Kandare und Boykott

In der Sackgasse: Die Zürcher Polizei zieht die Daumenschrauben an, und die Fans des FC Basel boykottieren das Spiel bei den Grasshoppers. Eine Bestandsaufnahme.

Eine Mischung aus Stellungnahme und Solidaritätsnote: Transparent der GC-Fans am Samstag im Letzigrund. (Bild: Keystone/WALTER BIERI)

In der Sackgasse: Die Zürcher Polizei zieht die Daumenschrauben an, und die Fans des FC Basel boykottieren das Spiel bei den Grasshoppers. Eine Bestandsaufnahme.

Betretene Gesichter wo man hinschaute am Samstagabend in Zürich. Am Bahnhof Altstetten stand sich eine Handvoll Polizisten in Zivil die Beine in den Bauch, ehe der Extrazug der SBB aus Basel eintraf und zwei Handvoll FCB-Fans ausspuckte.

Entlang der Hohlstrasse löste sich eine Stunde vor Anpfiff ein nicht näher zu bezifferndes Aufgebot der Zürcher Polizei auf. Vollbesetzte Mannschaftswagen setzten sich in Bewegung, und Wasserwerfer «Neptun 2» konnte unverrichteter Dinge wieder ins Depot rollen.

Betretene Gesichter beim FC Basel. Drei Tage vor dem Spiel hatte der Club auf seiner Webseite ein Schreiben der Stadtpolizei veröffentlicht. Man ist damit, das lässt FCB-Sprecher Josef Zindel durchblicken, der – je nach Sichtweise – Bitte oder Aufforderung der Zürcher Polizeibehörde nachgekommen. Einer der Kernsätze aus dem Brief: «Des Weiteren erwartet die Polizei, dass der Verkauf von Eintrittskarten für die Gästefan-Kurve an die Benutzung des Extrazuges gebunden wird.»

Der Zürcher Testlauf

Damit wurde erstmals exerziert, was Bestandteil ist des überarbeiteten Konkordats «über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen». In Kantonen wie St. Gallen bereits verabschiedet und in Basel-Stadt erst einmal auf die lange Bank geschoben, kann mit den neuen Grundlagen zum Beispiel angeordnet werden, dass Fans nur noch mit sogenannten Kombitickets zum Beispiel in einen Gästesektor eines Stadions gelangen können.

Gegen solche Auflagen gibt es grundrechtliche Bedenken, und unklar ist, auf welche rechtliche Grundlage die Zürcher Polizei ihren Testlauf vom Samstag stützt. Basler Fans reagierten auf die Bevormundung mit Boykott und erläutern dies ausführlich in einer ihrer seltenen Wortmeldungen auf der Website der Muttenzerkurve.

Das Katz- und Mausspiel

Seit Monaten liefern sich Basler Fans und Zürcher Polizei ein Katz- und Mausspiel. Einmal machten rund 800 FCB-Fans in Altstetten auf dem Absatz kehrt und fuhren wieder nach Hause. Dann führten sie die Polizei in der Zürcher City flashmobartig an der Nase herum, wofür sich die Polizei beim nächsten Rendezvous mit einer sehr unverhältnismässig erscheinenden Einkesselung mehrerer hundert in Privatautos angereister Fans revanchierte. So schaukelt man sich seit geraumer Zeit gegenseitig auf.

Betretene Gesichter bei den Club-Funktionären. FCB-Präsident Bernhard Heusler, eine der wenigen unpopulistischen Stimmen in der Sicherheitsdebatte im Schweizer Fussball, wirkt genervt, als er im Fernsehinterview davon spricht, dass der FC Basel die Massnahmen der Polizei umgesetzt habe, der Grasshopper Club aber nicht, weil er die Kasse zum Gästesektor doch noch öffnete.

GC fühlt sich um Einnahmen geprellt

Adrian Fetscherin, neuer Kommunikationschef bei GC, rechtfertigt die Öffnung, sie sei in Absprache mit Stadionbetreiber und Polizei erfolgt. Rund 100 Menschen sitzen schliesslich im Gästeblock. 7050 Zuschauer sind es insgesamt im Letzigrund, 10‘000 hätten es nach Einschätzung von Fetscherin bei diesem Klassiker am Samstagabend werden können. «Wir sind geprellt worden um Zuschauereinnahmen», sagt Fetscherin, und: «Es kann nicht sein, dass eine solche Massnahme diktiert wird.» Damit meint er die Kombi-Tickets, und man darf gespannt sein, wie der Rekordmeister reagieren wird.

In der «Sonntagszeitung» (online nicht verfügbar) wird Reto Kormann zitiert. «Gar nicht glücklich» sei man über die Entwicklung. Einige hundert FCB-Fans hatten sich am Samstagmittag am Basler Bahnhof SBB getroffen, ein «Sommerausflug vom Rhein an die Limmat» war auf der Webseite der Muttenzerkurve angekündigt worden. Wieviele schliesslich tatsächlich in Regelzügen nach Zürich fuhren, ist nicht bekannt.

Die SBB jedoch sehen dadurch ihre «oberste Maxime» («Sonntagszeitung»), nämlich die Trennung von Fans und normalen Kunden nicht mehr gewährleistet. Den Bahnbetreibern wäre es sowieso am liebsten, wenn die Clubs dazu verpflichtet würden, selbst Züge für Anhänger zu chartern.

Die Zukunft des Schweizer Fussballs

Die Argumente in der Diskussion um das Konkordat, sagt Heusler, sind ausgetauscht. Die Swiss Football League hat vor den Problemen einer verschärften Bewilligungspolitik hingewiesen und erachtet zum Beispiel das Kombi-Ticket als nicht tauglich.

Betretene Gesichter in der Medienkonferenz nach dem Spiel. GC-Trainer Uli Forte hätte gerne gewonnen, muss aber froh sein, dass sein Team wenigstens ein 2:2-Unentschieden herausgeholt hat. Heiko Vogel muss einen mediokeren Auftritt seiner Mannschaft moderieren und soll dann auch noch etwas zur leeren Kurve sagen. «Wenn man das so will, müssen ich und die Mannschaft das so akzeptieren. Aber das kann nicht die Zukunft des Schweizer Fussballs sein.» Vogel ist not amused.

Seit Vogel Cheftrainer beim FCB ist, hat er noch kein Gastspiel in Zürich unter normalen Umständen erlebt. Im Mai, nach dem Duttweiler-Kessel, solidarisierten sich sogar die FCZ-Fans mit den Rivalen aus Basel auf ungeheuerliche Weise und verliessen aus Protest ihre Südkurve. Am Samstag schmetterten die GC-Fans ihre ritualisierten Hassgesänge hinüber gegen einen quasi leeren Gästeblock. In der gespenstischen Atmosphäre des Letzigrund flatterte aber auch ein Transparent in der GC-Kurve: «Kombiticket: inakzeptabel, unsinng». Die GC-Fans wissen: Sie können, irgendwo in der Schweiz, die nächsten sein, die an die Kandare genommen werden.

Für wen war das nun ein Erfolg?

Wenn das Ziel lautet, den Teil der Fankultur, der in den Kurven ge- und zuweilen auch jenseits der Grenzen ausgelebt wird, aus den Stadien fern zu halten, dann war der Samstag ein durchschlagender Erfolg für die Hardliner unter den Sicherheitspolitikern und den Erfüllungsgehilfen. Den ganzen Samstag über, warf sich die Zürcher Polizei noch in die Brust, sei man mit einem Grossaufgebot in der Stadt präsent gewesen. So wird René Ruf in der «Sonntagszeitung» wiedergegeben. Ein Grossaufgebot für was, ist man geneigt zu hinterfragen.

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