Kann der Mann auch lustig sein?

Zuletzt sorgte der Satiriker Andreas Thiel mit Äusserungen über den Islam für grosse Empörung und viel Diskussionen. Beherrscht er aber auch seinen eigentlichen Beruf? Ein Besuch bei seinem Auftritt im Basler Tabourettli.

Thiel im Tabourettli: Eine überraschend brave Nummer. (Bild: DANIEL KARMANN / Keystone)

Zuletzt sorgte der Satiriker Andreas Thiel mit Äusserungen über den Islam für grosse Empörung und viel Diskussionen. Beherrscht er aber auch seinen eigentlichen Beruf? Ein Besuch bei seinem Auftritt im Basler Tabourettli.

43 Sekunden nach Vorführungsbeginn muss ich das erste Mal lachen. Satire, sagt Thiel in seinem bunten Anzug, hat Grenzen. «Ein Satiriker soll nicht töten, er soll nicht stehlen und er soll nicht einem anderen Satiriker die Frau ausspannen.»

Das Lachen kommt nicht aus den Tiefen des Bauches, dort wo die wirklich guten Witze widerhallen, es ist mehr ein trockenes Brustbein-Lachen. Aber es ist da, früher als ich darauf gewettet hätte.

Und es vermischt sich mit jenem von 150 Zuschauern, weissbehaarte und kahle Hinterköpfe schütteln sich lachend vor mir. Nur einige Männer lachen nicht, sie haben einen weissen Knopf im Ohr und tragen eine Waffe unter ihrem Jackett.

«Gipfeltreffen»-Tournee mit Jess Jochimsen abgesagt
Der deutsche Kabarettist Jess Jochimsen, der mit Andreas Thiel nach 2010 und 2012 auch dieses Jahr mit dem Bühnenprogramm «Gipfeltreffen» unterwegs sein wollte, hat die diesjährige Tournee abgesagt. Geplant gewesen wäre unter anderem ein Auftritt im Theater Teufelhof Basel am 9. Februar. Jochimsen begründete die Absage mit Thiels Koran-Kritik in der «Weltwoche» und der noch immer anhaltenden Debatte. Ein ausführliches Schreiben hat Jochimsen auf seiner Website veröffentlicht.

Das Tabourettli steht an diesem Abend unter Polizeischutz. Das Theater hatte sich nach den Anschlägen in Paris zu dieser Massnahme entschlossen.

Einen grossen Schluck Aperol Spritz

Auf der Bühne ist Thiel beim nächsten Witz angekommen und erklärt die Anti-Rassismus-Strafnorm, die eigentlich Anti-Satire-Strafnorm heissen müsse. Von dort hangelt er sich weiter zum Berner Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät, weiter zu seiner buddhistischen Spiritualität, um dann das Wesen der Frustration zu erklären. «Frustration ist das Gegenteil von Humor und entsteht, wenn man sich selber zu wichtig nimmt. Das ist Schawinski passiert.» 

Während sich vor mir die weissbehaarten Köpfe abermals vor Lachen schütteln, nehme einen grossen Schluck von meinem Aperol Spritz und überlege mir, ob Thiel seinen Auftritt bei Schawinski möglicherweise als humorvoll empfunden hat.

Auf der Bühne ist Thiel in der Zwischenzeit bereits wieder drei Schritte weiter. Er witzelt über das Verhältnis von Schweizern zu Deutschen, frotzelt über seine Kindheit und erklärt, er sei «jederzeit» bereit, für Satire zu sterben.

Dann führt er ein Zwiegespräch mit Bundesrätin Simonetta Somaruga, dann Palästina, die Frauenmehrheit im Bundesrat («ich habe mir davon auch mehr erhofft»), Medikamentenversuche («früher machte man sie an Juden, heute an Hunden und Affen») bis er kurz vor Schluss bei seinem Lieblingsthema Religion ankommt und den Koran mit «Mein Kampf» und «Harry Potter» und das Evangelium mit irgendwas anderem vergleicht. Es folgen noch ein paar harmlose Witze über Zootiere, Politiker und Steinerschüler.

Wie eine Knallpetarde

Ich würde gerne noch einmal lachen, doch es passiert nicht. Meine Begleiterin schaut zunehmend gelangweilt aus und kritzelt in mein Notizbuch. 

Der Humor der Schweizer, erklärte Thiel zu Beginn des Abends, ende meistens dort, wo der Spass erst beginne. Thiel hat sich das zu Herzen genommen und beginnt mit seinen Witzen meistens erst dort, wo der Spass endet. Diese werden dadurch so kurz und vorhersehbar wie Knallpetarden. Zuerst zischt es kurz, dann kommt der Knall. Überraschend ist das selten.

Am Ende der Vorstellung laufen wir raus und zünden uns eine Zigarette an. Wir sind uns einig: Auf der Bühne ist Thiel harmloser, als er bei Roger Schawinski war (empfehlenswert dazu der Zusammenschnitt der Sendung). Und viel lustiger ist er dabei auch nicht. 

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Wer sich ein eigenes Bild machen will, Andreas Thiel steht Donnerstag, Freitag und Samstag (16. bis 18. Januar) noch auf der Bühne des Tabourettli. Tickets gibt es hier.

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