«Ist noch grüselig, oder?»

Christian Ragni von der Galerie Hilt hat mehrere Austellungen mit dem verstorbenen Künstler H. R. Giger gemacht und kannte ihn gut: Der Erfinder der genauso grässlichen wie kultigen Aliens war ein bescheidener und freundlicher Typ.

HR Giger 1995 zwischen seinen Bildern und Skultpturen im Zürcher Wohnhaus.

Christian Ragni von der Galerie Hilt hat mehrere Austellungen mit dem verstorbenen Künstler H. R. Giger gemacht und kannte ihn gut: Der Erfinder der genauso grässlichen wie kultigen Aliens war ein bescheidener und freundlicher Typ.

Herr Ragni, warum ist Hansruedi Giger so berühmt?

(Lacht) Das wurde ich heute schon mehrmals gefragt. Er ist ein Symbol für die Zeit seit dem zweiten Weltkrieg, in der Technik so eine wichtige Rolle spielt. Die Symbiose von Lebendigem und Mechanik ist ihm wichtig. Man weiss bei seinen Arbeiten nie genau: Ist das ein Mensch? Ein Tier? Eine Maschine? Dazu kommt die Erotik, die man häufig erst auf den zweiten Blick sieht. All das ist unser Zeitalter. Heute könnte ohne Handy niemand mehr leben. Man könnte eigentlich schon zur Geburt Handys verteilen.

Bei Giger wird diese Symbiose häufig eklig.

Geisterbahnen fand er schon als Bub spannend. In Chur wuchs er als Sohn eines Apothekers auf. Die Welt der Totenschädel hat ihn fasziniert, er wollte genau wissen, was es mit diesen Dingen auf sich hat.

Ein Nekrophiler?

Nicht unbedingt. Er hat darüber geschmunzelt. Ihn hat mehr interessiert, wie die Leute auf seine Arbeiten reagieren. Er mochte es, zu verschrecken.



Ein Alien.

War er selber gut zu erschrecken?

Nein. Er sagte eher: «Kuck mal, was ich hier gemacht habe! Ist gut, oder? Noch grüselig!» Ich selbst dachte am Anfang: Das ist heftiges Zeug, was der macht. Aber je mehr man mit ihm arbeitet, je mehr man sich in dieses Feld hineinbegibt – er hat raumfüllende Gemälde von Tempeln gemacht – desto mehr verliert sich der Schreck. Seine Technik und seine Fantasie sind genial. Wenn mir heute jemand sagt: Das ist gruselig (zeigt auf ein Gemälde eines Aliens), oder das ist pornografisch – dann kann ich das eigentlich nicht mehr nachvollziehen.

Wenn man genau hinschaut, ist der Alien eigentlich sehr sexy.

Das stimmt. Und die Bilder sind voller Phallussymbole.

Häufig sind Gigers Welten auch pathetisch und kitschig, oder?

Für Sie vielleicht. Ich kann das nicht finden.

1980 mit dem Oscar für «Alien».

1980 mit dem Oscar für «Alien». (Bild: STR)

Was war Giger für ein Mensch?

Er war liebenswert, zurückhaltend, fast schüchtern. Bevor ich ihn kennenlernte, weil Balz Hilt (der Gründer der Galerie Hilt, Red.) mich für eine Ausstellung zu ihm mitnahm, fragte ich mich: Was muss das für ein Typ sein, der solche Sachen malt? Aber Giger kam ganz in schwarz und nicht etwa ausgeflippt. Er inszenierte sich nicht. Er war normal und ruhig, dazu sehr professionell in der Vorbereitung der Ausstellung. Ihm war sehr an Details und Qualität gelegen.

Ein Perfektionist?

Ja, man sieht es an seinen Bildern. In Zürich lebte er am Stadtrand in einem Einfamilienhüsliquartier. Das ist noch sinnbildlich: ganz der brave Schweizer. Nichts Besonderes. Nur sein Garten war voller Skulpturen, inmitten der behüteten Vorgärten. Ein Riesenpuff. Eine Geisterbahn fuhr von der Stube in den Garten und um den Alienbrunnen herum, den er gemacht hat.

Ein spielendes Kind?

Das ist so. Ich durfte auch mal damit fahren.

Wird der Garten nicht dauernd leergeklaut?

Nein. Und das ist seine Schweizer unaufgeregte Art gewesen. Er sagte: «Joah, da steht jetzt halt das Zeug im Garten.» Aber auch die Fans: Als wir kurz nach dem Film «Species» (1995) eine Gigerausstellung machten, gab es zwar einen Ansturm, aber alle benahmen sich gesittet, ja ehrfürchtig. Nie ging was kaputt oder wurde etwas geklaut.

Hatte Giger Humor?

Ihn hat amüsiert, wie die Leute auf seine Arbeit reagierten. Etwa der Tatookult um ihn. Jemand hat sich Giger selbst auf den Arm tätowieren lassen. «Hast du das gesehen«, sagte Giger, als er ein Bild davon sah, und lachte verschmitzt. Aber nicht eitel, sondern eher nach dem Motto: «Dass jemand sowas macht!» Ansonsten war er kein besonders humorvoller Typ. Sonst hätte er nicht diese Kunst gemacht.

Giger ist vor allem für seine Alienfigur bekannt. Hat es ihn genervt, immer wieder mit dieser einen Arbeit in Verbindung gesetzt zu werden?

Alien war natürlich eine Riesenkiste. Aber wenn er danach gefragt wurde, hat er immer mitgemacht. Das gehörte zu seiner Professionalität.

Christian Ragni leitet seit 1997 die Galerie Hilt.

Christian Ragni leitet seit 1997 die Galerie Hilt.

Wie war es, eine Gigerausstellung zu machen?

Eine Woche lang Materialschlacht. Anstrich, Beleuchtung, irgendein Stoff, er wollte alles speziell.

Man sagt immer: Giger entwirft Traumwelten. Stimmt das?

Ich weiss nicht, ob seine Welten aus dem Traum kommen. Kann schon sein. In welcher Form sich die Visionen dem Künstler mitteilen, finde ich eigentlich nicht wichtig.

Nächster Artikel