Italienisch hört man gerne – in den Ferien. In den Schweizer Schulen wird die Sprache aber häufig nicht so angeboten, wie es eigentlich verlangt wäre. Das sorgt für heftige Kritik und Sorge um «fundamentale Werte unseres Landes».
Es war ein fast schon typischer Fall: Ende Juni lehnte der Obwaldner Kantonsrat ein Postulat ab, mit dem das Fach Italienisch neu als Grundlagenfach an der Kantonsschule eingeführt werden sollte. Bereits im letzten Jahr hatte die Obwaldner Regierung beschlossen, Italienisch an der Kantonsschule nicht mehr als Schwerpunktfach zu führen. Obwalder Schüler, die Italienisch nicht nur als Freifach, sondern als Maturfach belegen wollen, müssen das Gymnasium in Luzern besuchen. Das ist aufwändig. Peter Lütolf von der Obwaldner Bildungsdirektion räumt denn auch ein, dass dies zurzeit niemand macht.
Gemäss Maturitätsanerkennungsreglement (MAR) wäre es aber Vorschrift, dass zwei Landessprachen als Grundlagenfächer angeboten werden. In der deutschen Schweiz sind das Italienisch und Französisch. Die Studierenden müssten somit die Möglichkeit haben, sich zwischen einer der beiden fremden Landessprachen entscheiden zu können.
Acht Kantone handeln gegen die Vorschrift
Obwalden steht nicht alleine da. Aus einer Umfrage der Schweizerischen Maturitätskommission im Jahre 2011 ging hervor, dass nur in 17 Kantonen Italienisch als Grundlagenfach angeboten wird. Dies widerspricht dem Maturitäts-Anerkennungsreglement (MAR). Die Kommission hat nun eine Arbeitsgruppe eingesetzt, welche die Situation des Italienischen genauer analysieren und einen umfassenden Bericht liefern soll. Im Juni hat zudem die Bündner Nationalrätin Silvia Semadeni eine Interpellation mit dem Titel «Förderung der nationalen Sprachminderheiten» eingereicht.
In der Praxis ist es noch schlimmer
Peter Lütolf von der Obwaldner Bildungsdirektion macht noch auf einen zusätzlichen Aspekt aufmerksam: Ein Fach anbieten heisse noch lange nicht, dass es auch effektiv durchgeführt wird. Lütolf weiss von einem Kanton, wo die Stunden dermassen ungünstig angesetzt werden, dass das Grundlagenfach Italienisch jeweils gar nicht zustande kommt.
«Faktisch wird Italienisch wohl in verschiedenen weiteren Kantonen nicht durchgeführt, also nicht nur in jenen, die es nicht anbieten», meint Peter Lütolf. Nachfragen bei mehreren kantonalen Erziehungsdirektionen bestätigt diese Vermutung.
Ein paar wenige Lichtblicke
Immerhin gibt es ein paar wenige Kantone, wo rund 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium von einem der verschiedenen Italienischangebote Gebrauch machen. Einen interessanten Anreiz zur Förderung des Italienischen setzt der Kanton Appenzell-Ausserrhoden: Wenn die Lernenden an der Mittelschule dort drei Fremdsprachen wählen, so zählt für die Promotion die bessere Note in Englisch oder Italienisch.
Und auf der Stufe Volksschule war Anfang Juli eine positive Meldung aus dem Kanton Uri zu vernehmen. Dort ergab eine Umfrage, dass das Bedürfnis für die Beibehaltung des Italienischen als Wahlpflichtfach auf der 5. und 6. Primarstufe nach wie vor vorhanden ist. Wobei die Nachricht insofern zu relativeren ist, als dass in Uri Italienisch bis vor einigen Jahren auf der Primarstufe noch obligatorisch war. Im deutschsprachigen Teil Graubündens hingegen gehört Italienisch an der Volksschule weiterhin zum Katalog der obligatorischen Fächer.
Insgesamt aber ist die Stellung des Italienischen prekär. Uberto Motta, Professor für italienische Literatur an der Universität Freiburg, meint: «Es besteht der Eindruck, dass es an einem Impuls von oben fehlt. Italienisch wird im Vergleich zum Deutschen und zum Französischen als zweitrangig erachtet.»
Deutliche Worte braucht der Tessiner Bildungsdirektor Manuele Bertoli: «Die Situation ist nicht normal. Italienisch müsste an den Gymnasien als Grundlagenfach angeboten werden. Das sagt das Reglement, das sagt die Maturitätskommission, das sagt Bundesrat. Und trotzdem wird es vielenorts nicht gemacht. Das Recht legt etwas fest und die gelebte Realität sieht ganz anders aus.» Dabei gehe es um mehr als nur um die Förderung einer Sprache. «Es geht auch um den Wert der Mehrsprachigkeit und um den Respekt gegenüber den verschiedenen Kulturen. Das sind fundamentale Werte unseres Landes.»