«Ich weiss nicht, was wir mehr hätten tun können.» Der Basler Regierungspräsident Guy Morin nimmt Stellung zum Projekt des Kasernen-Umbaus.
Eigentlich sei es Sitte, dass sich der Regierungsrat in der Öffentlichkeit zurückhält, wenn ein Geschäft von den parlamentarischen Kommissionen beraten wird, sagt der Basler Regierungspräsident Guy Morin. Im Fall des Kasernen-Umbauprojekts drangen die unterschiedlichen Meinungen in der Bau- und Raumplanungskommission und der Bildungs- und Kulturkommission aber bereits im Vorfeld an die Öffentlichkeit, so dass auch Morin seine magistrale Zurückhaltung ablegt. Er wartet im Interview mit der TagesWoche nicht einmal die erste Frage ab:
Ich möchte etwas Grundsätzliches vorausschicken: Es ist ungewöhnlich, dass ein Ratschlag des Regierungsrats, der in diesem Fall in zwei Grossratskommissionen behandelt wird, in der Öffentlichkeit so ausführlich diskutiert wird. Ungewöhnlich ist in diesem Fall, dass Aussagen und Inhalte aus den Kommissionsberatungen, die grundsätzlich geheim und vertraulich sind, an die Öffentlichkeit gelangten. Kommissionsberatungen sollten nicht unter einem politischen Druck stattfinden. Ich bedaure sehr, dass es soweit gekommen ist.
Das deutet darauf hin, dass der Kasernen-Hauptbau die Gemüter offensichtlich auch innerhalb der Kommissionen stark bewegt. Wie erleben Sie das als einer der zuständigen Regierungsräte? Oder tangiert diese Frage die Geheimhaltung zu sehr?
Es handelt sich in erster Linie mal um einen Bau-Ratschlag. Es geht um die 45 Millionen Franken für den Umbau des Hauptgebäudes der Kaserne. Hanspeter Wessels ist für den Bau und ich bin für die Nutzung zuständig.
Die 45 Millionen sind den Bürgerlichen aber schon einmal zu viel Geld. Und dann ist der Kasernen-Hauptbau ja nicht einfach eine Hülle ohne Inhalt.
Natürlich spielt die künftige Nutzung des Hauses eine wichtige Rolle. Dies schlägt sich nun auch in der politischen Diskussion stark nieder, weil diese Nutzung nicht so klar definiert ist und sein kann, wie dies bei einem Schulhaus- oder einen Verwaltungsbau möglich ist. Diese Offenheit ist aber eine bewusste Vorgabe. Seit man in meiner Erinnerung über die Kaserne diskutiert, lautet eine der immer wieder genannten Grundaussagen, dass man etwas entstehen lassen sollte (Anm. «Ent-stoh-Loo» lautete ein Wettbewerbsvorschlag zur Neunutzung des Kasernen-Areals in den 1970er-Jahren). Das heisst, dass die gemischte soziokulturelle Nutzung über die Zeit wachsen darf und soll. Wir schaffen mit diesem Gebäude in erster Linie ein Potenzial und stellen Räume oder Raumtypologien für junge, kreative und soziale Ideen zur Verfügung.
Räume für was denn?
Erstens für Quartiernutzungen – sei dies nun für Quartierorganisationen, direkt für die Quartierbevölkerung oder als Veranstaltungs- und Versammlungsort. Zweitens für junge Künstlerinnen und Künstler, für Kulturschaffende als Atelierraum, als Co-Working-Space, also gemeinsam genutzten Arbeits- und Büroraum, als Produktions- oder Proberaum. Und drittens für gastronomische Nutzungen, um für die Nutzerinnen und Nutzer, aber vor allem für die Menschen von aussen einen Anziehungsort zu schaffen. Diese Nutzungen ermöglichen wir indem wir Räume zur Verfügung stellen die zusammen eine spannende Mischung ergeben. Wir können sagen, so und so viele Quadratmeter stehen für die einzelnen Nutzungen zur Verfügung: für die Gastronomie, für die Bevölkerung und für Kulturschaffende.
Das Stichwort Offenheit wird im Grundsatz von allen geteilt, für Kulturpolitiker aus dem linken Lager geht sie aber zu weit, präsentiert sich das Ganze zu diffus. Also frage ich mal ganz konkret nach: Sie sprechen von jungen Kulturschaffenden. Schwebt Ihnen eine Altersgrenze der Nutzer vor?
Nein, eine Alterslimite wird es ganz sicher nicht geben. Wenn ich «jung» sage, dann meine ich eigentlich nicht etabliert. Der Ort soll zur Innovation beitragen, neue Kulturformen und -produktionen ermöglichen in den Bereichen Kunst, Performing Arts, Kreativwirtschaft, Design, Literatur und mehr. Es soll nicht ein Ort für arrivierte Kulturschaffende, es soll ein Ort für Innovation werden. Das meine ich mit «jung».
Was verstehen Sie unter nicht-arriviertem Kulturschaffen? Vieles, was auf dem Kasernenareal passiert, ist doch längst arriviert. Das Kulturzentrum Kaserne Basel etwa und das junge theater basel sind überaus etablierte Institutionen auf ihrem Gebiet.
Was heisst unglückliches Vorgehen? Das Hafenareal war ein Ort, wo viele verschiedene Interessen miteinander kollidierten, das führte zu Konflikten. Einer wollte provisorische Fussballplätze für drei Millionen Franken hinstellen, andere wollten alles brach lassen, damit irgendwie etwas entstehen kann. Dann kamen die Besetzer des Wagenplatzes und die Fahrenden. Wir haben einen Teil des Areals dann an Shift Mode abgetreten. Was jetzt dort passiert, ist doch schon recht attraktiv, aber es braucht auch Zeit. Es wird noch attraktiver werden, davon bin ich überzeugt. Die Vorwürfe an unsere Adresse sind kaltschnäuzig. Aber das ist eine andere Geschichte. Parallelen zum Hauptbau zeigen sich vielleicht darin, dass die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, sehr klein ist.
Und das Misstrauen offensichtlich gross ist.
Ich habe ja auch ein gewisses Verständnis dafür. Die Menschen, die sich bei «Kulturstadt Jetzt» engagieren, setzen sich seit Jahren vehement für die Entwicklung des Kasernenareals ein, haben Ideen eingebracht, Initiativen lanciert und zurückgezogen. Jetzt kommt ein baulicher Kompromiss – mehr bauliche Öffnung ist wegen des Denkmalschutzes nicht möglich. Jetzt müssen diese Menschen loslassen können, loslassen von den eigenen Vorstellungen. Ich habe ihnen garantiert, dass sie im Vergabeprozess beteiligt sein können, wenn sie dies möchten. Ich bin überzeugt, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger dieses Versprechen einhalten wird. Aber es ist ebenso klar: Das Projekt hat den Rahmen, dass die 950’000 Franken erwirtschaftet werden müssen.
Wie gehen Sie persönlich mit der Kritik um? Sie haben sich sehr für den Umbau des Hauptbaus eingesetzt, die Verwirklichung wäre quasi ein schöner Abschluss ihrer Amtszeit. Frustriert Sie der Widerstand von links und rechts?
Ich gebe zu, dass es nicht immer einfach ist, damit umzugehen. Ich habe «Kulturstadt Jetzt», habe Tino Krattiger zu Gesprächen eingeladen, das Projekt noch einmal präsentiert und Fragen beantwortet, obwohl sich die Regierung während der Kommissionsberatungen eigentlich aus der öffentlichen Diskussion raushalten sollte. Und es gab während des Planungsprozesses drei Mitwirkungsveranstaltungen oder Workshops, zu denen sehr viele Kulturvertreterinnen und -vertreter eingeladen waren. Wir haben dabei Bedarfsfragen abgeklärt, Nutzungsziele diskutiert, haben alles protokolliert. Ich weiss nicht, was wir mehr hätten tun können. Ich denke, dass hier viele Emotionen im Spiel sind. Man muss fähig sein, ein Kind auch mal loszulassen und selbständig werden zu lassen. Das wird auch mir nicht einfach fallen, wenn ich nicht mehr im Amt sein werde.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass das Projekt in den Kommissionen und im Grossen Rat eine Mehrheit finden wird?
Ich glaube noch immer daran, dass es gut kommen wird. Ich bin überzeugt, dass es ein sehr sinnvolles und gutes Projekt ist. Mit einer Rückweisung wird sich kein besseres Projekt erzielen lassen. Eine grössere Öffnung ist illusorisch, da wäre wohl vom Denkmalschutz kein Entgegenkommen zu erwarten. Ich bin fest überzeugt: Wir müssen den Start wagen, denn das Ganze ist eine enorme Chance für Basel. Der Nutzungsdruck auf das Gebäude ist immens. Wenn dieses Projekt zurückgewiesen wird, dann laufen wir Gefahr, dass es zum Schulhaus wird. Und das wird deutlich mehr kosten als 45 Millionen Franken.