Die Delegiertenversammlung des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland stand ganz im Zeichen eines Themas: der Frühfremdsprachen. Diese stiessen bei einer Mehrheit der Anwesenden auf grosse Skepsis.
An der Delegierten- und Mitgliederversammlung des Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland stand neben den üblichen Vereinsaktivitäten vor allem ein Thema im Schlaglicht: die Frühfremdsprachen. Im Rahmen der Harmonisierung der Schulen dauert die Primarschule sechs Jahre, während denen zwei Fremdsprachen unterrichtet werden.
Im dritten Jahr lernen die Baselbieter Primarschüler Französisch. Gemäss dem neuen Lehrplan kommt im 5. Schuljahr als zweite Fremdsprache Englisch dazu. Im soeben begonnenen Schuljahr findet der erste Englisch-Lehrgang statt.
Befürworter haben schweren Stand
Zum Thema Frühfremdsprachen referierten je zwei Befürworter und zwei Gegner. Als Befürworter des neuen Systems wurden Christine Le Pape Racine und Giuseppe Manno eingeladen. Beide arbeiten als Lehrer an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Ihre wichtigsten Argumente:
- Der nationale Zusammenhalt ist wichtig – durch das Lernen von Fremdsprachen wie Französisch wird dieser gefördert.
- Was ein Kind in der Primarschule lernt, bleibt fürs Leben.
- Auch wenn nicht alles gut ist, die Reform ist noch nicht abgeschlossen. Im Jahr 2018 wird evaluiert und verbessert.
- Kinder profitieren bei der ersten Fremdsprache von der Muttersprache und bei der zweiten Fremdsprache von der ersten.
- Das Lese- und Hörverständnis ist bei Kindern mit Frühfremdsprachen besser.
- Im Lernplan steht statt Leistung die Kompetenzförderung im Vordergrund.
Während der Referate ging mehrmals ein lautes Raunen durch die Menge. Einige Zuhörer schüttelten den Kopf.
Nein zu Frühfremdsprachen
Auf Seite der Kritiker wurden Rudolf Wachter, Lehrbeauftragter an der Uni Basel, und der Lehrer und Blogger Urs Kalberer eingeladen. Ihre Argumente gegen die Frühfremdsprachen:
- Die Frühfremdsprachen sind nicht effizienter, wie man aufgrund von Studien erhofft hatte.
- Das Argument, dass Frühfremdsprachler andere Schüler überholen werden, ist nicht stichhaltig. Wegen der geringen Unterrichtslektionen geschieht dies erst nach 14 Jahren – das ist kein Gewinn.
- Damit die Frühfremdsprachen wirklich funktionieren, bräuchte es kleinere Klassengrössen (10 bis 15 Schüler), eine Lektion pro Tag und eine Lehrperson mit Muttersprachkompetenzen.
- Im Endeffekt ist kurz und kompakt besser.
- Zwei Fremdsprachen in der Primarstufe sind zuviel.
- Später machen Schüler schneller Fortschritte.
Das Publikum lachte öfters, eine Sitznachbarin nickte energisch mit dem Kopf.
Überforderte Kinder
In der nachfolgenden Fragerunde fiel der Begriff des Immersionsmodells. Bei diesem gäbe es nicht nur Französischlektionen, sondern auch andere Fächer wie Werken oder Mathematik würden in französischer Sprache unterrichtet. Für Wachter ist dieses Modell besser als das Frühfremdsprachen-Konzept.
Es meldete sich eine Lehrerin, die von Überforderung durch zwei Fremdsprachen und «gestressten Kindern» sprach. Und ein Lehrer meinte: «Ich unterrichte in einer Klasse mit 45 Prozent Ausländeranteil. Diese Kinder erlernen also drei Fremdsprachen zur gleichen Zeit. Das ist zuviel.»
Die Befürworter erwiderten, dass Lernschwierigkeiten bei einzelnen Kindern vorkommen könnten. Jedoch dürfe man nicht pauschalisieren, da der Lernerfolg individuell variiere und immer auch von der Lehrperson abhänge.
Freude hält sich in Grenzen
Allgemein wirkte es so, als sei die Mehrheit der anwesenden Lehrerinnen und Lehrer wenig begeistert vom Frühfremdsprachen-Konzept. Die beiden Befürworter hatten einen schweren Stand. Mehr Klarheit erhoffen sich viele durch die Evaluationsstudie von 2018. Bis dahin dürften sich noch einige kritische Stimmen bemerkbar machen.