Die Bevölkerung hat heute mehr Möglichkeiten die Stadtentwicklung mitzuprägen denn je zuvor. Enttäuschung und Kritik bleiben jedoch bestehen.
Fällt die Verwaltung in Basel einen Entscheid, beispielsweise über die Neugestaltung eines Quartierplatzes, dann dürfen alle mitreden. So verlangt es wenigstens Paragraf 55 der Kantonsverfassung. Mitwirkung ist ein grosses Thema: Wer von einer baulichen Veränderung betroffen ist, will mitentscheiden. Heute mehr denn je.
Dass die Bewohner bestimmen dürfen, in welche Richtung sich eine Stadt entwickelt, war eines der wichtigsten Postulate des bekannten Basler Soziologen Lucius Burckhardt. Wie steht es also um die Mitwirkung in Basel, mehr als ein Jahrzehnt nach Burckhardts Tod? Verfassungstexte sind das eine, aber wie wird Paragraf 55 tatsächlich umgesetzt?
Der Frust der Begleitgruppe Hafenentwicklung
Ein aktuelles und vieldiskutiertes Beispiel einer Mitwirkung ist die Begleitgruppe (BG) Hafen- und Stadtentwicklung. Dieses knapp 30-köpfige Gremium aus Gewerbe-, Quartiers- und Verwaltungsvertretern sollte sicherstellen, dass sich die Klybeckhalbinsel nicht an den Quartieranliegen vorbeientwickelt. Erfolgreich?
«Nein», sagt Tonja Zürcher entschieden. Die Co-Präsidentin der BastA! war von Anfang an bei der BG dabei. «Eine Mitwirkung hat nie stattgefunden, das ganze Verfahren war für die Katz.» Die BG habe die meisten Informationen viel zu spät erhalten, nachdem wichtige Entscheide bereits gefallen waren. Als Beispiel nennt Zürcher den regierungsrätlichen Ausgabenbericht «Hafen- und Stadtentwicklung Kleinhüningen-Klybeck». Das Dokument stellt die Planungsgrundlage dar und gibt damit grob vor, wohin die Entwicklung gehen soll. «Diesen wichtigen Bericht haben wir erst bekommen, als alles bereits feststand», sagt Zürcher. «So ist nicht einmal ein Mindestmass an Mitwirkung gegeben.»
Diese Meinung vertreten viele Mitglieder der BG, mindestens fünf haben die Gruppe bereits wieder verlassen. Auch Zürcher spielt mit diesem Gedanken. Den Grund für die Frustration innerhalb der BG sieht sie vor allem darin, dass der Handlungsspielraum nicht von Anfang an klar war. «Alle kommen mit ihren unterschiedlichen Ansprüchen in diese Gruppe, Enttäuschung ist so vorprogrammiert.»
Ist der Handlungsspielraum einer Mitwirkungsgruppe nicht genau definiert, droht die Gefahr, Erwartungen zu wecken, die nicht eingehalten werden können.
Mindestens in diesem Punkt geht Zürcher mit der Verwaltung einig. Marc Keller war als Sprecher des Bau- und Verkehrsdepartements ebenfalls in der BG vertreten. «Über die Frage des Handlungsspielraums stolpern wir immer wieder.» Sei der nicht genau definiert, laufe man Gefahr, Erwartungen zu wecken, die nicht eingehalten werden können. Deshalb werde diese Unklarheit heute ausgeräumt, noch bevor ein Mitwirkungsverfahren in Gang komme.
Die Verwaltung lernt nur langsam
Allerdings weiss die Verwaltung spätestens seit 2010, dass der Erfolg eines Mitwirkungsverfahrens zu grossen Teilen von genau dieser Frage abhängt. Damals erschien nämlich ein Bericht zuhanden der Regierung, geschrieben von einer Arbeitsgruppe, die verschiedene Mitwirkungsverfahren ausgewertet hat. In diesem Bericht werden «methodische Empfehlungen» abgegeben, unter anderem die «Definition eines Handlungsspielraumes» zur Vermeidung von unerfüllbaren Erwartungen.
Keller gibt zu, dass die Ausgestaltung der Mitwirkung ein «andauernder Lernprozess» sei. «Diese Haltung haben wir mittlerweile verankert, da hat ein Sinneswandel stattgefunden.» Inzwischen sei sich die Verwaltung bewusst, dass die Verankerung in der Verfassung nicht reiche. «Der Erfolg jedes einzelnen Mitwirkungsverfahrens entscheidet sich von Fall zu Fall.»
Ein Brief an jeden Haushalt
Beatrice Isler war eine der Autorinnendes erwähnten Berichtes. Die Präsidentin des Neutralen Quartiervereins Gundeldingen verfolgt das Thema Mitwirkung seit rund zwei Jahren aus etwas Entfernung, sie hat die zuständige Arbeitsgruppe verlassen. «Obwohl ich den Einbezug der Bevölkerung als sehr wichtig erachte, bin ich eher kritisch eingestellt.» Denn es gelinge noch zu selten, alle Betroffenen zu erreichen. Vor allem bei grösseren Projekten.
So wurde zum Beispiel beim neuen Verkehrskonzept im Gundeli trotz grossem Miteinbezug der Bevölkerung Kritik laut. «Bei solchen Riesenprojekten müsste sich die Verwaltung wohl noch mehr bemühen, alle zu erreichen. Etwa mit einem Brief in jeden Haushalt.» Für kleine Projekte wie die Umgestaltung eines Quartierplatzes seien die angebotenen Mitwirkungsinstrumente jedoch bestens geeignet, sagt Isler.
Fazit: Wenn auch die heutigen Möglichkeiten der Mitwirkung noch nicht vollständig den Vorstellungen von Lucius Burckhardt entsprechen mögen, so dürfte er zumindest den Sinneswandel und die Lernbereitschaft der Verwaltung begrüssen.