Viele Nachrichtenportale versuchen ihre Kommentarfunktion anzupassen: Weg vom blossen Kommentieren, hin zum Dialog. Wie kann das erreicht werden?
Viele Websites und insbesondere Nachrichtenportale beschäftigen sich laufend mit der Frage: Wie kann man die Qualität von Kommentaren im Internet verbessern? Kürzlich hat sich die «New York Times» mit der «Washington Post», der Mozilla-Stiftung sowie der Knight-Foundation zusammengetan, um gemeinsam ein neues Kommentarsystem zu entwickeln.
Dabei soll die eigentliche Kommentarmöglichkeit um verschiedene weitere Funktionen erweitert werden. Der Leser erhält auf der betreffenden Plattform ein Profil, auf dem er eigene Inhalte wie Texte, Fotos und Videos gesammelt verwalten und veröffentlichen kann. Damit wird den Nutzern mehr Verantwortung übertragen, die gleichzeitig mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung und Einflussnahme einschliesst.
Eigene Inhalte statt nur Kommentare
Allerdings sind die «Washington Post» und «New York Times» nicht die ersten Nachrichtenportale, die an einer derartigen Öffnung für ihre Leser arbeiten. Schon im Frühjahr 2012 begann der amerikanische Blog Gawker sein Kommentarsystem so umzustellen, dass nun die Leser selbst zu Moderatoren der Kommentarthreads wurden.
Seit der Umstellung wurden sämtliche Gawker zugehörigen Blogs dem News-Aggregator Kinja untergeordnet, bei dem sich Nutzer jetzt auch zum Kommentieren und Hochladen von Inhalten anmelden. Die Community-Mitglieder können nicht nur eigene Einleitungen und Bildunterschriften zu Artikeln der verschiedenen Unter-Blogs sondern auch eigene Einträge verfassen.
Vorbildlich ist hier das Leser-Portal des britischen «Guardian», dass seit über einem Jahr den Nutzern die Möglichkeit gibt, neben dem blossen Kommentieren eigene Inhalte zur Verfügung zu stellen. Hier kann die Community sogar mitentscheiden, welche Artikelthemen weiter verfolgt werden sollen und welche nicht. Auch Plattformen wie «Forbes» oder CNN stellen den Nutzern derartige Bereiche auf ihren Websites zur Verfügung.
Diese Erweiterung der blossen Kommentarmöglichkeit hat für die Website-Betreiber mehrere Vorteile:
Die Leser identifizieren sich über das persönliche Profil stärker mit dem betreffenden Portal, was insbesondere bei den Kommentaren eine Art Hausherr-Effekt zur Folge hat: Der Nutzer betrachtet sein Profil mit sämtlichen Inhalten als sein Terrain, und fühlt sich dementsprechend für das Niveau der Kommentare mitverantwortlich.
Die Journalistin Ingrid Brodnig hat sich in mit den Folgen der Anonymisierung im Internet beschäftigt. Sie beschreibt die Verschiebung der Moderation hin zu den Lesern folgendermassen: «[…] der User hat somit die Macht über die Debatte, die er selbst losgetreten hat. Das ist genial, weil sich nun auch jeder User mit der Frage auseinandersetzen muss, welche Postings er sich eigentlich wünscht.»
Für Nachrichtenportale sind diese Blogs ausserdem eine ideale Quelle für Artikelthemen. Die Leser stellen von sich aus Inhalte zur Verfügung, die nur noch gesichtet werden müssen. Erscheint eine Geschichte interessant genug, wird sie aufbereitet und auf der Website lanciert. Der Leser hat die Ehre, das Portal den Inhalt.
Draht zu den Lesern oder preiswerte Inhalte?
Ein wichtiger Kritikpunkt ist, dass die betreffenden Seiten auf diesem Wege einfach an für sie kostenlose Inhalte kommen und dadurch an Arbeitskräften gespart werden könnte. Allerdings braucht es natürlich für alle Themenvorschläge Fachleute, die ihnen nachgehen und sie aufschreiben.
Im Idealfall wären derartige Plattformen gerade auch für Lokalblätter eine Möglichkeit, Nutzer und Journalisten zu vernetzen, so dass Themen angesprochen werden können, die sonst nie an die Öffentlichkeit gelangen würden. Damit wäre der Anfang gemacht für einen Wechsel vom einseitigen Kommentieren hin zu einem tatsächlichen Dialog.