Ist das wirklich der richtige Weg? Nein!

Das Baselbieter Volk muss den Sparvorlagen am 17. Juni unbedingt zustimmen, sagt der Regierungsrat. Doch soll man dieser Regierung bei einer solch grundsätzlichen Frage tatsächlich trauen? Ihr folgen? Nein. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sprechen dagegen. Ein Kommentar.

«Unsummen für überrissene Strassenprojekte ausgegeben»: die H2 als neue Entlastungsstrasse. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Baselbieter Volk muss den Sparvorlagen am 17. Juni unbedingt zustimmen, sagt der Regierungsrat. Doch soll man dieser Regierung bei einer solch grundsätzlichen Frage tatsächlich trauen? Ihr folgen? Nein. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sprechen dagegen. Ein Kommentar.

Schön wärs, wenn der Basel­bieter Finanzdirektor Adrian Ballmer diesmal recht hätte! Wenn die geplanten Sparmassnahmen tatsächlich nicht wirklich weh täten, wie er sagt. Doch das ist leider eine Beschönigung. Eine drastische sogar. Ganz abgesehen von den Entlassungen und dem Dienstleistungsabbau ist die Baselbieter Sparübung nur schon von der Anlage her unbefriedigend. Das Volk hat wenig bis gar nichts zu sagen. Regierung und Parlament haben sich schon vor Monaten auf jene 185 Massnahmen geeinigt, die Einsparungen von insgesamt 180 Millionen Franken bringen sollen.

Schuld sind immer die anderen

Die Baselbieterinnen und Baselbieter können am 17. Juni noch gerade mal über neun Massnahmen abstimmen, die eine Gesetzes- und Verfassungsänderung zur Folge hätten. Und selbst bei diesem Geschäft hat das Volk nicht wirklich die Wahl, zumindest wenn es nach Meinung der Baselbieter Regierung geht. Beim gemeinsamen Auftritt vom Dienstag in Liestal bekräftigten die fünf Regierungsräte wortreich, einer nach dem anderen, dass das Sparpaket am 17. Juni unbedingt angenommen werden muss, muss, muss, muss, muss. Sonst werde eine massive Steuererhöhung nötig – oder der Kanton finanziell niemals mehr gesund.

Doch soll man dieser Regierung wirklich trauen? Ihr folgen?
Dieser Regierung, die immer allen anderen die Schuld gibt (dem Bund, dem Parlament, den allgemeinen Begehrlichkeiten), obwohl sie selbst die Hauptschuld am Finanzschlamassel trifft?
Dieser Regierung, die jahrelang nur eine wirkliche Strategie hatte: die Steuern zu senken?
Die sich auch um die Wirtschaftsförderung und die Ansiedlung neuer Unternehmen foutierte?
Die Unsummen für überrissene Strassenprojekte ausgegeben hat?
Die seit Jahren keine vernünftige Spitalplanung zustande bringt?
Die auch jetzt noch von der angeblich «guten Schule Baselland» schwärmt, während die Eltern schon längst fast nur noch Probleme verhandeln, die ständigen, ärgerlichen Stundenausfälle zum Beispiel. Oder die Verlegung zahlreicher Sekschüler in weiter entfernte Schulen, wo noch ein paar Plätze frei sind.
Soll man dieser Regierung wirklich folgen, wenn es ums Geld geht, um unsere Zukunft?
Nein.

Für ein Nein muss man sich nicht schämen

Man kann am 17. Juni ohne schlechtes Gewissen Nein sagen zum Entlastungsrahmengesetz und damit unter anderem auch zur Abschaffung der Berufsvorbereitungsschule 2 in ihrer jetzigen Form.
Dieses Nein wäre mehr als nur ein netter Versuch, dieses sinnvolle Angebot zu retten. Es wäre ein Zeichen gegen die vielen einschneidenden Sparmassnahmen im Bereich der Bildung, wo sich die Zukunft unseres Kantons, unserer Region entscheidet.
Gleichzeitig wäre dieses Nein auch eine Absage an die wenig sinnvollen Versuche, unliebsame Ausgaben ganz einfach auf andere abzuschieben, auf die Gemeinden im speziellen Fall des Sonderschulungs-Bereichs und der Beiträge an die Privatschulbesuche.
Ebenso wenig muss man sich schämen, wenn man auch noch gegen die Aufhebung der Amtsnotariate, die Zusammenlegung der Bezirksgerichte, der Grundbuch-, Erbschafts-, Zivilstands, Betreibungs- und Konkursämter stimmt, auch wenn diese Projekte durchaus etwas für sich haben.
Denn das wirkliche Problem ist nicht der Ämterwirrwarr, sondern ein anderes, viel grundsätzlicheres, das mit den Sparmassnahmen weiter verschlimmert wird: Das Baselbiet krankt an sich selbst, an seinen Strukturen, dem Zentralismus, der hier so ausgeprägt ist wie in kaum einem anderen Kanton. Das führt zu einem fatalen Ungleichgewicht zwischen dem Kanton, der sich ganz offensichtlich übernimmt, und den vielen kleinen Gemeinden, die so weit verkümmern, bis sie im Bereich des Service public nur noch ein Rumpfangebot bieten können, obwohl ihre Behörden dem einzelnen Bürger eigentlich sehr viel näher wären als der Staatsapparat im fernen Liestal.

Dringend nötige Motivation

Eigentlich wäre der Reformbedarf also offensichtlich. Inzwischen fehlt es auch nicht mehr an interessanten Lösungsvorschlägen. Mittepolitiker fordern schon seit Längerem, Gemeindefusionen mittels staatlicher Anschubfinanzierungen zu fördern. Und neuerdings schlagen sie auch noch eine Stärkung der Bezirke vor, die ihrer Meinung nach mit einer eigenen Exekutive und einem Parlament ausgestattet werden sollen. Gar noch weiter, über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinweg, denken die Grünen. Am 3. August werden sie ihre Initiative zu einer Wiedervereinigung der beiden Basel lancieren. Im Gegensatz zu den vielen Zaghaften, Ängstlichen und Ewiggestrigen sehen sie die Zusammenarbeit von Stadt und Land vor allem als Chance und nicht nur als zusätzlichen Kostentreiber.

Das alles sind interessante Ideen, die das Baselbiet wirklich weiterbringen könnten. Ideen, mit denen sich auch die Regierung ernsthaft auseinandersetzen müsste – dringend sogar.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.05.12

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