört er seit diesem Juni zum FC Basel. Brigitta Fumagalli, die langjährige Trainerin des «Dream Teams» sowie von anderen Juniorenteams, findet das super: «Dass die Jugendlichen jetzt im gleichen Club spielen wie ihre grossen Vorbilder, macht sie sehr stolz», sagt «Mama Fuma», wie man sie hier liebevoll nennt.
Ein Gewinn für alle
Im Unterschied zu den Teams, die an den Special Olympics oder Paralympics in genau geregelten Handicap-Kategorien antreten, dürfen in Mama Fumas «Dream Team» alle mitspielen – ob Down-Syndrom oder Autismus, männlich oder weiblich, Primarschüler oder junger Erwachsener.
Damit dieses bunte Team funktioniert, braucht es allerdings spezielle Trainings. Zusammen mit den Partnerclubs aus Deutschland und Österreich lässt der FCB daher jeweils «Young Coaches» ausbilden. Dabei lernt jeweils ein Behinderter im Tandem mit einem Nichtbehinderten das Trainerhandwerk. Wie Brigitta Fumagalli betont, könnten so jeweils beide voneinander profitieren: «Sie lernen etwa, wie man beim Training alles in einer möglichst einfachen Sprache und mit Piktogrammen erklärt.»
«Hier wird auch dann gejubelt, wenn der Ball das Tor verfehlt», sagt Young Coach Elisabeth Scholz.
Eine dieser Young Coaches ist Elisabeth Scholz von Bayer Leverkusen. «Die Vielfalt ist hier viel grösser mit all diesen unterschiedlichen Levels – gerade das macht die Arbeit so dankbar», sagt die junge Trainerin. Die Stimmung sei hier ohnehin viel lockerer als im «normalen» Fussball: «Hier wird auch dann gejubelt, wenn der Ball das Tor verfehlt.»
Im Nachwuchs-Campus beim Joggeli dribbeln jetzt die jungen Fussballerinnen und Fussballer in einer Stafette um die Wette. Gleich gegenüber fordern sich die Österreicher, Deutschen und Basler im Kopfballtraining. Bis Musik aus den Lautsprechern erklingt. Alle Posten sind abgehakt, das Fussballfest geht seinem Ende entgegen.
Die internationale Schar trifft sich im Kreis. Die 21-jährige Gloria Bossert aus Basel ist zufrieden mit ihrem Tag: «Es war mal toll, auf eine etwas andere Art zu trainieren», sagt sie. «Ich fand das Torschusstraining am besten», sagt Lavan Luke. Der 23-Jährige kommt ebenfalls aus Basel und ist ein grosser Fan vom einstigen FCB-Stürmer Breel Embolo. Gute Spieler habe man aber auch hier kennenlernen dürfen, findet der 17-jährige Ross Cockerill (17) aus der nordirischen Mannschaft.
«Dream Team» sucht Schweizer Gegner
Die Spielerinnen und Spieler konnten es offensichtlich gut miteinander. Trotz sprachlicher Barriere, mit der Ross Cockerill schon etwas zu kämpfen hatte, wie er mit breitem irischen Akzent erzählt. Nicht alle konnten Englisch.
Unterdessen tauchen unter Jubel die FCB-Profis wieder auf. Taulant Xhaka, Raoul Petretta und Neftali Manzambi haben Medaillen mitgebracht. Eine für jede und jeden.
Internationale Anlässe wie das «Special Youth Camp» sind wichtig für das «Dream Team». Zu Wettkämpfen fährt das Team meistens nach Deutschland, wo der Behindertenfussball bereits in verschiedenen Proficlubs etabliert ist. Wollen die Basler aber in der Schweiz andere Mannschaften herausfordern, stehen sie auf ziemlich verlorenem Posten. «Wir spekulieren darauf, dass auch andere Clubs der Super League nachziehen», sagt Trainerin Fumagalli.
Ob es dann das «Dream Team» wie die erste Mannschaft des FC Basel zum Schweizermeister schafft? Mama Fuma lacht und gibt sich zuversichtlich: «Wir werden dann auch auf dem Barfi die Meisterfeier abhalten.»