Intersexuelle im Sport – Athleten im Dämmerlicht

Geschlechtlichkeit geniesst im Sport einen hohen Stellenwert – solange sie eindeutig zuweisbar ist. Für intersexuelle Athleten beginnt dagegen manchmal bereits vor dem Start ein entwürdigender Hürdenlauf.

Vielfalt statt Binarität. Im Sport gehört diese Auffassung von Geschlechtlichkeit noch nicht in den Bereich des Vorstellbaren.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Geschlechtlichkeit geniesst im Sport einen hohen Stellenwert – solange sei eindeutig zuweisbar ist. Für intersexuelle Athleten beginnt dagegen manchmal bereits vor dem Start ein entwürdigender Hürdenlauf. Gregor und Alexandra Dill referierten am Dienstagabend im Sportmuseum Basel über das Thema Intersexualität im Sport.

Gregor Dill ist ein vielbeschäftigter Mann. Als Leiter des Sportmuseums Basel ist er vor allem mit administrativen Dingen betraut, um so mehr, als dem Museum unlängst die finanzielle Unterstützung der Stadt Basel gestrichen wurde. Aber Dill ist auch Präsident des Panathlon Clubs beider Basel und als solcher kann sich der studierte Historiker hin und wieder seinem Kernthema widmen: der (Sport-)Geschichte.

Der Panathlon Club empfing am Dienstagabend seine Mitglieder sowie die Supporter des Sportmuseums Basel zum monatlichen Treffen. Wie immer bei diesen Anlässen stand auch heuer ein brisantes Thema im Fokus der Auseinandersetzung, nämlich die Intersexualität im Sport. Als Referenten fungierten Gregor Dill und seine Frau Alexandra.

Der Fall Caster Semenya

Das Thema Intersexualität im Sport rückt immer dann ins Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn ein aktueller Fall die Sportgerichtshöfe und damit auch die Medien beschäftigt. In der Regel ist das selten der Fall und zumeist im Umfeld medial mittelmässig begleiteter Sportanlässe.

Das jüngste Beispiel ist allerdings noch frisch im Gedächtnis. Es bezieht sich auf die südafrikanische Mittelstreckenläuferin Caster Semenya, die 2009 an der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin die Goldmedaille über 800 Meter gewann und sich danach mit den Vorwürfen konfrontiert sah, keine Frau zu sein. Als Begründung wurden ihr männliches Aussehen und ihre tiefe Stimme angeführt.


Auszug aus einer Talk-Runde zum Fall Semenya. Der Moderator versucht, das Vorgehen der IAAF zu erklären und resümiert die Antwort des südafrikanischen Leichtathletikverbandes (englisch).

Semenya musste sich einer Geschlechtsüberprüfung durch den Weltleichtathletikverband IAAF unterziehen lassen, was unter Menschenrechtsaktivisten einen Sturm der Entrüstung auslöste. Die Athletin wurde vom Verband offiziell als Frau «klassifiziert» und zwar mit den Worten des IAAF-Generalsekretärs, Pierre Weiss: «Es ist klar, dass sie eine Frau ist, aber vielleicht nicht zu hundert Prozent.»

Entwürdigende Geschlechtertests

Der Fall Caster Semenya ist nur ein Fall von vielen in der Sportgeschichte, die sich aufgrund aufkeimender Zweifel einer Geschlechtsüberprüfung unterziehen mussten (Beispiele sind Dora RatjenRenée Richards oder Andreas Krieger). Häufig handelt es sich dabei um Vertreter der Leichtathletik und fast immer waren es Frauen, deren Geschlecht und damit Startberechtigung in Zweifel gezogen wurden.

Von der entwürdigenden Wirkung eines solchen Geschlechtertests einmal abgesehen, brachten diese Prüfungen zumeist Erkenntnisse zutage, die sich mit Pierre Weiss zusammenfassen lassen: Die Athletinnen oder Athleten waren Frauen und Männer, nur eben nicht zu hundert Prozent.

Sei es, dass ihre Geschlechtsmerkmale Abweichungen aufwiesen; sei es, dass ihre Chromosomensätze nicht der Norm entsprachen (was laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO bei durchschnittlich einer von 600 Personen der Fall ist); oder sei es, dass sie über eine hormonelle Über- oder Unterproduktion verfügten.

Sport kennt nur eine strikte Dualität der Geschlechter

In der Gesellschaft ist die Intersexualität ein Diskursthema, im Sport scheint sie vor allem ein Problem zu sein. Das Trennen der Geschlechter in Frau und Mann wird vor allem dann hinterfragt, wenn es um das Vergleichen von sportlichen Leistungen geht. «Sport war schon immer ein Tummelfeld der Geschlechtlichkeit», sagt Alexandra Dill.

Die Co-Leiterin des Sportmuseums rückt diese Tatsache mit einigen provokanten Fragen in ein neues Licht: Ist es vielleicht so, dass an der strikten Kategorisierung in Männer- und Frauendisziplinen vor allem aus ökonomischen Gründen (Werbung, Gage) festgehalten wird? Welchen Qualitätsverlust – oder positiv ausgedrückt – welchen Spannungsgewinn würde die Einführung durchmischter Kategorien mit sich bringen? Welchen Sinn hat die Geschlechtertrennung in Präzisionssportarten wie Bogenschiessen oder Curling?

Dill will nicht sagen, dass mit einer Aufhebung der Geschlechtertrennung das Thema Intersexualität erledigt wäre. Aber mit der Öffnung der Kategorien könnte zumindest der Problematik und ungelösten Frage nach der Starterlaubnis von Menschen mit nicht eindeutig bestimmbarem Geschlecht entgegengewirkt werden.

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