Mächtige Silobauten neben putzigen Fischerhäusern, Basels einzige Barockkirche neben gesichtslosen Renditebauten der 1960er-Jahre: Der Denkmaltag vom Samstag führt ins jüngste Stadtquartier Kleinhüningen, das sich wie kein anderes durch scharfe Kontraste auszeichnet.
Kleinhüningen liegt im Abseits, ein verstädtertes Dorf, das eingeklemmt ist zwischen Hafenanlagen, der Wiese und der Autobahn. Das Quartier hat den Ruf, den höchsten Ausländeranteil in Basel zu besitzen (was nicht stimmt), den höchsten Anteil an Sozialhilfeempfängern (was stimmt) und die niedrigsten Einkommen und Vermögen (was fast stimmt). Und Kleinhüningen hat den Ruf, ein hässlicher Flecken zu sein (was nun wirklich nicht stimmt).
Dies dürften die Gründe sein, warum viele Baslerinnen und Basler das jüngste Quartier der Stadt (erst 1908 eingemeindet) wohl lediglich als Durchfahrtsort zum Shoppingausflug nach Weil kennen. Der Basler Denkmaltag vom Samstag bietet die beste Gelegenheit, diesen Eindruck zu korrigieren.
Erhabene Schönheit wird nicht der generelle Eindruck sein, den man vom Besuch Kleinhüningens mit nach Hause nehmen wird. Aber es gibt die schönen Nischen: die einzige Barockkirche Basels etwa, das erhabene Clavel’sche Landgut, in dem sich heute das Restaurant Schifferhaus befindet, das putzige Fischerhaus der Familie Bürgin, das im Garten des Landguts neu aufgebaut wurde.
Dazu kommen die wunderbaren Bauten aus der Urzeit des Rheinhafens, der nach dem Ende des 1. Weltkriegs das ehemalige Dorf immer mehr in die Enge trieb. Allen voran das berühmte 45 Meter hohe Bernoulli-Silo, das 1926 in Betrieb genommen wurde und heute denkmalgeschützes Wahrzeichen des Hafens ist.
Das Faszinierende an Kleinhüningen sind die scharfen Kontraste, die sich bieten. Die Dorfstrasse trägt ihren Namen nach wie vor zu Recht, denn hier ist der Charakter des ehemaligen Bauern- und Fischerdorfs noch spürbar, das Basel 1640 für läppische 3500 Reichstaler dem Markgraf Friedrich V. von Baden-Durlach abgekauft hatte. Zum Vergleich: Wenige Jahre später zahlte die Stadt 9000 Reichstaler für das Amerbach-Kabinett.
Beim Spaziergang durch die Dorfstrasse öffnen sich aber auch immer wieder Blicke auf die Hafenanlagen, die hinter den ehemaligen Bauern- und Fischerhäusern in die Höhe schiessen und das Dorf vom Rhein abschneiden. Hier findet man sie, die vielbeschworene, aber doch so ambivalente urbane Industrieromantik.
Kleinhüningen ist spätestens seit der Errichtung des Hafens Spielball von «übergeordneten» Interessen der Stadt. Auch in der Gegenwart oder der nahen Zukunft ist das wieder so. Aktuelle «Aufwertungsszenarien» unter den Stichworten «Rheinhattan» oder Dreiland-Hafencity beunruhigen die «Dorfbevölkerung».
Und nicht nur die. So spricht der Basler Denkmalpfleger Klaus Spechtenhauser wohl manchem Kleinhüninger aus der Seele, wenn er im Programmheft zum Denkmaltag schreibt: «Zu hoffen bleibt da nur, dass dereinst zwischen ‹Popup-Stores›, schicken ‹Riverside Penthouses› und angesagten ‹Waterfront Cafés› auch noch etwas von früher bestehen bleibt: heterogene, ungestaltete Nischenbereiche, die an den rauen Charme der Industriearchitektur und der Welt der Schifffahrt erinnern.»
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Europäischer Tag des Denkmals 2015, am Samstag, 12. September, ab 9.30 Uhr in Kleinhüningen.
Das detaillierte Programm mit Führungen und zahlreichen kulturellen Interventionen kann hier heruntergeladen werden.