Je höher der Pegel, desto grösser die Sauerei

Bierflaschen, Essensreste, Körperflüssigkeiten: Die Stadtreinigung lud am Freitagmorgen zur Putztour – und präsentierte eine durchzogene Bilanz der neuen Littering-Polizei.

Nach einer langen Partynacht muss die Stadtreinigung noch vor Tagesanbruch jegliche Spuren wegwischen. 

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Könnten die Pendler das sehen und riechen, was die Mitarbeiter der Stadtreinigung frühmorgens antreffen, ihr Start in den Tag wäre wörtlich versaut: Bierflaschen, Essensreste, Körperflüssigkeiten. Die Stadtreinigung lud am Freitagmorgen zur Putztour – und präsentierte eine durchzogene Bilanz der neuen Littering-Polizei.

Fünf Uhr morgens, unter dem Heuwaage-Viadukt: Der Morgen dämmert und Basel erwacht langsam. Die ersten Trams quietschen über die Heuwaage, auf den Strassen nur ein paar wenige Taxis. Arbeitsbeginn für die Stadtreinigung. 

Denn was die städtische Morgenidylle trübt: Leere Bierflaschen, zerbrochenes Glas, mit Ketchup verschmierte Pappteller, auch Erbrochenes. Besonders übel sehen der Barfi, das Steinenbachgässlein und der Theaterplatz aus. Die Spuren einer langen Nacht in der frischen Morgenluft, «Leftovers» der Nachtschwärmer, von denen die letzten gerade auf dem Heimweg sind.

Tagsüber rein, abends ein Schwein

Eigentlich stellt die Stadtreinigung genügend Container auf, um solches zu vermeiden. Das funktioniert tagsüber auch. Kaum aber steigt der Alkoholpegel, bleiben Essensreste und leere Gebinde am Boden liegen. «Während der Sommerzeit, wenn alle draussen sind, haben wir rund 100 Abfall-Container in der ganzen Stadt verteilt», sagt Peter Schär, Leiter der Stadtreinigung. «Doch abends scheint die korrekte Entsorgung bei den meisten Leuten nicht mehr zu funktionieren.» Das betreffe speziell die Wochenenden.



Ein häufiges Bild: Bierdosen und leere Flaschen, die im Alkoholrausch nicht mehr korrekt entsorgt wurden.

Ein häufiges Bild: Bierdosen und leere Flaschen, die im Alkoholrausch nicht mehr korrekt entsorgt wurden. (Bild: Alexander Preobrajenski)

An einem gewöhnlichen Sonntagmorgen sammelt die Stadtreinigung rund zwei Tonnen Abfall ein. Besonders betroffen sind die Hot Spots: Rheinufer, Claraplatz, Barfüsserplatz und das Theater. Auf dem Theaterplatz kommt zum Abfall noch der beissende Gestank von Urin dazu, denn die eigentlich fürs Dekorative bestimmte «Serra»-Skulptur wird primär als Pissoir genutzt.

«Machmal fliesst der Urin wie ein Bach die Treppe runter», sagt Schär. «Deshalb muss die Skulptur jeden Montag und Freitag von einer Spezialreinigung gesäubert werden.» Ein äusserst unangenehmer Job. Aber einer, der gemacht werden muss – und zwar bevor die Stadt aufwacht. Die Menschen sollen nicht das aushalten müssen, was die Mitarbeitenden der Stadtreinigung täglich sehen und riechen.



Nicht nur der eigentliche Abfall, sondern auch klebrige Substanzen, Urin und Erbrochenes müssen täglich von den Strassen gefegt werden.

Nicht nur der eigentliche Abfall, sondern auch klebrige Substanzen, Urin und Erbrochenes müssen täglich von den Strassen gefegt werden. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Littering-Polizei ausgelastet, verteilt aber kaum Bussen

Um die Situation zu verbessern, hat die Stadt seit gut einem Jahr zusätzlich zur Stadtreinigung die Littering-Polizei eingesetzt. Das Team wurde vom «Amt für Umwelt und Energie» (AUE) ins Leben gerufen und verteilt Bussen an alle, die direkt beim Littering erwischt werden, also sorglos ihren Abfall irgendwohin werfen.

Eine Aufgabe, die leichter scheint, als sie ist: «Im letzten Jahr haben wir nur rund 100 Bussen ausgestellt», sagt Martin Lüchinger vom AUE. Die vier Personen der Litteringwache seien voll ausgelastet. «Es ist nicht einfach, die Leute direkt zu erwischen.» Gelingt es ihnen aber doch, kostet das den Abfallsünder 80 Franken. Und dies in jedem Fall, auch wenn es nur um eine Plastikschale vom Fertigsalat geht. Bei gröberen Vergehen wie illegaler Kehrichtentsorgung kann es schnell auch teurer werden. 

In der Theorie wirkt das abschreckend. Doch in der Praxis? Lüchinger sagt, dass die Teams zwar versuchen, die Abfallsünder in flagranti zu erwischen, «aber wir können nicht jedes Mal eine Stunde neben potenziellen Abfallsündern sitzen bleiben und warten, bis sie ihre Überbleibsel liegen lassen.»

Die Sünder müssen in flagranti erwischt werden

Anders, als sie auf frischer Tat zu ertappen, gehts fast nicht. Liegt der Abfall erst einmal am Boden, ist es kaum nachvollziehbar, wer den Müll liegen gelassen hat. Etwas einfacher ist es bei der illegalen Hauskehrichtentsorgung: Hier kann zumindest mittels weggeworfener Adressen auf Briefen ein möglicher Eigentümer ausfindig gemacht werden.

Mittlerweile ist es kurz nach sieben, die Tour mit der Stadtreinigung endet. Während die Arbeiter weiterputzen und der Werkverkehr schon die erste Stosszeit erlebt, ist auch der Theaterplatz wieder als solcher zu erkennen. In den knapp zwei Stunden seit Putzbeginn ist das Bild der gepflegten Stadt, in der man sich gern aufhält, wieder hergestellt. 

Neben den Litteringkampagnen versucht die Stadt, mit ergänzenden Kampagnen wie dem «Dräggsagg» die Abfallmengen zu verringern. Trotzdem gilt nach wie vor, was Stadtreinigungs-Chef Peter Schär sagt: Je höher der Pegel bei den Menschen, desto mehr Abfall. Und so lange müssen die 29 Arbeiter der Frühschicht wochentags um vier Uhr morgens und an Wochenenden um fünf Uhr auf der Strasse stehen, um die Schweinerei der Nacht wegzuräumen.



Über die ganze Stadt verteilt stehen diese Container, dennoch werden sie oft übersehen oder ignoriert. 

Über die ganze Stadt verteilt stehen diese Container, dennoch werden sie oft übersehen oder ignoriert.  (Bild: Alexander Preobrajenski)

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