Immer mehr Arbeitgeber entlassen Frauen unmittelbar nach dem Mutterschaftsurlaub – obwohl das illegal ist. Eine Betroffene erzählt.
Sina Bauer (Name geändert) ahnte Schlimmes, als ihr Chef sie in der 12. Woche ihres Mutterschaftsurlaubes anrief. Er bat, sie zu Hause besuchen zu dürfen. Sie schlug stattdessen ein Treffen in einem Café vor.
Dort eröffneten ihr der Chef und die Personalverantwortliche, dass sie entlassen würde. Und tatsächlich, am ersten Tag nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs hatte Bauer die schriftliche Kündigung im Briefkasten.
Wirtschaftliche Gründe als Ausrede
Bauer war Marketing-Verantwortliche in einem Privatunternehmen. Die Kündigung kam für sie aus heiterem Himmel. Denn sie hatte mit ihrem Arbeitgeber schriftlich vereinbart, dass sie zu 80 Prozent wieder einsteigen würde – und das mit mehr Verantwortung als zuvor.
Die Begründung des Arbeitgebers: Spardruck. Doch das entpuppte sich als Vorwand, wie Bauer später erfuhr: Zwei Monate nach ihrer Entlassung wurde ihre Schwangerschaftsvertretung fest angestellt und auch zwei weitere Männer kamen neu dazu.
Die Männer dürfen bleiben – und auch das Pensum reduzieren.
«Mein Chef wollte einfach keine junge Mutter im Team», ist Bauer deshalb überzeugt. Er habe ihr nicht mehr zugetraut, dass sie ihren Job so gut machen würde wie vorher. Bei männlichen Kollegen, die Väter wurden, war das in Bauers Firma kein Thema. «Sie durften sogar ohne Wenn und Aber ihr Pensum reduzieren.»
Bauer ist nicht die einzige Frau, die nach dem Mutterschaftsurlaub eine böse Überraschung erwartete. Der «Tages-Anzeiger» berichtete, dass schweizweit immer mehr Mütter nach dem Mutterschaftsurlaub entlassen werden.
Das gilt auch für die Region Basel. Eva Senn, Vizepräsidentin der Schlichtungsstelle für Diskriminierungsfragen Basel-Stadt, hat im Jahr 2015 vier Fälle behandelt, bei denen Frauen nach der Rückkehr aus dem Mutterschaftsurlaub entlassen oder herabgestuft wurden. Bei Renate Jäggi von der Schlichtungsstelle Basel-Landschaft waren es drei Fälle, «Tendenz steigend».
Arbeitgeber müssen Entschädigung zahlen
Dabei ist diese Praxis illegal. Das Gleichstellungsgesetz verbietet es, Arbeitnehmerinnen aufgrund ihres Geschlechts zu benachteiligen, auch explizit «unter Berufung auf die familiäre Situation oder auf eine Schwangerschaft».
Manchmal würden Arbeitgeber «wirtschaftliche Gründe» nur vorschieben, um das Gesetz zu umgehen, sagt Juristin Senn. Andere würden den Frauen direkt ins Gesicht sagen: «Jetzt hat Ihr Kind Ihnen halt einen Strich durch die Karriere gemacht.»
Mütter können eine diskriminierende Kündigung vor die kantonale Schlichtungsstelle bringen und eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen verlangen.
Extra umgezogen – für nichts
Rahel Reinert von Gleichstellung für Frauen und Männer Basel-Landschaft berät jährlich mehrere Betroffene. Sie empfiehlt den Frauen, zuerst mit dem Arbeitgeber zu reden. Verlaufen die Gespräche erfolglos, muten sich die meisten allerdings keine weiteren rechtlichen Schritte zu.
Ein Beispiel: Letztes Jahr begleitete Reinert eine Frau, die während der Schwangerschaft extra den Wohnort gewechselt hatte. Sie wollte in der Nähe ihrer Mutter sein, damit diese das Kind betreuen könnte.
Dann kam die Kündigung. «Sie hat ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt – für nichts,» sagt Reinert. «Das ist ein schlimmer Vertrauensmissbrauch.» Danach gehe es vielen Frauen so schlecht, dass sie keine Energie für einen Rechtsstreit hätten.
Mutter findet keinen Job
So erlebte es auch Sina Bauer. «Mir fehlte die Kraft dazu». Sie sei am Boden gewesen. Ihr Ehemann hatte einen mehrmonatigen unbezahlten Vaterschaftsurlaub beantragt, den er nicht rückgängig machen konnte. «Ich hätte die Familie ernähren sollen.»
Ausserdem war sie gekränkt. Vor der Schwangerschaft hatte sie ein sehr gutes Zwischenzeugnis erhalten und sollte befördert werden. «Doch als Mutter war ich nichts mehr wert.»
Mittlerweile ist ihr Kind 20 Monate alt, eine neue Stelle hat Bauer noch nicht gefunden. Ihr Berater beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) sage, das sei bei jungen Müttern üblich. «Jeder Arbeitgeber denkt, jetzt kommt dann sicher das zweite Kind», sagt Bauer.
Tipps: Das sind die Rechte junger Mütter
- Der Arbeitgeber darf Ihnen während der Schwangerschaft und während 16 Wochen nach der Geburt nicht kündigen.
- Auch danach ist Mutterschaft kein legaler Kündigungsgrund.
- Allerdings ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, Sie Teilzeit arbeiten zu lassen.
- Übrigens: Sie dürfen in einem Bewerbungsgespräch verschweigen, dass Sie schwanger sind oder ein Kind haben, denn das ist gesetzlich kein zulässiger Grund, um Ihnen die Stelle nicht zu geben.
- Tipp: Reden Sie während der Schwangerschaft mit Ihrem Chef.
- Machen Sie ab, wann Sie die Arbeit wieder aufnehmen und mit welchem Pensum.
- Halten Sie das schriftlich fest und unterschreiben Sie beide die Vereinbarung.